Ausstellungs-Kritik
Zweimal Marco Stanke: Werke in der Theater-Galerie Ingolstadt und im Kap94

11.07.2023 | Stand 14.09.2023, 21:31 Uhr
Dagmar Nieswandt

Der Gegensatz könnte nicht größer sein: Auf dem Theaterplatz herrscht bei tropischen Temperaturen buntes Treiben. Das Bürgerfest ist bereits in vollem Gange. In der Galerie im Theater hingegen dominieren Stille, Weiß und reduzierte Formen.

Am Freitag wurde mit „Etwas Spielraum“ die erste von zwei Ausstellungen von Marco Stanke in Ingolstadt eröffnet, einem Kooperationsprojekt vom Kunstverein und der Kunst- und Kulturwerkstatt Kap94. Die zweite Vernissage fand mit der Installation „Stresstest“ über dem Künettegraben vor dem Kap94 in der Reihe „Kunst in der Schwebe“ am Sonntagabend statt. Hubert Klotzeck, der erste Vorsitzende des Kunstvereins, und Johannes Greiner vom Kap94 gaben eine kurze Einführung und begrüßten jeweils ungefähr fünfzig Gäste.

Marco Stanke wurde 1987 in Bad Aibling geboren und studierte „Freie Malerei“ und „Malerei und Grafik“ an den Kunstakademien in Nürnberg und München. 2019 erhielt er die Debütantenförderung des Freistaates Bayern. In Ingolstadt zeigt er neue Werke und sein „Kollektiv“, ein stetig wachsendes Ensemble aus bildhaften Objekten, den sogenannten „Teilen“.

In seiner Laudatio schwärmt Martin Zanker, ein Freund des Künstlers, von der Hingabe Stankes zum handwerklichen Prozess. In seinem Atelier plane, baue, bespanne und bemale er, völlig versunken in seine Tätigkeit, seine Arbeiten. Diese kommunizierten stets mit dem Raum. Der Künstler erlaube sich skulpturale Freiheiten. So entstehe mit dem Spielraum im Medium auch ein Spielraum der Interpretation. An anderer Stelle bezeichnete der Kunsthistoriker Lars Blunck Marco Stanke als „einen Maler, der im Medium der Malerei einerseits die Gattungsgrenze befragt und dehnt, andererseits aber in die Malerei Qualitäten aus Medien außerhalb der Malerei einträgt“. Stankes „Bilddinge“ seien reduzierte Keilrahmen, Oberflächen geformt aus Leinwänden, Abstraktionen, unregelmäßige Farbfelder – und immer verankert in einem immateriellen Weiß. Leinwände werden aufgeschnitten, durchbohrt, verformt. Die Werke tragen Namen wie „Verrahmen“, „Anschnitt“, „Loch“ oder „Knick“. Objekte wie die „Stehlen“ stehen frei. Andere neigen sich, angebunden an einen Betonpfeiler der Galerie, in den Raum hinein, oder bilden in Form eines Seils die titelgebende „Linie“, um sich dann frei und unregelmäßig durch den Raum zu schlängeln.

Marco Stanke bezeichnet das Material als seine Inspirationsquelle. Die Bildträger interessieren ihn. Er möchte „die medialen Möglichkeiten der Malerei ausreizen, den Gedanken des klassischen Tafelbildes ausdehnen“.

Mit der Frage, wie Bilder aufgehängt werden, beschäftigt sich der Künstler immer wieder. Während das kleinere der beiden, aus Keilrahmenhölzern zusammengefügten Dreiecke der Reihe „Triangle“ an der Wand hängt, steht das andere wie zufällig angelehnt. „Hält“ lautet der ironisch-optimistische Titel einer großflächigen weißen Leinwand, die mit acht schwarzen Klebestreifen an der Wand befestigt ist.

Das Bildobjekt „Hängung“ im Foyer der Galerie besteht aus zwei Rechtecken. Das kleinere, dunklere steht auf einer Ecke und wird von einem über Schraubhaken in rechten Winkeln gespannten Seil in Position gehalten. Dieses unterteilt schließlich als lockere Diagonale den hellen Hintergrund.

Das Werk korrespondiert mit der Installation „Stresstest“ vor dem Kap94. Eine weiße Leinwand ist mit einem Tau an den über den Künettegraben gespannten Drahtseilen befestigt und steht zum Teil im Wasser. Marco Stanke sei schon neugierig, wie sich das den Elementen ausgesetzte Material bei diesem „Stresstest“ verändern werde.

Auf bunten Liegestühlen und mit einem kühlen Getränk in der Hand ließen die Gäste den Abend am Glacis zum Sound des Duos „Xuachd & Gʼfunna“ mit seinen lässigen Eigenkompositionen und bayrischen Coverversionen, zum Beispiel von Irish-Folk-Songs, ausklingen.

DK


Die nächste der insgesamt sechs Ausstellungen der Reihe „Kunst in der Schwebe“ gestaltet Gerhard Brandl ab 20. August. Marco Stankes Werke sind in der Galerie im Theater noch bis zum 6. August zu sehen. Am 14. Juli gibt es einen „Artist Talk“ mit Martin Listl, dem Kurator des Museums für Konkrete Kunst in Ingolstadt. Für den Herbst ist eine Ausstellung von Marco Stanke im Alf-Lechner-Museum geplant.