Auftritt
Martina Schwarzmann in Beilngries: „Lasst euch von der Welt nicht verrückt machen“

Martina Schwarzmann begeistert mit trockenem Humor und bodenständigen Klugheiten

03.10.2022 | Stand 22.09.2023, 5:02 Uhr

Martina Schwarzmann, wie man sie kennt: Die Kabarettistin hat in Beilngries einen hervorragenden Auftritt hingelegt. Fotos: Adam

Von Regine Adam

Kinder, Schule und der Lockdown, Erziehungsfragen im „flodderesken“ Haushalt und ein Halloweenfest mit „Apfelbrocker“, dazu Freunde, die ihr Obst und Gemüse am „Fäkalienmarkt“ in München kaufen, nebenbei ein paar Irrwitzigkeiten zu Tod oder Sterben: Ein Abend mit Martina Schwarzmann ist auch in Beilngries immer ein Abend mit nur scheinbar wahllos aneinandergereihtem Geplaudere hin zu pointenreichem Witzeln, zu verrückten Geschichten und treffsicheren Liedern.



Mit trockenem Humor und passender Mimik erzählt und singt die vierfache Mutter und Landwirtsgattin aus ihrem Leben und klar, Lachen ist Programm, erlaubt und erwünscht. Aber wer genau hinhört, der erkennt viel bodenständige Klugheiten, philosophische Tiefsinnigkeiten und lebensnahe Ratschläge, verpackt auf eine Art, wie sie derzeit nur Martina Schwarzmann „an die Leut“ bringen kann.

Am Freitagabend begeisterte die Kabarettistin mit ihrem Programm „Ganz einfach“ die rund 1100 Gäste in der restlos ausverkauften Beilngrieser Bühler-Halle.

Im Schul-Lockdown den Lehrplan etwas angepasst

Vier Kinder und Unterricht daheim im Lockdown – das war eine Herausforderung, der sich auch die 43-Jährige stellen musste. Ihre Erklärung dafür, warum sie eigenmächtig und kreativ den Lehrplan gekürzt habe, „weil da ehrlich viel Schmarrn dabei ist“, fasst sie überzeugend zusammen: „Wenn man das alles bräuchte fürs Leben, dann wüsste ich doch davon.“ Wichtiger sei ihr da „Sportunterricht“ gewesen, wie beim Bäumeklettern: „Dreiviertel meiner Kinder sind weiblich, da ist es mir wichtig, dass die bei 3 auf dem Baum sein können.“ Bis sie von ihren Kindern zum Muttertag einen „Erziehungsratgeber“ geschenkt bekommen habe, war ihre Einstellung zu Erziehung: „Ich mach es wie meine Eltern und lass die Kinder einfach mal in Ruhe.“ Entsprechend überschaubar sei nun allerdings der Freundeskreis geworden, „eingeladen werden wir nicht mehr, kommen mag auch keiner, weil sich die Kinder um die Gäste streiten“. Und wenn ein Besucher mal sieben Stunden Monopoly mit einer Zweitklässlerin spielen musste, „dann zieht es den halt nicht mehr oft zu uns“. Sie selber, versichert Schwarzmann in ihrem Song „Es ist so geil, erwachsen zu sein, yeah!“, sei sowas von froh, kein Kind mehr zu sein, sondern über sich selbst bestimmen zu können, „fernsehen wann man mag, auch ohne vorher das Zimmer aufzuräumen“. Und ausschlafen. Yeah!

Lehrreiche Einblicke

Lehrreiche Einblicke gibt es ins Eheleben und die Romantik: „Wir zwei, mein Mann und ich, waren damals die letzten ohne Partner in der Clique. Also haben wir gesagt, ja, dann probieren wir es halt“, erzählt Schwarzmann. Und versichert: „Wir reden auch heute noch viel miteinander.“ Nach kurzer Pause kommt das Aber: „Nur meist interessiert mich nicht, was er erzählt, ich höre eigentlich nicht zu. Ihm geht das wohl ähnlich.“ Trotzdem sei Reden wichtig, also werde das beibehalten. „Und wenn man will, dass der andere sich wirklich was merkt, dann liegt am Tisch ein Block, da schreibt man das drauf und lässt es sich quittieren.“

So wie hier geschrieben spricht die bayerische Kabarettistin natürlich nicht. Sie plaudert Dialekt, und das nicht etwa wohlüberlegt, sondern gezwungenermaßen: „I hob goar net den Muskel im Maul, den man für Hochdeitsch braucht“, erklärt sie und erzählt von dem „Dialektpreis“, der ihr verliehen wurde. Stolz sei sie schon darauf, allerdings werde sie seitdem von der „Dialekt- und Heimatpolizei“ überwacht. „Als ich einmal bei einem Interview sagte, dass ich ,dacht’ hab, wurde ich sofort angeschrieben, dass das ,denkt’ heißen muss. Mir ist das aber ehrlich wurscht, wichtig ist nur, dass der Vorgang überhaupt stattfindet“, versichert sie spitzfindig. Daran hegt sie offenbar immer wieder Zweifel bei den Menschen heutzutage. Weil die Leute sich beispielsweise rein gar nicht dafür interessieren, was sie eigentlich essen, wo und wie etwas wächst. Dem Urlaubsgast aus Berlin muss sie den Unterschied zwischen Tomaten- und Kartoffelpflanzen erklären und macht sich dann einen Spaß daraus, „Nachhilfe in Landwirtschaft“ zu geben, mit so abstrusen Erklärungen wie neu gezüchtete „haarige Kühe“ für H-Milch.

Mit prägenden Wurzeln und klarer Botschaft

„Ich bin dankbar, dass ich jetzt 43 bin und bis jetzt alles gut gegangen ist“, versichert sie. Dabei sei Tod und Sterben in ihrer Familie kein Tabuthema. „Wir haben mal eine Ballonfahrt für die ganze Familie gebucht und bis zu dem Termin in der Theorie alle Absturzmöglichkeiten und Erbfolgen, je nachdem, wer zuerst stirbt, durchgespielt.“ Unsterblichkeit sei eh nichts Erstrebenswertes, „die würde nur die Freude am Leben verderben“. Ihr Papa philosophiere gern übers Sterben. „Er war mal sehr krank und dann meinte er, gut, dass er nicht gestorben ist, weil er ja so Übergewicht hat. Durch das viele Fett würde der Ofen viel zu heiß werden und zerreißen beim Verbrennen“, erzählt sie und erinnert sich auch noch an ihren Kommentar: „Ja, genau – und auf zweimal kann man es ja auch nicht machen, gell?“

Es ist vielleicht dieser trockene Humor, der sie mit ihrem Vater, mit ihrer Heimat, so eng verbindet, die sie in einem weiteren Lied besingt: „Meine Wurzeln halten mich.“ Entsprechend klar ihr Rat am Ende, nach einer Zugabe und einem letzten Winken ins Publikum: „Lasst euch von der Welt nicht verrückt machen!“ Sie selber verwirklicht diesen Grundsatz trotz ihrer riesigen Erfolge offensichtlich perfekt.

DK