Eichstätt
Reglers Wunsch: „Ein Landkreisgefühl“ – 50 Jahre neuer Landkreis

07.05.2022 | Stand 23.09.2023, 1:35 Uhr

Prominenz beim Eichstätter Volksfest in den 1980er-Jahren (von links): Hofmühlbräu Willi Emslander, Landtagsabgeordneter Manfred Dumann, Wiesnkönigin Renate Pfuhler, Bundestagsabgeordneter Horst Seehofer, (rechte Seite) Landrat Konrad Regler, Minister Hans Eisenmann und Landtagsabgeordneter Gustl Schön. Foto: Ettle

Von Josef Ettle

Eichstätt – Beileibe kein „leichtes Spiel“ hatten der Landrat, die Bürgermeister, die Parteien und die Verwaltung, als es galt, die Region Ingolstadt, die Kreise und Gemeinden neu zu formen. Viele Faktoren spielten eine Rolle – und viele Leute redeten mit. Bei einem Besuch in Eichstätt, als alles überstanden war, meinte Ministerpräsident Franz Josef Strauß: „Ich hätte es anders gemacht und im Norden einen Landkreis Ingolstadt gebildet, in dem Eichstätt aufgegangen wäre.“ Aber Innenminister Bruno Merk hätte da etwas dagegen gehabt – und Konrad Regler auch.

Einige Modelle zur Gestaltung des Raums an Gailach, Schutter, Anlauter, Schambach, Sulz, Altmühl und Donau wurden diskutiert. Ein Landkreis Ingolstadt zum Beispiel, in den Eichstätt einverleibt worden wäre, oder eine Konstruktion mit dem räumlich nahe liegenden Kreis Neuburg. Vergleichsweise fiel der Neuburger Protest noch harmlos aus: Über einige Zeit waren auf der Straße an der Grenze zwischen beiden Kreisen nahe Nassenfels ein weißer Strich, der Bischofsstab und die Mitra zu sehen und es war zu lesen: „Wir wollen nicht unter dem Krummstab leben.“

Der damalige Landkreis Ingolstadt mit Landrat Adolf Fink wurde sogar „grichtsmaßig“. Fink erhob nach einem entsprechenden Ingolstädter Kreistagsbeschluss Anfechtungsklage gegen die Gebietsreform. Schon im Januar 1971 hatte sich der Widerstand aus den Gemeinden im ehemaligen Landkreis Ingolstadt mit dem Schlagwort „Wir wollen nicht zu den Altmühltalern“ formiert. Im Mai 1971 marschierten die beiden Kreise Eichstätt und Neuburg gemeinsam gegen die Staatsregierung wegen des Vorschlags einen Nordkreis und einen Südkreis um den Kern Ingolstadt zu bilden. Eine Resolution sorgte für Nachdruck.

Heiße Diskussionen und Spaltung der CSU

Wählervereinigungen wurden extra gegründet, wie die „Christliche Union der Mitte“ (CUM), mit deren Hilfe ein Zusammengehen der Gemeinden nahe Ingolstadt mit dem geplanten Oberzentrum erreicht werden sollte. Dann der parteilose „Landkreisblock der Mitte“, der sich als Mittler zwischen den Parteien sah. Sprecher Martin Amberger aus Oberdolling: „Wir verstehen uns als Sammelbecken der Unabhängigen, Versprengten und der Gegner kritikloser Parteidisziplin.“ Derweil arbeitete die CSU beharrlich an der Verwirklichung der Reform mit der „Viererlösung“, also den Landkreisen Eichstätt, Neuburg-Schrobenhausen und Pfaffenhofen um das Oberzentrum Ingolstadt herum.

In Vorbereitung auf die mit Spannung erwartete Kreistagswahl am 11. Juni 1972 gründete die CSU in Stammham einen neuen, großen Kreisverband Eichstätt, was nicht ohne lautstarke Proteste und Pfiffe abging. Der Kreisverband legte die Verantwortung in die Hände von Gustl Schön (Eichstätt), Alfred Maurer (Beilngries) und Johann Blumenhofer (Stammham).

Vorangegangen war eine Spaltung der CSU des Landkreises. Das passierte bereits im April 1972. Bei einem Gespräch unter Leitung des CSU-Bezirksvorsitzenden Landrat Josef Bauer (Wasserburg) zur Schlichtung der Meinungsverschiedenheiten im Rahmen der Gebietsreform verließ der Großteil der Vertreter von Gemeinden um Ingolstadt den Saal. Die „Rebellen“ gründeten dann die CUM, die Christliche Union der Mitte. Im Zuge des Kreistagswahlkampfs machte sich ein Autokorso der CUM auf den Weg nach Eichstätt und hielt eine Kundgebung auf dem Domplatz, um für sich zu werben. Die treu gebliebenen CSU-Delegierten schlugen vor, im Kreis Eichstätt einen zweiten Kreisverband zu gründen, setzten sich damit aber nicht durch.

