Schrobenhausen
Wenn der Bescheid plötzlich teuerer wird

Stadtwerke und Landratsamt klären grundlegende Kostenfrage vor Münchner Verwaltungsgericht

13.05.2022 | Stand 23.09.2023, 1:26 Uhr

Juristischer Zankapfel im Untergrund: Für das Regenüberlaufbecken RÜ3 unter dem Schrobenhausener Martin-Luther-Platz war eine neue Genehmigung fällig. Für die berechnete das Landratsamt Neuburg-Schrobenhausen nun den Stadtwerken deutlich mehr Gebühren als in den Vorjahren üblich... Foto: SZ-Archiv

Von Jürgen Spindler

Schrobenhausen – Der Bescheid für einen Regenüberlauf muss erneuert werden – kein Problem, dachten sich die Verantwortlichen der Schrobenhausener Stadtwerke. Bis sie die Rechnung für den Bescheid sahen. Der fiel um das 20-fache höher aus als in den Jahrzehnten zuvor. Grund genug für die Stadtwerke gegen das Landratsamt Neuburg-Schrobenhausen zu klagen. Nun steht die Verhandlung vor dem Münchner Verwaltungsgericht an.

Unter dem Asphalt des Martin-Luther-Platzes in der Nähe der evangelischen Kirche in Schrobenhausen liegt der juristische Zankapfel zwischen den Stadtwerken und dem Landratsamt – das sogenannte Regenüberlaufbecken RÜ3 mit einem Fassungsvermögen von rund 1000 Kubikmetern (das entspricht mehr als 8300 Badewannenfüllungen). Im Dezember 2020 flatterte den Stadtwerken die in regelmäßigen Abständen zu erneuernde wasserrechtliche Genehmigung ins Haus. Wie sich Stadtwerkechef Thomas Schneider auf Anfrage erinnert, waren dafür bis dahin etwa 200 Euro an die Kreiskasse fällig. Doch nun lag die Rechnung bei etwa 4000 Euro. Schneider fragte nach und bekam als Antwort, dass das Landratsamt den Kostenschlüssel geändert habe. Damit, so zitiert Schneider das Landratsamt, sei ein jahrelang begangener und bis dato unbemerkter Fehler lediglich behoben worden.

Kosten steigen um das zehn- bis hundertfache

Grundlage für die Kosten eines Bescheides sei das Bayerische Kostengesetz, erklärt Schneider. Dazu gehöre eine Verordnung, die die Kostenschätze detailliert regele. Bislang hatte das Landratsamt Neuburg-Schrobenhausen die Gebühren für die Genehmigung als Niederschlagswasser berechnet, was der Behörde je nach Abflussmenge des Regenüberlaufes einen Spielraum von 100 bis 2500 Euro lasse. Der Berechnungsmodus wurde aber kurzerhand auf „Schmutzwasser nichtgewerblicher Art“ umgestellt, was nun Kosten zwischen 100 bis weit über 5320 Euro pro Genehmigung möglich mache.

Was Schneider bis dahin selbst nicht wusste, ist, dass die Landratsämter den aus ihrer Sicht passenden Berechnungsmodus aus den zwei Varianten frei auswählen können. Schneider startete eine kleine Umfrage und stellte nach eigenen Worten fest, dass das landesweit unterschiedlich gehandhabt werde. So berechne das Landratsamt Pfaffenhofen – wie bislang auch die Neuburger Behörde – die Bescheidgebühren nach dem Regenwasserschlüssel. So auch die Kreisverwaltung Ingolstadt, die Stadt Ingolstadt dagegen nach dem Schmutzwassermodus, wie Schneider herausfand.

Die aus Schneiders Sicht spontane Änderung beim Landratsamt Neuburg-Schrobenhausen kann der Stadtwerkechef nicht nachvollziehen. Der Verwaltungsaufwand für das Landratsamt sei heute der Gleiche wie in den vorangegangenen Jahren. Dafür erhöhten sich aber die Kosten der Stadtwerke für die regelmäßigen Genehmigungen um das zehn- bis hundertfache, so Schneider. Für die Stadtwerke habe dieser Verwaltungsakt in der Vergangenheit bislang im Jahr einen „unteren vierstelligen Betrag“ ausgemacht, nun müsse von einem sechstelligen Betrag ausgegangen werden. Immerhin besitzen die Stadtwerke Schrobenhausen 20 solcher Sonderbauwerke, die zur Sicherheit vorgehalten und regelmäßig auf den neuesten Stand der Technik gebracht werden. Die als Regenüberlaufbecken oder Stauraumkanäle bekannten Bauten dienten bei spontanen kräftigen Regenfällen dazu, das Kanalsystem nicht zu überfluten. Für Schneider quasi der Airbag des städtischen Abwassersystems.

Klarheit schaffen, von derviele andere profitieren

Für Schneider ist der am Dienstag, 24. Mai, anstehende Prozess vor der zweiten Kammer des Verwaltungsgerichtes München gleich in mehrfacher Hinsicht einer von landesweiter und grundlegender Bedeutung. „Das kann doch nicht sein“, sagt Schneider über die freihändige Entscheidungspraxis der Kreisbehörden, was den Kostenschlüssel angeht: „Das ist eine Grundsatzfrage.“ Darüber hinaus findet der Stadtwerkechef, dass das Landratsamt nicht einfach ohne stichhaltige Begründung und ohne erhöhten Verwaltungsaufwand von der bisherigen Praxis abweichen dürfe. Und natürlich habe alles Auswirkungen auf die Kosten, die den Stadtwerken verursacht würden.

Im Landratsamt Neuburg-Schrobenhausen sieht man der anstehenden Verhandlung vor den Schranken des Verwaltungsgerichtes gelassen entgegen. Dort bestehe die Hoffnung, so Norbert Eibel, der persönliche Referent von Landrat Peter von der Grün (FW), dass das Gericht den Gesetzgeber auffordern werde, eine neue Kategorie im Kostenverzeichnis einzuführen. Denn nach Auffassung des Landratsamtes handele es sich bei den für die Gebührenberechnung zugrundeliegenden Tatbeständen weder um Schmutz- noch um Regenwasser. Vielmehr, so Eibel auf Anfrage weiter, handele es sich um Mischwasser. Und das sei nun mal nicht im derzeit geltenden Kostenverzeichnis vorgesehen. Übrigens habe auch deswegen das Landratsamt eine andere Kategorie zur Berechnung der Bescheidgebühren für die Stadtwerke gewählt, so Eibel weiter. Im Streit lägen deswegen Landratsamt und Stadtwerke nicht, sondern sie seien sich einig: „Wir wollen Klarheit schaffen, davon profitieren bestimmt auch viele andere.“

SZ