Schrobenhausen
Die Noten der Hochzeitsmusik sind inzwischen in Wien

Die Schrobenhausener Barocktage haben wieder einmal einen wissenschaftlichen Beitrag geleistet – Vorbereitungen für die letzte Saison laufen

20.01.2023 | Stand 17.09.2023, 5:07 Uhr

Die Schrobenhausener Version der Hochzeitsmusik von Antonio Caldara hat der Intendant der Schrobenhausener Barocktage, Jakob Rattinger (l.), dem Archivdirektor des Musikvereins Wien, Johannes Prominczel, inzwischen übergeben. Foto: privat

Schrobenhausen – Wer schon mal (oder wieder einmal) im Münchner Hofbräuhaus am Platzl war, der wird sich diese Frage womöglich auch schon gestellt haben: Wieso heißt das Platzl eigentlich so komisch? Orlandoplatz ...? Tja. Wer 2022 bei den Schrobenhausener Barocktagen war, der kennt die Antwort darauf. Orlando di Lasso war Barockmusiker. Und es sind Freunde der alten Musik um ihren Intendanten Jakob Rattinger, die angetreten sind, Werke von di Lasso und auch anderen Stars von damals zu entstauben und ihnen neues Leben einzuhauchen.

Das Orlando-di-Lasso-Projekt nahm 2021 seinen Anfang, und eine Fortsetzung auch 2023 gilt als sicher, denn ein Jahr lang gibt es die Schrobenhausener Barocktage noch; dann läuft der Vertrag aus, in dem die Stadt dem Verein den Auftrag erteilt hat, für hochwertige Barockmusik in Schrobenhausen zu sorgen. Die Vorbereitungen dafür sind längst angelaufen.

Schlussakkord fürdas Hochzeitsprojekt

Im vergangenen Jahr spielte auch ein fast vergessenes Werk eines anderen Stars seiner Zeit eine große Rolle, Antonio Caldara – eine Partitur von unschätzbarem historischen Wert. Auch, wenn die Barocktage 2022 längst zu Ende sind, gab es, was Caldara anbelangt, noch einen späteren Schlussakkord. Aber der Reihe nach.

Am 5. Oktober 1722, also vor ziemlich genau 300 Jahren, heirateten Karl Albrecht von Bayern und Maria-Amalia von Österreich. Das war nicht irgendeine Hochzeit, sondern eine mit Bedeutung für Europa. Einzigartig in der deutschen Geschichte, sagen manche.

Weil der bayerische Kurfürst Max Emanuel nach dem Spanischen Erbfolgekrieg die Aussöhnung der Häuser Wittelsbach und Habsburg anstrebte, hatte er lange Zeit erfolglos versucht, seinen Sohn Karl Albrecht mit der erstgeborenen Tochter des österreichischen Kaisers zu vermählen. Was aber gelang, war die Ehe mit der jüngeren Schwester, Maria-Amalia. Auch sie war bedeutend genug, dass Bayern damit indirekt nach der Kaiserkrone griff.

Die Hochzeit wurde drei Wochen lang gefeiert, mit dem größtmöglichen Prunk – in Wien und in München, wo man sogar einen großen Brunnen auf dem Marienplatz errichten ließ, um die Ansprüche für jeden sichtbar zu untermauern.

Die Hochzeitsmusik hingegen, war eine einzige Warnung Österreichs an Bayern, sich gefälligst ordentlich einzuordnen. Gespickt mit Anspielungen und Drohungen. Komponiert hatte sie einer der großen Künstler seiner Zeit: Antonio Caldara. Aufgeführt wurde es nur dieses eine Mal, 1722.

Dann kam Jakob Rattinger ins Spiel, der Intendant der Schrobenhausener Barocktage, der immer auf der Suche nach verborgenen musikalischen Schätzen ist. Vor einigen Jahren schon war er auf diese Hochzeitsmusik von Caldara gestoßen – und er hatte Glück. Sie war im Archiv des Musikvereins Wien gelagert. Schnell hingeschmiert, improvisiert, nicht leicht lesbar. Jakob Rattinger war das egal. Zusammen mit befreundeten Musikwissenschaftlern aus dem Netzwerk des Fördervereins Freunde der alten Musik in Schrobenhausen entstand eine les- und spielbare Version, die dem Original des Jahres 1722 außerordentlich nahe kommt.

Bei den Barocktagen im vergangenen Herbst in Schrobenhausen wurde Antonio Caldaras Musik dann gespielt, mehrfach. Einmal sogar bei einer echten Hochzeit eines echten Musikerpaares, das eine Aufführung bei einer Verlosung zu den Barocktagen gewonnen hatte. Begleitend gab es seinerzeit auch einen Vortrag, der die ganze Geschichte dieser Musik aufbereitete, erklärte, nachvollziehbar machte.

Und tatsächlich kam es 1742, also 20 Jahre nach der Hochzeit scheinbar ein Happy end: Der Bayer Karl Albrecht wurde tatsächlich als Karl VII. zum österreichischen Kaiser gekrönt. Die Freude währte allerdings nicht lang; Der Kaiser agierte unglücklich, starb nach nicht einmal drei Jahren im Amt am 20. Januar 1745 in München – ohne Nachkommen. Damit fiel die Krone wieder an Habsburg zurück, und Maria-Theresia wurde seine Nachfolgerin.

Schrobenhausen-Versionjetzt in Wien

Damit ist die Geschichte aber noch immer nicht zu Ende. Denn für den letzten Akt sorgte Jakob Rattinger, als er nach Wien reiste, um die überarbeitete Version der Caldara-Partitur nun dem Archivdirektor Johannes Prominczel zu überreichen, einem promovierten Wissenschaftler, der genau einzuschätzen wusste, wie viel Schweiß und Kleinarbeit hinter dieser neuen Edition steht. So gibt es die Hochzeitsmusik für Karl Albrecht von Bayern und Maria-Amalia von Österreich nun zweimal im Archiv – einmal made in Schrobenhausen, und nun jederzeit wieder für alle geneigten Barockfreunde spielbar.

SZ