Am 1. Juli 1972 nahm der neue Landkreis inmitten Bayerns die Arbeit auf. Ruhe kehrte aber noch nicht ein: Für das „Kind“ musste ein Name gefunden werden und ein „Zuhause“. Mittlerweile war es schon Ende August 1972, als der Kreistag diese Fragen anging. Dabei machte Landrat Konrad Regler zu Beginn der Beratung klar, dass das letzte Wort die Staatsregierung sprechen wird. Und von München aus wurde tatsächlich ein Beschluss des Kreisgremiums korrigiert, nämlich in Sachen Benennung. Aus der Mitgliederversammlung der CUM war der Vorschlag gekommen, beim Thema „Sitz und Name des Kreises“ die Bürger in geheimer Wahl abstimmen zu lassen, was die Versammlung der Kreisräte ablehnte.

Beim Punkt „Sitz des Kreises“ standen zur Wahl die von Teilen der SPD und den beiden extra ins Leben gerufenen Verbänden favorisierte Stadt Ingolstadt oder die vorwiegend von der CSU benannte Stadt Eichstätt. Oberbürgermeister Hans Hutter (CSU, Eichstätt) argumentierte, dass die Wähler durch ihr Votum bereits die Entscheidung zugunsten Eichstätts vorweggenommen haben. Dem widersprach Bürgermeister Martin Meier (SPD, Gaimersheim), der die Aussage Hutters anzweifelte und Ingolstadt zur Abstimmung stellte. Meiers Trumpf: „Die öffentlichen Verkehrsmittel bringen die Bürger schneller und billiger nach Ingolstadt als nach Eichstätt.“

Das Abstimmungsergebnis im Kreistag am 28. August 1972 war eindeutig: 35 Kreisräte stimmten für Eichstätt, 21 für Ingolstadt. In der einige Tage zuvor angesetzten Sitzung des Kreisausschusses in der Dienststelle Ingolstadt des Landratsamtes Eichstätt, der empfehlend, aber auch in verschiedenen Punkten beschließend tätig ist, war das Resultat denkbar knapp. Hier votierten sieben Kreisräte für Eichstätt, sechs für Ingolstadt. Das war eine entscheidende Weichenstellung für die Zukunft des neuen Landkreises, die – wie oben vermerkt – vom Kreistag bestätigt wurde.

Klare Mehrheit für „Kreis Altmühl-Donau“

Wie der Berichterstatter damals notierte, verliefen die Debatten über die heiklen Themen unter der Moderation von Konrad Regler sachlich. Das gilt auch für den Punkt „Name des Landkreises“, wofür im in Eichstätt im Spiegelsaal der Residenz Ende August 1972 tagenden Kreistag drei Abstimmungen nötig waren. Der erste Vorschlag lautete auf „Donau-Altmühl-Kreis“, was mit 27 Ja-Stimmen zu 29 Nein-Stimmen durchfiel. Der Vorschlag „Landkreis Eichstätt“ wurde von 22 Kreisräten gebilligt, während er von 34 Räten abgelehnt wurde. Nun mussten die Kreisräte zum dritten Mal entscheiden, nämlich ob ihnen der Name „Altmühl-Donau-Kreis“ zusage. Damit konnten sich 34 Kreisräte anfreunden, 21 votierten mit Nein.

Nach der Abstimmung kommentierte Landrat Regler: „Es wurde Zeit, dass dieses Thema vom Tisch ist, das immer noch Wahlkampfstimmung enthält.“ Hier hatte er sich allerdings verrechnet: Über das Resultat setzten sich die Regierung von Oberbayern und die Staatskanzlei hinweg und legten den Namen „Landkreis Eichstätt“ fest. Begründung: In der Regel soll der Landkreis den Namen des Kreissitzes tragen. Der Wunsch Konrad Reglers zum Abschluss dieses historischen Tages lautete: „Ich wünsche mir, dass nun ein allgemeines Landkreisgefühl aufkommt.“

EK



Im nächsten Beitrag zum Landkreisjubiläum geht es um die Posten der stellvertretenden Landräte und die Besetzung der Ausschüsse sowie um Kreistagswahlen.