Schrobenhausen
Gedanken zum Erntedank: Ein Innehalten der Konsumgesellschaft?

Am ersten Sonntag im Oktober wird das Erntedankfest gefeiert

02.10.2022 | Stand 22.09.2023, 5:06 Uhr

Erntedankaltar: In jeder Eucharistiefeier danken katholische Christen für die „Frucht der Erde und der menschlichen Arbeit“. Foto: Speiseder

Schrobenhausen - Solange Menschen unmittelbar vom Kreislauf der Natur abhängig sind, ist die Nahrungsgewinnung keine Selbstverständlichkeit und gilt diese ständig als bedroht. Eine gute Ernte gibt das Gefühl der Sicherheit, sie garantiert das Leben für einige Zeit und bietet dann Anlass zum Feiern, denn man kann aus dem Vollen schöpfen.

Am ersten Sonntag im Oktober wird das Erntedankfest gefeiert. Dabei geht es um eine Idee, die bereits in vorchristlichen Religionen – etwa im Judentum oder bei den Römern – ihren Platz hatte. Die Ernte wird als Geschenk erfahren, das nicht selbstverständlich ist und für das man Dank abstatten muss.

„Frucht der Erde und der menschlichen Arbeit“

In jeder Eucharistiefeier danken katholische Christen für die „Frucht der Erde und der menschlichen Arbeit“. Was die Natur hervorbringt, wird als Gottesgeschenk betrachtet. Einmal im Jahr bietet dieses Danken allen Christen einen Anlass zu einem eigenen Fest, dem Erntedankfest.

Solange sich der Mensch als Teil einer göttlichen Schöpfung begreift, wird er Teile dieser Schöpfung, wie seine Nahrung aus dem Ackerbau und der Viehzucht, auf Gott zurückführen und sich zu Dank verpflichtet fühlen. Dies gilt vor allem dann, wenn sich der Mensch als abhängig vom Naturkreislauf erfährt, in den die Nahrungsgewinnung eingebunden ist. Und der Abschluss der Ernte bot darum immer einen Anlass zum Dank.

Der Monat, in dem wir Erntedank feiern, hieß althochdeutsch „hirbist-manot“, was Havermaent oder Herbstsaat bedeutet. Die Namen deuten bereits auf die Vorbereitung für den Winter hin. Die Bezeichnung September, die im Mittelhochdeutschen schon nachweisbar ist, leitet sich von der Zahl „sieben“ ab, lateinisch „septem“. Im altrömischen Kalender (156 vor Christus) war der Beginn des Jahres der 1. März. Nach der Kalenderreform von Julius Caesar (56 vor Christus) blieb der Monatsname erhalten, auch wenn er an neunter Stelle steht.

Im 1. Buch Mose, der Genesis, wird berichtet, dass Kain ein Opfer von den Früchten des Feldes und Abel ein Opfer von den Erstlingen seiner Herde brachte. In der jüdischen Tradition gehören auch alle menschlichen Erstgeborenen Gott.

Erntedankfest und Konsumgesellschaft

Noch vor wenigen Jahren hatte das Erntedankfest eine erheblich stärkere Bedeutung für die Menschen: die Abhängigkeit von Wind und Wetter, von der Beschaffenheit des Bodens, der Leistungsfähigkeit des Nutzviehs, die Angst vor Seuchen und Naturkatastrophen war größer und sie war auch existentiell. Die Maschinisierung in der Landwirtschaft, Fortschritte in Züchtung und der Tiermedizin, neue Dünge- und Schädlingsbekämpfungsmittel haben das Bild der Landwirtschaft und den Berufszweig des Bauern grundlegend verändert.

Immer weniger Beschäftigte in der Landwirtschaft produzieren immer mehr Lebensmittel. Und das zu geringeren Preisen. Die Globalisierung macht es zudem möglich, dass Südfrüchte nichts Exotisches mehr an sich haben, sondern das ganze Jahr über verfügbar sind. Und obgleich wir im „Vater unser“ um das „tägliche Brot“ bitten, geht das Bewusstsein für dessen Wert vielfach verloren. „Das Erntedankfest ist ein Gradmesser für dieses gesellschaftliche Bewusstsein“, schreibt der Theologe und Volkskundler Manfred Becker-Huberti. Und die Arbeitsgemeinschaft für Katholische Familienbildung empfiehlt in ihrer Arbeitsanregung zum Erntedankfest, das es auch in der Familienfeier seinen Platz haben soll, dass alle Familienmitglieder symbolisch am Mittagstisch in eine Schüssel Elemente einlegen sollen, wodurch Vater, Mutter, Kinder, Oma und Opa und weitere Mitfeiernde dafür danken, was sie in diesem Jahr als Geschenk für das Leben erhalten haben. Die Dankbarkeit als Grundhal-tung für alle Lebensgaben werden so einander mitgeteilt und gipfeln in einem gemeinsamen Dankgebet vor dem Mittagessen.

SZ