Zehn Prozent mehr Hoffnung
Ingolstädter Stadtrat beschließt höheres Gehalt für Kita-Personal

Zweifel an Wirksamkeit der Arbeitsmarktzulage

03.06.2022 | Stand 22.09.2023, 22:34 Uhr

Im Stadtrat ging es am Donnerstag um den Personalmangel in der Kinderbetreuung. Das Foto entstand in einer früheren Sitzung. Foto: Eberl (Archiv)

Es herrsche eine „dramatische Personalsituation“ in den Kitas in der Region. Nun hat der Ingolstädter Stadtrat eine Erhöhung des Gehalts für Kita-Personal beschlossen.



Sie steht da wie ein Mahnmal für die Personalmisere – einladend und leer: die Kita Blumenwiese in Mailing. Die Stadt hat sie von der Bürgerhilfe übernommen. Im Oktober 2021 sind die Kinder in eine Bürgerhilfe-Kita in Oberhaunstadt umgezogen. Damit kehrte im einstigen Mailinger Kirchenkindergarten Stille ein. Die Blumenwiese (eine Krippengruppe, zwei Kindergartengruppen) konnte bisher nicht eröffnet werden, weil die Stadt dafür kein Personal findet. Hier geht es in etwa um drei Erzieherinnen und drei Kinderpflegerinnen; das hängt davon ab, wie viel Zeit die Eltern buchen. Und die Situation spitzt sich zu.

Plätze unter Vorbehalt vergeben

„Wir haben für das nächste Kindergartenjahr Plätze nur unter dem Vorbehalt vergeben, dass dafür Personal zur Verfügung steht“, sagt Sonja Habermeier, stellvertretende Leiterin des Amts für Kinderbetreuung, auf Anfrage. „150 Kindergarten- und 50 Krippenplätze können wir den Eltern derzeit gar nicht zur Verfügung stellen.“

Um Erzieherinnen und Erzieher sowie pädagogische Ergänzungskräfte in Ingolstadt zu halten und möglichst viele neue von auswärts zu gewinnen, will die Stadt für sie eine übertarifliche Arbeitsmarktzulage einführen: Plus zehn Prozent (Stufe 2 der jeweiligen Entgeltgruppe), bis 2025 befristet. Das gilt auch für das Personal der freien Kita-Träger. Bei einer Erzieherin in der Entgeltgruppe S8a zum Beispiel wären das der Stadtverwaltung zufolge 314,25 Euro brutto mehr im Monat. Vier Millionen Euro soll das Ganze pro Jahr kosten.

In der Sitzung am Donnerstag hat der Stadtrat die Arbeitsmarktzulage mit großer Mehrheit beschlossen. Alle 50 Mitglieder waren erschienen (OB Christian Scharpf fehlte wegen einer Corona-Infektion), allerdings nahmen nicht alle an der Abstimmung teil. Es gab 16 Gegenstimmen. In der CSU-Fraktion votierte Matthias Schickel als einziger für die Gehaltserhöhung. Geschlossen nein dazu sagten FW, FDP und JU.

„Dramatische Personalsituation“

In der Aussprache zuvor kam die „dramatische Personalsituation“, so Bildungsreferent Gabriel Engert, auf beiden Seiten deutlich zum Ausdruck. Die Skeptiker eröffneten die Debatte: „Mit Lockangeboten wird es nicht funktionieren“, sagte Alfred Grob, der CSU-Fraktionsvorsitzende. Damit treibe die Stadt nur die Personalkosten weiter in die Höhe und bringe die Gemeinden in den Landkreisen gegen sich auf. Er wisse aus dem Kreis Pfaffenhofen, „dass viele wild entschlossen sind, bei dem Preis mitzugehen und das Ganze ins Leere laufen zu lassen“. Die Zulage sei daher „unsolidarisch“, setze die Stadt noch stärker unter Druck „und und bringt nicht das, was man sich erhofft“. Stattdessen müsse die Ausbildung zum Erzieher / zur Erzieherin (Grob: „Ich sage bewusst Männer und Frauen!“) attraktiver werden. Allem voran: kostenlos. Bisher zahlen die Auszubildenden dafür, statt ein Lehrgehalt zu bekommen.

Ähnlich argumentierte Hans Stachel (FW): „Die Zulage ist die falsche, untaugliche und teure Reaktion auf eine missliche Lage. Ein Bumerang, der auf uns zurückschlägt.“ Dieser Vorstoß „prägt das Bild einer egoistischen Stadt“.

Teure Lebenshaltungskosten

Die AfD würde den Erzieherinnen lieber 15 Prozent mehr Gehalt zahlen, sagte Lukas Rehm. „Aber zehn Prozent sind besser als nichts.“ Er wies darauf hin, „dass wir in Ingolstadt die höchsten Lebenshaltungskosten in der Region haben, das lässt sich nicht wegdiskutieren, deshalb müssen wir die Löhne bei uns anders gestalten als draußen auf dem Land“.

SPD-Fraktionschef Christian De Lapuente argumentierte ebenfalls mit dem teureren Leben in der Großstadt: Wer in Ingolstadt Miete zahle und mit dem geringen Gehalt einer Erzieherin leben müsse, frage sich: „Bleibe ich in Ingolstadt? Bleibe ich in diesem Beruf?“ In Sonntagsreden höre man ständig, es müsse was für die sozialen Berufe getan werden. „Aber wenn es zum Schwur kommt, heißt es: Das kostet ja Geld“, so De Lapuente. „Ja! Und heute kommt es zum Schwur!“ Dass die Zulage als „unsolidarisch und unsozial“ bezeichnet wurde, stimme ihn „richtig sauer“.

„Die Linke freut es immer, wenn Leute mehr Geld bekommen“, sagte Eva Bulling-Schröter. „Endlich startet der Wettbewerb.“ Jakob Schäuble (FDP) lehnt die Zulage ab. Sein Vorschlag: „Wir brauchen eine Bezahlung der Ausbildung! Bauen wir eine Fachakademie!“ Damit steht er nicht allein.