Schrobenhausen
Chaos im Stadtrat

Problematische Sondersitzung zum Verkehrsentwicklungsplan

30.11.2022 | Stand 18.09.2023, 22:28 Uhr

Rund 20 Zuschauer verfolgten oben auf der Tribüne, wie unten gezofft wurde. Fotos: M. Schalk

Schrobenhausen – „Nach der Sommerpause wird der Stadtrat entscheiden, welche Maßnahmen des Verkehrsentwicklungsplans (VEP) mit oberster Priorität weiterverfolgt werden sollen“ – so war es geplant. Am Dienstagabend stand nun die Sondersitzung des Stadtrats zum Verkehrsentwicklungsplan an – und es kam alles ganz anders.

Über ein Vierteljahr hatten die Fraktionen Zeit, sich auf diese Sondersitzung vorzubereiten. Die Hausaufgabe war, dass jede Fraktion ihre Priorisierung vornehmen sollte, um dann nach Schnittmengen zu suchen. Als nun die Sondersitzung am Dienstagabend begann, gab es – gar nichts. Nicht alle Fraktionen hatten ihre Überlegungen eingereicht. Wer nicht mitgespielt hat, das behielt die Stadtverwaltung für sich. Nur die Verwaltung wusste in dieser Sitzung, welche Fraktion wofür steht.

Es gab also keinen Plan, und planlos verlief entsprechend auch die Sitzung. Nach rund dreieinhalb Stunden beendete sie Bürgermeister Harald Reisner entnervt. Günther Schalk (FW) fasste das, was passierte, zwischenzeitlich so zusammen: „Man wusste seit Monaten, dass jetzt eine Sondersitzung kommt – es ist schade, dass wir das organisatorisch wieder vergeigt haben.“

Was davorgeschah

Das Chaos hatte schon Tage davor seinen Anfang genommen – in einer Fraktionssprecherrunde, an der nicht alle Fraktionssprecher teilgenommen hatten. Diejenigen, die erschienen waren, hatten wohl entschieden, vier sogenannte Leuchtturmprojekte aus dem riesigen Paket des Verkehrsentwicklungsplans, der unter www.schrobenhausen.de heruntergeladen werden kann, herauszugreifen. „Wir haben das in der Fraktionssprecherrunde beschlossen“, bestätigte Verkehrsreferentin Martha Schwarzbauer (SPD) und fand das gut. „Wir haben in der Fraktionssprecherrunde auf Anregung von Stefan Eikam beschlossen, dass wie die Stellungnahmen der Fraktionen nur veröffentlichen, wenn alle bis zum 31. Oktober vorliegen“, ergänzte der Bürgermeister.

Damit war man beim ersten großen Knackpunkt. Zwei Möglichkeiten hätte es nun gegeben: entweder die Sitzung absetzen und vertagen, bis die Konzepte aller Fraktionen vorliegen – oder aber über die Schnittmenge, die vorlag, zu beraten. Letzteres ging aber offenbar nicht, weil man sich an den – illegitimen – Beschluss der Fraktionssprecherrunde gebunden fühlte.

Möglicher Konflikt mitder Gemeindeordnung

„Ich halte es für grenzwertig, wenn in dieser Runde Beschlüsse gefasst werden“, sagte CSU-/JU-Sprecher Matthias Reisner. Zumal diesen vier Leuchtturmprojekten Fragen wie diese nicht beantworten: „Wo wollen wir hin? Was wollen wir erreichen?“ Und er sagte dies: „Eine Generalvollmacht unter Punkt 4 für die Verwaltung halte ich für waghalsig.“

Damit war ein ganz großes Fass aufgemacht. Tatsächlich hatte die Stadtverwaltung dem Stadtrat die folgende Beschlussvorlage vorgelegt: „Die Verwaltung wird beauftragt die Maßnahmen (ausgewählt aus dem VEP, Anm.d.Red) zu prüfen und, soweit sinnvoll, in eigener Zuständigkeit ohne weiteren Gremiumsbeschluss umzusetzen. Dem Stadtrat soll über das Ergebnis, sowie die Gründe, wieso einzelne Maßnahmen nicht umgesetzt wurden, berichtet werden.“

Bastian Fuchs (CSU) verdeutlichte, was das wäre: „Das ist ein Freibrief für die Verwaltung. So etwas habe ich in 20 Jahren kommunalpolitischer Arbeit noch nicht gesehen. Dieses Prozedere lässt die Gemeindeordnung nicht zu. So macht man keine Kommunalpolitik.“ Mehrfach unterbrach Fuchs seine Ausführungen, weil er merkte, dass Bürgermeister Reisner ihm überhaupt nicht zuhörte. „Habe ich jetzt deine Aufmerksamkeit?“, fragte Fuchs. Reisner nickte.

