Eichstätt
Kleine Erbschaftskonflikte

Landkreis plant Sammeldepot für archäologische Funde – Historischer Verein fühlt sich übergangen

11.06.2022 | Stand 22.09.2023, 22:23 Uhr

Archäologische Schätze hüten Albert Günther (links) und Richard Kögler vom HV in den Depots in den Kellern der Willibaldsburg. Fotos: Wermter

Von Angela Wermter

Zumindest verwundert sind die Mitglieder des Historischen Vereins (HV) Eichstätt schon. Erfuhren sie doch aus Berichten unserer Zeitung vom Projekt „Historisches Gedächtnis des Landkreises Eichstätt“, mit dem die regionale Identität gestärkt werden soll.

Geplant ist – angesichts der überaus umfangreichen archäologischen Funde in der Region – ein zentrales Depot zu errichten. Die Funde, die derzeit noch in den einzelnen Gemeinden, bei Privatpersonen oder vorübergehend beim Landesamt für Denkmalpflege untergebracht sind, sollen von einer Stelle digital erfasst und inventarisiert werden. Forschenden soll Zugang zu Daten und Funden ermöglicht werden, auch Ausstellungen könnten organisiert werden. Beteiligt sein sollen alle Gemeinden und der Landkreis, die über eine auf zehn Jahre angelegte Zweckvereinbarung kooperieren. Finanziert wird das Projekt durch den Landkreis Eichstätt – mit marginaler Beteiligung der Gemeinden –, mit im Boot sitzen die LAG Altmühl-Jura und die LAG Altmühl-Donau, wodurch eine Förderung über das Leader-Programm ermöglicht werden soll.

Albert Günther, Vorsitzender des HV, und Vorstandskollege Richard Kögler staunen angesichts dieser unerwarteten Initiative, die im Kontext mit dem 50-jährigen Bestehen des Landkreises steht. „Der HV sammelt bereits seit 1886 archäologische Funde aus dem gesamten Landkreis, katalogisiert sie, lagert sie fachgerecht und stellt sie auch Wissenschaftlern und Studenten zur Verfügung“, sagt Günther. „Mit dem HV hat im Vorfeld keiner über die Landkreisaktion ,Historisches Gedächtnis’ gesprochen. Obwohl das naheliegend gewesen wäre.“ Die meisten historischen Objekte des HV lagern im Keller der Willibaldsburg unter dem Museum für Ur- und Frühgeschichte Eichstätts. Bei einem Besuch in den hohen Räumen der Depots, die sich auf zwei Etagen über gute 400 m2 erstrecken, wird schnell klar, dass der HV berechtigt stolz auf Qualität und Quantität seines wertvollen Bestands sein kann: „Gut 30000 Einzelstücke sind hier in etwa 3000 Kisten verpackt und nach Fundorten eingelagert“, sagt Günther.

Darunter seien, so der HV-Vorsitzende, steinzeitliche Objekte, Bodenfunde aus der Bronze-, Eisen- und Römerzeit. Knochen, Münzen, Keramik, Waffen und Metallgegenstände: Die jüngsten Überreste stammten aus dem 19. Jahrhundert. „Der HV kümmert sich um die fachgerechte Einlagerung und die Restaurierung“, sagt Kögler. „Bezahlt wird aus Vereinsmitteln, finanzielle Unterstützung vom Landkreis gibt es keine.“

Den Angaben zufolge gibt es Gemeinden, in denen es nur spärliche Funde gibt. „Aber im Boden beispielsweise der Gemeinden Nassenfels, Enkering, Pfünz, Kipfenberg und Kinding stecken reichlich archäologische Schätze“, sagt Günther. „Da können Feldbesitzer oder Bauherrn durchaus auf historische Fragmente stoßen.“ Die wertvollsten Stücke sind einige Stockwerke höher, im Museum für Ur- und Frühgeschichte, untergebracht. 80 Prozent der Exponate stammen laut Günther aus dem Landkreis.

„Der HV hätte bei der Landkreisinitiative gerne mitgearbeitet.“ Günther fragt sich auch, warum es keine gemeinsame Depot-Lösung mit dem HV geben könne. „Aber vielleicht wurden die Gemeinden gar nicht über die Arbeit des HV informiert“, fragt sich Günther.

„Zusammenarbeit erwünscht“

Wie die Pressestelle des Landratsamtes mitteilt, hatte das Projekt „Historisches Gedächtnis“ nach langer Vorlaufzeit im Spätherbst 2021 konkrete Züge angenommen. Ab Ende April wurde dann in den Gemeinden über die Teilnahme an der Zweckvereinbarung abgestimmt. Das Depot soll im früheren Luftschutzkeller unter der Schule in Adelschlag eingerichtet werden. Ein zweites Depot könnte folgen, wenn in Adelschlag kein Platz mehr ist.

Laut Pressestelle ist der „Historische Verein ein ehrenamtlich geführter Verein, der personell und finanziell die Inventarisierung der zahlreichen Funde nicht stemmen kann. Das Projekt hat vordringlich die Inventarisierung durch eine Personalstelle als Ziel.“

Auch seien die Räumlichkeiten auf der Willibaldsburg ein Bereich des HV. Es würden aber Räumlichkeiten benötigt, zu denen der Landkreis und die Ehrenamtlichen jederzeit Zugang haben, um vor Ort zu arbeiten. Das eine schließe das andere nicht aus.

Betont wird, dass eine Zusammenarbeit mit dem HV unbedingt erwünscht sei. Allerdings: „Das Projekt ist innerhalb weniger Monate schnell gewachsen, und es war noch keine Zeit, um Gespräche mit dem HV zu führen.“ Die Initiative „Historisches Gedächtnis“ wolle aber nicht parallel am HV vorbeiarbeiten.

EK