Taten auch im Kreis Kelheim
Automaten-Sprenger: BKA sieht „neue Qualität der Gewalt“

27.11.2023 | Stand 27.11.2023, 16:30 Uhr

Ein gesprengter Geldautomat ist im Frühjahr 2023 während einer Pressekonferenz beim Landeskriminalamt (LKA) Bayern in München zu sehen. Angriffe auf Geldautomaten beschäftigen die Behörden zunehmend. Foto: Sven Hoppe/dpa

Zwei Fälle von Geldautomaten-Sprengungen sorgten kürzlich für Aufsehen im Kreis Kelheim. Die Taten in Langquaid und Neustadt sind keine Einzelfälle – bundesweit beschäftigen Angriffe auf Geldautomaten die Ermittlungsbehörden. Jährlich gibt das Bundeskriminalamt (BKA) ein Lagebild heraus, zuletzt für das Jahr 2022.



• Fallzahlen: 660 physische Angriffe, davon knapp 500 Sprengungen, gab es demnach im vergangenen Jahr in Deutschland. Das ist ein Plus von 14 Prozent. In Bayern hatte sich die Zahl der Fälle von 17 auf 37 mehr als verdoppelt. Der Beuteschaden belief sich auf rund 29,9 Millionen Euro. Etwa 40 Prozent der Taten waren Versuche. Brennpunkt ist Nordrhein-Westfalen mit 182 (versuchten) Sprengungen, gefolgt von Niedersachsen mit 68 und Rheinland-Pfalz mit 56 Fällen. Am niedrigsten sind die Zahlen in den neuen Bundesländern. So gab es in Thüringen acht Fälle und in Mecklenburg-Vorpommern keinen einzigen.

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• Täter: Laut BKA handelt es sich bei den Tätern überwiegend um junge Männer unter 30, die meist in Gruppen agieren. 128 Tatverdächtige konnten 2022 ermittelt werden, davon hatten 65 die niederländische und 20 die deutsche Staatsbürgerschaft. Reisende Tatverdächtige aus den Niederlanden haben laut BKA häufig einen marokkanischen Migrationshintergrund, agieren innerhalb eines kriminellen Netzwerks und führen Sprengungen häufig mit festen Explosivstoffen herbei.

• Vorgehen: Feste Sprengstoffe werden immer häufiger eingesetzt. Dazu gehören Eigenfabrikate und pyrotechnische Sätze. 2019 kamen sie nur in fünf Prozent der Fälle zum Einsatz. 2022 waren es 80 Prozent. Das BKA spricht von einer „neuen Qualität der Gewaltbereitschaft“. Denn: Der verstärkte Einsatz fester Explosivstoffe gefährde Anwohner und Passanten. Zwar schlügen die Täter in der Regel zu Zeiten ohne Kundenverkehr zu, dennoch könnten sie die Risiken einer Explosion nicht vollständig abschätzen und kontrollieren. Über der Filiale in Langquaid etwa schlief ein junges Paar mit einem zweijährigen Kind, als Unbekannte den Geldautomaten sprengten (wir berichteten). Neben Fest-Sprengstoff kommt auch Gas zum Einsatz, das in den Automaten eingeleitet und dann entzündet wird. Es gibt auch Fälle, in denen Täter beispielsweise hydraulische Spreizer, Schneidbrenner oder Brecheisen verwenden oder den Geldautomaten herausreißen und komplett mitnehmen.

• Gewalt: Nicht nur bei den Sprengungen werden die Täter laut BKA gewalttätiger: So komme es zuletzt häufiger zu Bedrohungen, Körperverletzungen und Freiheitsberaubung. Im Lagebericht wird ein Beispiel genannt: Im Dezember 2022 etwa schlugen Täter einen Wachmann in Koblenz nieder und zwangen ihn, sich in einem Wachraum auf den Boden zu legen. Dann sprengten sie den nur fünf Meter vom Wachraum entfernten Geldautomaten. Der Wachmann erlitt Prellungen, ein Knalltrauma und einen schweren Schock. Außerdem folgt auf die Tat häufig eine rücksichtslose Flucht in hochmotorisierten Fahrzeugen.

• Gegenmaßnahmen: Zur Bekämpfung der Geldautomatenkriminalität setzt die Polizei unter anderem auf die Zusammenarbeit mit internationalen Partnern. Außerdem erhofft sie sich Erfolg von freiwilligen Präventionsmaßnahmen der Banken: Nächtliche Schließung der Räume, in denen die Geldautomaten stehen, Einfärbe- oder Klebesysteme und weniger Bargeld in den Automaten.

• Fazit: Laut BKA waren 2022 bei der Anzahlt der Taten und der Höhe der Beuteschäden neue Höchststände zu verzeichnen. „Die Bedrohungslage in Deutschland ist daher weiterhin als sehr hoch einzuschätzen.“