Und Fuchs ging auf die Fraktionssprecherrunde ein: „In der Fassung der Gemeindeordnung, die ich habe, heißt es: ,Der Gemeinderat beschließt‘. Ein Weißwurstgremium kann gern Organisatorisches besprechen, aber das kann keinen rechtsverbindlichen Inhalt für den Stadtrat haben.“

„Die Fraktionssprecher haben nichts beschlossen, sondern diskutiert“, erwiderte der Bürgermeister, und er habe Matthias Reisner (der nicht in der Runde war) hinterher telefonisch informiert.“ Dann sagte Reisner dies: „Wir haben festgelegt: so könnts gehen“ – also doch ein Beschluss?

Stefan Eikam (SPD) unterstrich, was Bastian Fuchs gesagt hatte: „Wir sind das Entscheidungsgremium, hier wackelt der Schwanz mit dem Dackel, so kann man das nicht machen.“

„Ich halte zugute, dass die Beschlussvorlage so nicht gemeint ist“, schaltete sich Günther Schalk (FW) ein. „Ich hoffe, dass das nicht so gemeint ist ...?“ Schweigen auf Seiten der Verwaltung.

„Wenn wir so weitermachen, kommen wir zu gar nichts“, meldete sich FW-Sprecher Rudi Koppold zu Wort. Marina Abstreiter (Grüne) entgegnete ihm dies: „Aber genau dafür sind wir gewählt: dass wir über sowas reden. Die Frage ist: Wie wollen wir dem Mobilitätsbedürfnis der Schrobenhausener gerecht werden?“ Sie forderte als allererstes bei den VEP-Beratungen eine Richtungsentscheidung ein. Schweigen. „Es hätte der ganzen Diskussion geholfen, wenn der eine oder andere den VEP gelesen hätte“, ergänzte Joachim Siegl.

„Es macht keinen Sinn zu diskutieren, wenn keiner vorbereitet ist“, sagte schließlich Harald Reisner. Er hätte „erwartet, dass die Fraktionen mitarbeiten.“

Das wiederum wollte Andy Vogl so nicht stehen lassen. Die CSU habe ihre Stellungnahme zwar nicht zum 31.10. eingereicht, aber doch zehn Tage vor dieser Sitzung – Zeit genug. Auch er stellte die Kompetenz der Fraktionssprecherrunde infrage: „Da werden zu 80 Prozent Themen besprochen, die in Ausschüsse gehören“, sagte er. Er würde hier sehr gerne mit dem Stadtrat darüber reden, was beispielsweise die Umlandgemeinden zum VEP zu sagen haben. Die CSU habe nämlich mit ihnen gesprochen, „und das war sehr interessant“. Er erwarte, dass die Stadt nun endlich in der Diskussion um den VEP „einen roten Faden“ habe.

Das war Georg Bergers (proSob) Stichwort: „Ich freue mich, dass gesagt wird: Wir brauchen einen roten Faden, denn genau aus diesem Grund war ich schon 2019 gegen den VEP in dieser Form – weil der rote Faden fehlte.“

Um genau da hin zu kommen, hatten die Grünen im Vorfeld einen Antrag eingereicht: die Planvariante 0+ aus dem VEP als Grundlage zu verabschieden. Das ist die, die besagt, dass es ein Verkehrskonzept ohne neuen Straßenbau geben soll. Den Antrag ließ allerdings Stadtjurist Finster nicht zu, weil Anträge laut Geschäftsordnung 14 Tage vor einer Sitzung eingereicht werden müssten (siehe eigener Bericht, ab Donnerstagmorgen online).

Doch nochSachdiskussion?

An dieser Stelle schaltete sich Tobias Kern, Sachbearbeiter für Klimaschutz im Rathaus ein, bei ihm ist der VEP organisatorisch angesiedelt: Und er ratterte mit Anlauf genau in die Dinge, die mehrere Stadträte gerade eben bemängelt hatten: „Dann würde ich das Thema – nach einer Stunde – gern sauber einleiten“, begann er unüberhörbar genervt bis pampig. „Die Fülle an Maßnahmen ist im Vorfeld intern intensiv behandelt worden“. Er sagte: „intern“ – also in irgendwelchen Schattengremien. Am Ende dieser Vorgespräche „haben wir uns in der Fraktionssprecherrunde auf den kleinsten gemeinsam Nenner geeinigt.“ Das Wort ,Beschluss‘ umschiffte er zwar, inhaltlich aber bestärkte er den Verdacht, dass die Bedeutung der Runde im kommunalpolitischen Betrieb in Schrobenhausen nicht klein ist.

In der Folge wurden dann – ohne über ein grundlegendes Verkehrskonzept zu reden oder gar zu entscheiden – über jene vier in der Fraktionssprecherrunde festgelegten Leuchtturmprojekte gesprochen. Eines fiel total durch, eines wurde von der Tagesordnung genommen, eines wird auf Realisierbarkeit geprüft, eines wurde – ohne irgendwelche Kosten zu kennen – verbindlich beschlossen (siehe eigener Bericht, Seite 21).

SZ