Von Fabian Rieger
Beilngries – „Laskavo prosymo – Herzlich willkommen.“ Dieses Zitat hat unsere Zeitung als Überschrift gewählt, als Anfang April zum allerersten Mal der offene Ukraine-Treff im Alten Feuerwehrhaus in Beilngries stattgefunden hat. Ein gutes Vierteljahr ist seitdem vergangen. Und nach wie vor treffen sich jeden Dienstagnachmittag im Bürgertreff, zu dem die Nachbarschaftshilfe das Alte Feuerwehrhaus vor einigen Jahren gemacht hat, Menschen, die aus der Ukraine geflüchtet sind, mit Menschen, die ihnen hier in Beilngries helfen möchten. Unsere Zeitung hat diese Woche wieder vorbeigeschaut und mit den Versammelten gesprochen – über das Leben in der Altmühlstadt, über große Hilfsbereitschaft und über Zukunftspläne oder das, was von Letzteren noch übrig geblieben ist.
Dankbar für die große Hilfsbereitschaft
Gesprochen. Das ist direkt ein gutes Stichwort. Wie klappt die Verständigung? Einige der Frauen, die an diesem Dienstagnachmittag für das Interview in den Bürgertreff gekommen sind, streuen bereits den ein oder anderen deutschen Begriff oder gar Satz ein. „Gut“, sagt eine junge Frau als Antwort auf die Frage, wie es ihnen in Beilngries gehe. Und alle im Raum verstehen erkennbar, was sie gesagt hat. Da aber noch viel mehr Sprachkenntnisse notwendig sind, um sich in Alltag und Berufswelt gut zurechtfinden zu können, besuchen viele der Anwesenden den Sprachkurs, der über die Beilngrieser Volkshochschule angeboten wird. Beim Interview – und auch sonst bei den wöchentlichen Treffen – unterstützt Oksana Weber, Beilngrieserin mit ukrainischen Wurzeln, als Übersetzerin. Und ansonsten? Leisten im Alltag Handy-Übersetzungsprogramme wahre Wunder. Selbiges gelte für die Hilfsbereitschaft der Menschen. Dafür wolle man sich aufrichtig bedanken, lassen die Frauen übersetzen. Ob nun bei Arztbesuchen, an der Supermarktkasse oder bei Behörden – die Menschen seien sehr freundlich, verständnisvoll und hilfsbereit, wenn es mit der Verständigung nicht so recht funktionieren will. Und auch ganz allgemein wollen die versammelten Ukrainerinnen, die zum festen Stamm der Dienstags-Treffen zählen, den Bürgern in Beilngries und Umgebung sagen: „Danke!“ Dafür, dass sie hier aufgenommen worden seien. Und dafür, dass man sie im Alltag spüren lasse, willkommen zu sein.
Ganz besonders gelte Letzteres für die Engagierten des Helferkreises, dessen Säulen die Nachbarschaftshilfe um den Vorsitzenden Rolf Drießen und die beiden Integrationsbeauftragten Ingrid Dütsch und Kirstin Probst bilden, ebenso für die Tafel um die Vorsitzende Elfriede Bruckschlögl und auch für Rosi Burger, die im Rathaus die Ansprechpartnerin für Flüchtlingsthemen ist und die regelmäßig zu den Dienstags-Treffen kommt. Sehr oft setze man sich gemeinsam mit bürokratischen Angelegenheiten auseinander, mit denen die Menschen aus der Ukraine konfrontiert sind und dann alleine nicht weiterkommen, berichtet Ingrid Dütsch. Und, das ist allen Versammelten deutlich anzumerken: Die wöchentlichen Treffen sind ein Anker im komplizierten Alltag, eine Wohlfühl-Zeit, ein Stückchen Heimat in der Fremde.
Wünsche: Sportangebote und dabei Anschluss finden
81 Geflüchtete aus der Ukraine leben aktuell in der Großgemeinde Beilngries, wie bei dem Interview zu erfahren ist. Was klappt nicht? Auch auf mehrfachen Fragenansatz wird hier von den Frauen im Bürgertreff nichts Konkretes genannt. Anders versucht: Was würden sie sich wünschen? „Sport machen“, so eine Wortmeldung. Am besten im Verein, um mehr Anschluss zu finden. Wie gut das funktionieren könne, berichtet eine Mutter. Ihre beiden Söhne, Zwillinge, hätten in der Ukraine recht professionell Schach gespielt – und sie seien nun ausgesprochen erfolgreich beim Beilngrieser Schachclub.
Was die Schule angeht, so gebe es für die Kinder ab einem Alter von Jahrgangsstufe fünf eine gemeinsame Willkommensklasse am Gymnasium, ist zu erfahren. Die Handvoll Kinder an der Grundschule seien auf bestehende Klassen verteilt.
Der Flexi-Bus spielt eine wichtige Rolle
Schule, Sprache, Sport – und sonst? Der Flexi-Bus! Ja, auch Mobilität ist ein wichtiges Thema, um in einer ländlichen Region zurechtzukommen. Das zum 1. Juni eingeführte Rufbussystem wird beim Interview ausdrücklich gelobt – und auch genutzt, und zwar von einer Ukrainerin, die in Enkering lebt und dank des Busses zu den Treffen in Beilngries kommen kann. Sie hat auch bereits den Einstieg in die deutsche Arbeitswelt vollzogen, und zwar bei einem Hotelbetrieb. Eigentlich sei sie aber Lehrerin für kleinere Kinder – und diesem Beruf wolle sie irgendwann in der Zukunft auch wieder nachgehen, wenn es mit der deutschen Sprache besser klappt. Ja, sie hat konkrete Pläne für ein Leben in Deutschland. Wie das bei den anderen Frauen aussieht, fragt Ingrid Dütsch in die Runde. Das deutliche Signal: Die meisten der Anwesenden möchten auf alle Fälle wieder zurück in die Ukraine, wenn der Krieg dort endlich sein Ende finden sollte. In welchen Zeiten wir leben, bringt dann aber eine der Frauen prägnant auf den Punkt: „Ich habe früher immer für alles Pläne gemacht – bis zum 24. Februar 2022. Seitdem mache ich keine Zukunftspläne mehr.“ Sie leiste das, was in der eigenen Macht stehe. Und lebe dabei nur noch von Tag zu Tag.
DK
