Eine ungeheure thematische und stilistische Bandbreite entfaltete der Eichstätter Kammerchor Crescendo unter der souveränen Leitung von Volker Hagemann in der barocken Klosterkirche von Sankt Walburg. In einem Werkstattkonzert unter dem Titel „Highlands“ bot der Chor, der bei Wettbewerben derzeit einen Preis nach dem anderen erringt, einen Einblick in sein aktuelles Projekt, das ihn noch im Mai nach Schottland führt: nach Glasgow und Aberdeen, wo man zwei schottische Chöre treffen und ein gemeinsames Konzert gestalten will.
Zwei Monate vor der geplanten Reise muss man sagen: Crescendo bewegt sich bereits nahe an der Perfektion, denn die gälischen, englischen, lateinischen und deutschen Choräle, Motetten und Volkslieder von Bach, Brahms, McMillan und Max Reger bestachen durch ihre technische Reife und voluminöse Klangfülle. Crescendo schlug dabei gleich mehrere Brücken: vom Barock in die Gegenwart, aber auch vom deutschen Volkslied zum schottischen Traditional.
Der Name Crescendo ist Programm: Der 27-köpfige gemischte A-cappella-Chor verfügt über ein gewaltiges Stimmvolumen, das sich mühelos vom sanften Pianissimo zum himmelsstürmenden Fortissimo hochschwingen kann, und dies in atemberaubender Geschwindigkeit und bewundernswerter Leichtigkeit. Die Variationsbreite des Chors zeigt sich natürlich besonders deutlich in den mehrstimmigen Barockmotetten. Doch auch die unisono vorgetragenen romantischen Volkslieder lassen die Dynamik und Modulationsfähigkeit der Sängerinnen und Sänger erkennen.
Hagemann ist Perfektionist, wie man in dieser Stunde hautnah miterlebt. Das sieht man nicht nur an seinen fließenden Bewegungsabläufen als Dirigent. Er bietet den zahlreichen Zuhörern an diesem Nachmittag auch einen kleinen Einblick in notwendige technische Übungen, um die strenge Notenmathematik Johann Sebastian Bachs zu verstehen. Die vierstimmige Motette „Lobet den Herrn, alle Heiden“ bietet Crescendo zunächst als Ganzes in brillanter Koloratur und großer Ausdruckskraft, wobei die repetitiven Elemente die Wörter „Gnade“ und „Ewigkeit“ akzentuieren.
Das Konzert beginnt mit einem artifiziell durchstrukturierten westgälischen Stück aus einer schottischen Messe. Es folgt der Blick in die Werkstatt mit Übungen und dem Endergebnis zu Bachs Motette. Danach aber schlägt die Stunde des schottischen Gegenwartskomponisten und Dirigenten James McMillan, dessen „Strathclyde Motets“ (2005) zur heiligen Kommunion komponiert wurden. Die vier mehrstimmigen Motetten setzen mit einem fulminanten „Halleluja“ zu einem grandiosen Gotteslob an, um dann im „Lux eterna“ das gleißend helle göttliche Licht in faszinierenden Klangfarben in das Kirchenschiff strömen zu lassen.
Ein lächelnder Brahms
Heiterer ließen sich die romantischen Volkslieder von Johannes Brahms an: „Da unten im Tale“ und „Waldesnacht“ entwerfen eben genau jene Motive, die auch aus der Literatur bekannt sind: Natur und Liebe, Sehnsucht und Tod, Weltflucht und Heimkehr gehen da Hand in Hand und lassen auch einstimmig die schnöde Welt durch diese Zaubermusik erklingen. Und Brahms lächelt durch seine Lieder ganz entspannt in die Kirche hinein und scheint zu sagen: So ist der Mensch eben. Dazu passt auch Max Regers Volkslied „In einem kühlen Grunde“ hervorragend, zumal dies die Vertonung eines Eichendorff-Gedichts ist.
Nicht zu vergessen Heinrich Heines berühmte „Loreley“, aus der Friedrich Silcher ein weit verbreitetes Lied machte, dessen „gewaltige Melodey“ von Crescendo hinreißend interpretiert wurde. Und ganz am Ende stellte sich auch noch Gänsehaut-Feeling ein. Denn das schottische Traditional „Loch Lomond“ besingt zwei Soldaten, die in Haft geraten, bei der einer stirbt und seine Seele unter dem See in die Unterwelt schicken muss, während sein Kamerad überlebt und am wunderschönen Loch Lomond entlang heim zu seiner Geliebten reiten darf. Selten wurde diese tragische Geschichte so herzzerreißend und mystisch dargeboten. Natürlich war das Publikum begeistert und forderte eine Zugabe.
Zu den Kommentaren