Bulle am Schlachthof in Ingolstadt entlaufen

Polizei erschießt das Tier

05.12.2019 | Stand 23.09.2023, 9:45 Uhr
Auf einem Firmengelände gefangen: Ein Bulle war am Donnerstagvormittag am Schlachthof ausgebüxt. −Foto: Christian Missy

Ingolstadt (DK) Sein Ausflug in die Freiheit war kurz – und tödlich. Er endete knapp einen Kilometer vom Schlachthof entfernt auf einem Firmengelände an der Ferdinand-Braun-Straße.

Dort   musste gestern um die Mittagszeit ein männliches Rind erschossen werden, das zuvor am Schlachthof ausgerissen war. Wie das genau passiert ist, lässt sich nicht mehr rekonstruieren.
Es ist eine etwas surreal anmutende Szenerie, die sich kurz nach 10 Uhr im Gewerbegebiet an der Manchinger Straße bietet. Inmitten des ganzen Treibens, zwischen Geschäften, Parkplätzen und Baustellen, hat die Polizei ein komplettes Privatgrundstück abgesperrt. 35 000 eingezäunte Quadratmeter mit einer großen Halle in der Mitte, derzeit vermietet als Logistikfläche an die Stadtwerke München. Keiner darf reinfahren, an jeder Ecke ein Streifenwagen mit Blaulicht, frierende Polizisten und in der Ferne eine Menschengruppe, die in der Kälte intensiv diskutiert. Und an der rückwärtigen Seite des Areals, also zur Eriagstraße hin, das Objekt des ganzen Interesses: ein durchaus imposanter Ochse mit einem Lebendgewicht von rund 16 Zentnern, der aufmerksam das Geschehen um ihn herum verfolgt und das für ihn fremde Terrain erkundet. 

Zu dieser Zeit stehen noch alle Optionen offen:  Betäubung oder Abschuss. Das Tier war beim Transport  am Schlachthof ausgerissen. Gegen 9 Uhr, so Erster Polizeihauptkommissar Stefan Wallner, hatten Verkehrsteilnehmer einen freilaufenden Bullen in der Nähe des Audi-Sportparks gemeldet, der offenbar ziellos umherirrt. Acht Beamte rücken an und sperren  die Straßen rund um das Firmenareal komplett ab, um das Tier nicht aufzuscheuchen. Die Mitarbeiter dort hatten es offenbar auf das Gelände gelockt und  dann das Weite gesucht. Zuvor war ein erster Versuch des Besitzers aus Pobenhausen gescheitert, es mit Futter anzulocken und einzufangen. Das Rind war von diesem anderen Gelände  entkommen. 


Die Polizei ist laut Wallner natürlich die ganze Zeit bestrebt, das Tier nicht zu erschießen, da es nicht zuletzt auch einen gewissen Wert darstellt. Aber eine Entscheidung fällt  erst, nachdem der Tierarzt eingetroffen ist. Dieser erkennt sofort, dass es sich um ein kastriertes Rind  aus Weidehaltung handelt und nicht aus Stallhaltung, was ein wichtiges Kriterium zur Beurteilung der Gefahr darstellt, die von ihm ausgehen kann. Denn diese Tiere wissen aus Erfahrung, welche Kraft sie haben und was sie können.  


„Nach Rücksprache mit Verantwortlichen und einem Tierarzt war eine Betäubung des Tieres nicht möglich“, so die Polizei in ihrem gestrigen Bericht. Denn dabei muss der Schütze wegen der dicken Speckschicht ziemlich nah heran und    vor allem genau treffen. Und selbst dann vergeht noch eine gewisse Zeit, bis das Medikament wirkt. „Das war uns zu gefährlich“, so Wallner: „Wir konnten nicht abschätzen, was das Tier weiter machen wird.“ Denn der Zaun wäre für es kein wirkliches Hindernis gewesen. Daher fällt in Absprache mit dem Tierarzt die Entscheidung, das Rind zu erlegen. 


Doch das ist auch leichter gesagt als getan. Denn die   Polizei will auf keinen Fall einen Menschen gefährden. Ein Schuss auf freier Fläche scheidet daher aus – zu groß die Gefahr, dass eine Kugel nicht trifft und dann jemanden zufällig verletzt. Die Beamten warten geduldig, bis das Tier genau vor dem Gebäude steht, das damit als Kugelfang dient, und drücken dann erst ab. Dafür gibt es laut Wallner auf jeder Dienststelle  speziell ausgebildete Gewehr-Schützen, die solche Ernstfälle regelmäßig trainieren. 
 Das Fleisch des Tieres – beste Bio-Angus-Qualität – kann nicht mehr verwertet werden. Glücklicherweise kommen solche Einsätze nur sehr  selten vor. Was passiert wäre, wenn das Tier auf der nahen Eriagstraße herumgeirrt wäre, mag sich Wallner gar nicht  ausdenken.

 

Bernhard Pehl