Schrobenhausen
„Schlüsselerlebnis“

Ein Telefongespräch mit Klaus und Nicolas Doldinger über die Autobiografie und die Rolle Schrobenhausens

05.01.2023 | Stand 17.09.2023, 6:11 Uhr

Klaus Doldinger mit seinem Sohn Nicolas. Foto: privat

Schrobenhausen / Icking am Ammersee – Klaus Doldinger und sein Sohn Nicolas Doldinger, der Co-Autor des vor einer Weile im Piper-Verlag erschienenen Buchs „Made in Germany – Mein Leben für die Musik“, sprechen im Telefoninterview über die Entstehung dieses Buchs und die Erinnerungen an Schrobenhausen. Und darüber, weshalb sich Klaus Doldinger für das Saxofon als Hauptinstrument entschieden hat, was er an Bernd Eichinger geschätzt hat und welche Musik er selbst gerne hört.

Wie ist dieses gemeinsame Buch entstanden?
Nicolas Doldinger: Eigentlich sehr systematisch, da ich persönlich ja die meisten Geschichten über die Jahre schon mehrmals in Erzählungen meines Vaters gehört hatte. Und so haben wir uns beide chronologisch durch die Jahre gearbeitet und überall dort, wo es noch Lücken gab, sind wir auf vertraute Weggefährten und Zeitzeugen zugegangen.

Auf wen zum Beispiel?
Nicolas Doldinger: Auf unseren guten Freund und Musikmanager Siggi Loch zum Beispiel, auch auf Wolfgang Petersen und viele andere. Und natürlich hat meine Mutter einen großen Anteil daran gehabt. So sind da doch sehr viele weitere und neue Details hinzugekommen, die dem Buch aus meiner Sicht eine besondere Tiefe geben und sowohl den Fans meines Vaters als auch den Interessierten viele Einblicke in das Lebensgefühl dieser Jahre und Jahrzehnte erlauben.

Waren auch Zeitzeugen aus der mehrwöchigen Zeit in Schrobenhausen darunter?
Klaus Doldinger: Außer meinem Bruder, der damals mit dabei war, leider nein.

Untergebracht waren Sie damals bei Ihrem Onkel Josef Geiger, dem Apotheker, der in Schrobenhausen seine Drogerie von Mitte der 30er-Jahre bis Mitte der 50er-Jahre betrieb. Im Buch schreiben Sie: „Bis wir Schrobenhausen erreichten, war mein Onkel Josef nicht direkt beglückt, nun spontane Gäste zu haben.“ Wie kann man sich das vorstellen?
Klaus Doldinger: Naja, wir haben meinen Onkel ja praktisch komplett unangemeldet überrumpelt. Und ich persönlich hatte ihn zuvor noch nie kennengelernt. Aber Familie ist Familie, und er musste sich eben um uns kümmern. Auch wenn wir vielleicht bei ihm nicht besonders willkommen waren, habe ich mich in Schrobenhausen sehr wohlgefühlt. Das war so offen und so frei. Und dann der Laden mit den vielen kleinen Mittelchen in kleinen Fläschchen. Und der Ort wurde ja praktisch zu einem Schlüsselerlebnis meines Lebens...

...das sich vor einer bayerischen Wirtschaft gegenüber des Ladens mit US-amerikanischen GIs zugetragen hat. Unserer Recherche nach war der Ort der mittlerweile abgerissene Gasthof Bräumichl, weil gerade dort viele Soldaten ihre Zeit verbracht und im Saal Musik gemacht haben. Dort haben Sie kurz vor Ihrem neunten Geburtstag von draußen der Jazz-Combo zuhören können. Waren Sie auch drinnen und hatten näheren Kontakt zu den musikalischen Soldaten?
Klaus Doldinger: Leider nein, drinnen war ich ja schließlich nicht mehr willkommen, da ich mich ja gerade an deren Hauswand entledigt hatte. Also war das Zuhören leider nur ein kurzes Vergnügen, aber dennoch eines, was mich über die Jahrzehnte nicht losgelassen hat.

In Ihrem Buch schreiben Sie auch: „Außerdem hatten die Eltern meines Vaters ein Klavier, auf dem ich bereits als Kind wild herumimprovisierte.“ Warum wurde eigentlich das Klavier nicht Ihr Instrument?
Klaus Doldinger: Der Grund, warum mir das Saxofon immer mehr zugesagt hatte, ist dessen immense Ähnlichkeit zur menschlichen Stimme, womit man einfach viel mehr ausdrücken kann als mit einem Tasteninstrument. Allerdings spiele ich heute noch täglich am Klavier und benutze es fast exklusiv für meine Film- und Fernsehkompositionen.

Im Laufe Ihrer Karriere haben Sie unendlich viele Menschen auf der ganzen Welt kennengelernt. Auch den vor zwölf Jahren verstorbenen Bernd Eichinger, der ja im benachbarten Rennertshofen aufgewachsen ist. Sie haben bei „Die unendliche Geschichte“ mit ihm zusammengearbeitet...
Klaus Doldinger: ...und danach noch bei weiteren gemeinsamen Projekten, was mich sehr gefreut hat und wodurch wir dann auch wirklich enge Freunde geworden sind. So habe ich ihn in sehr guter Erinnerung. Sowohl in meinem Herzen als auch im gesamten deutschen Filmgeschäft wird er immer noch sehr vermisst. Menschen mit solchem Format und tiefer Liebe zum Film gibt es nur noch wenige heute.

Eine bestimmte Live-Aufnahme eines Jazzkonzerts aus dem Jahr 1944 mit unter anderem Nat King Cole und Illinois Jacquet sprechen Sie in Ihrem Buch auch an und schreiben, dass Sie diese Aufnahme als Kind schon förmlich angesprungen habe und Ihr Wunsch, selbst Jazz zu spielen, nicht zuletzt darauf zurückzuführen sei. Hören Sie diese Musik heute noch?
Klaus Doldinger: Ja, auf jeden Fall. Bei dieser Musik meiner Jugend wird mir immer ganz warm ums Herz. Das hören wir zu Hause gerne mal am Frühstückstisch, aber auch in meinem Musikzimmer. Wir beschränken uns da hauptsächlich auf die Klassiker aus unserer Jugend.

Hören Sie auch Ihre eigenen, gerade früheren Platten an?

Klaus Doldinger: Manchmal. Da bin ich immer wieder verwundert, wie viel ich damals produziert habe. Das ist fast unbegreiflich manchmal, was da alles aus mir kam.

Ihr letzter Satz im Buch lautet: „Jetzt muss ich noch ein paar Töne spielen, um in Form zu bleiben.“ Auf was achten Sie da besonders?
Klaus Doldinger: Naja, das ist die Basis eines guten Saxofonisten. Das ist wie beim Sport. Man muss seine Hände, seine Atmung und seine Gesichtsmuskeln in Form halten, sonst wird es immer schwerer, die gewünschten Töne zu produzieren, die man im Kopf hat. Das erfordert eben eine gewisse Disziplin. Und so ist das einfach Teil meines Lebens geworden, wenn ich zu Hause bin, täglich vor dem Abendessen im Musikzimmer ein bisschen zu jammen, was natürlich auch bei meiner Frau sehr gut ankommt.

SZ

Das Gespräch führte Thomas Floerecke