Steingriff
Kirche als Knotenpunkt für Kontakte

<DK-XY_trifft>ANGEKOMMEN IN STEINGRIFF:</DK-XY_trifft> Sarah und Raphael Selle kamen aus Thüringen nach Schrobenhausen

29.08.2022 | Stand 22.09.2023, 6:18 Uhr

Sarah und Raphael Selle kommen gebürtig aus Thüringen und leben seit einigen Jahren in Schrobenhausen – im hiesigen Standesamt haben sie 2016 geheiratet. Foto: Budke

Von Heidrun Budke

Steingriff – Sarah und Raphael Selle kommen gebürtig aus Thüringen. Seit 2015 leben sie in Schrobenhausen, hier haben sie im Oktober 2016 geheiratet. Von ihrer ersten Wohnung in der Altstadt sind sie vor kurzer Zeit nach Steingriff umgezogen, denn Sarah hatte sich ein eigenes Nähzimmer gewünscht. Kontakte haben die beiden vor allem durch die evangelische Kirchengemeinde gefunden – hier ist Raphael bereits seit 2017 im Vorstand.

„Als ich nach Schrobenhausen gezogen bin, hatte ich keine Wohnung“, erzählt Raphael Selle. Sein Arbeitgeber hatte ihm zwar ein Zimmer in einer Pension organisiert, aber das galt nur für eine Woche. „Unter anderem habe ich in der Kirche nachgefragt, ob sie mir helfen können.“ Er wollte „alle Kanäle nutzen“ und die erste Kontaktaufnahme zur evangelischen Christusgemeinde in Schrobenhausen erwies sich für alle Beteiligten ganz schnell als klassische Win-win-Situation. „Wenn ich nach der Woche keine Wohnung gehabt hätte, hätte ich bei einem Kirchenmitglied wohnen können“, ist Raphael dankbar für die Aufgeschlossenheit, mit der man ihm entgegenkam. Und er revanchierte sich: „Im gleichen Atemzug habe ich angeboten, dass ich Orgelvertretung machen könnte – da hat sich die Kantorin sehr gefreut, denn sie wollte am Wochenende darauf in Urlaub“, erzählt er. So machte Raphael an seinem zweiten Wochenende in Schrobenhausen bereits seine erste Orgelvertretung.

Nicht dialektfrei, aber dialektarm

Das war im August 2015. Tatsächlich fand er mit Unterstützung seines Arbeitgebers schnell eine Wohnung. „Und dann war Mariä-Himmelfahrt – ich wusste, dass es den Feiertag gibt, aber ich hatte gar nicht damit gerechnet, dass ich ihn einplanen muss“, erinnert sich Raphael an die Besonderheit im Kalender. „Sachsen ist das Bundesland, das protestantisch geprägt ist und die meisten evangelischen Feiertage hat, wie zum Beispiel Buß- und Bettag und Reformationstag“, erklärt er.

Raphael Selle kommt aus der thüringischen Landeshauptstadt Erfurt, seine damalige Freundin und heutige Frau Sarah ist gebürtig aus Jena. Damit waren die beiden in den einwohnerstärksten Städten Thüringens zuhause. Nach dem Maschinenbaustudium in Dresden hatte sich Raphael im deutschsprachigen Raum beworben: „Letztlich bin ich bei Bauer in Schrobenhausen gelandet“, meint er. 34 Jahre ist er alt und hat somit ein Jahr in der DDR gelebt. In seiner Heimat sei es „wie in jeder Stadt auch – es gibt Nachbarschaften, Kindergärten, Schulen.“ Lokal-kulturelle Unterschiede sieht er schon: „Wenn man samstags im Garten den Grill anschmeißt, nennt man das in Erfurt eher braten als grillen und man nimmt eher Holzkohle als Gas.“ Statt des Oktoberfestes gibt es ein ökumenisches Martini-Fest und der Dialekt sei wohl ein anderer. Aber das ist für Raphael Nebensache, denn in seinem Elternhaus wurde weitgehend Hochdeutsch gesprochen: „Ich bin nicht dialektfrei, aber dialektarm.“

Schon in Erfurt sang Raphael in verschiedenen Chören, unter anderem in der Kirche, außerdem spielt er Klavier und Orgel. Bei einer Kirchenfreizeit 2014 lernten sich Sarah und Raphael kennen. Die Kirche und die Musik sind Dinge, die beide verbindet und über die sie Kontakte in Schrobenhausen geknüpft haben. So ist Raphael Selle seit 2017 im Kirchenvorstand. „Sie haben einen Ansprechpartner für die jungen Leute gesucht“, sagt Sarah. „Die jungen Menschen, die Musik und die Technik sind meine Themen in der Kirche“, meint ihr Mann. In der Christusgemeinde gibt es einen Projektchor, der zu bestimmten Anlässen ein Programm einübt. „Das erste Projekt war, dass Eltern für ihre Kinder eine tolle Konfirmation gestalten wollten und daraus ist der Chor entstanden“, weiß Sarah.

Aus einem Chor hat sich ein Hauskreis gebildet

Sarah Selle hat auch eine Weile im Chor mitgesungen, doch beruflich ist es für sie schwierig, an üblichen Freizeitaktivitäten teilzunehmen. Als Heilerziehungspflegerin arbeitet sie bei Regens-Wagner und für einen ambulanten Dienst oft abends und an den Wochenenden. „Aber aus dem Chor hat sich ein Hauskreis gebildet und da bin ich dabei“, freut sie sich. Ansonsten hat sie angefangen zu malen und zu nähen. Deshalb sind die beiden von der Altstadt nach Steingriff umgezogen. „Ich wollte gern ein eigenes Nähzimmer, weil das Wohnzimmer zu eng geworden ist“, erklärt Sarah. Raphael ist im Taek-Won-Do-Club: „Während Corona ist der Punkt gekommen, wo gesund ohne Sport einfach vorbei war“, meint er. Durch das dauernde Homeoffice fiel der Weg mit der Rad zur Arbeit weg „und der positive Nebeneffekt ist: Man lernt noch etwas zur Selbstverteidigung.“

Gemeinsam erkunden Sarah und Raphael Selle Schrobenhausen und Umgebung: „Wir waren in der Altstadt, haben uns die Türme angeschaut und sind den Ich-lerne-Schrobenhausen-kennen-Pfad abgelaufen“, erzählt Raphael, mit dem Fahrrad waren sie im Goachat und bei der Hinterkaifeck-Gedenkstätte. Steingriff wollen sie jetzt als neuen Wohnort besser kennenlernen. In der neuen Wohnung fühlen sie sich bereits sehr wohl. „Heimweh ist etwas, das ich gar nicht kenne“, stellt Raphael fest, „ich brauche ein Bett und ein Buch, dann passt das.“ Sarah lacht und gibt zu: „Für mich war das schon anders, aber der Anschluss zur Kirchengemeinde war für uns wichtig und hat Türen geöffnet.“ Ein paar Mal im Jahr, vor allem zu den hohen Feiertagen, fahren sie nach Thüringen, um Familie und Freunde zu treffen: „Und die könnten jetzt auch herkommen“, sagt Sarah, „denn das Gästezimmer ist schon fertig.“

SZ