Vernissage in der Harderbastei:
Vom Werden und Vergehen

In ihrer Ausstellung „Goldstrand“ stellt Babette Ueberschär elementare Fragen des menschlichen Lebens

18.06.2023 | Stand 14.09.2023, 23:05 Uhr
Dagmar Nieswandt

„Goldstrand“ hat Babette Ueberschär ihre neue Schau in der Harderbastei genannt. Foto: Nassal

Das Thema Gold ist neu für Babette Ueberschär, denn bisher hatte sie eher eine Aversion gegen diese Farbe bzw. dieses Material. Ihre neue Ausstellung in der Harderbastei trägt das Gold nun im Titel: „Goldstrand“ - ein Sehnsuchtsort.

Eine breite, mit allerlei goldenen und schwarzen Ornamenten, Tieren und Treibgut aus Steinen oder Weidengeflecht gestaltete Leinenbahn schwappt dem Besucher entgegen. Die Installation „Strandgut“ im Eingangsbereich der Harderbastei macht neugierig und verweist bereits auf die Motive, Materialien und Farben der im Raum gezeigten Werke. Kulturreferent Gabriel Engert begrüßte am Samstag ungefähr 70 Gäste zur Eröffnung der Ausstellung „Goldstrand“ der Ingolstädter Künstlerin Babette Ueberschär. Die Vernissage umrahmte die Flötistin Ulrike Herz.

Im Gespräch mit der Kulturjournalistin Isabella Kreim stellte Babette Ueberschär ihre Installation „Goldstrand“ vor. Diese dominiert, auf dem Boden arrangiert, silbrig-goldglänzend den hinteren Teil des Ausstellungsraums. Das Upcycling-Projekt besteht aus 80 rechteckigen Plexiglasspiegeln, die ursprünglich zur 750-Jahr-Feier der Stadt Ingolstadt die Schießscharten in der Festungsmauer im Klenzepark verdeckten. Die Künstlerin bearbeitete sie mit dem Gravurgerät, einer Schweißpistole und dem Pinsel. Dabei stellten das Format und das feste Material der Spiegel eine Herausforderung für sie dar, da sie es gewohnt sei, mit flexiblen Materialien, oft aus der Natur, zu arbeiten.

Babette Ueberschär sieht sich in der Tradition der „arte povera“, der „armen Kunst“ aus dem Italien der 70er Jahre, bei der Installationen aus alltäglichen Materialien wie zum Beispiel Sand, Holz oder Papier geschaffen werden. Diesen Ansatz spiegeln zum Beispiel die Werke „Nest“ oder „Heimat“ wider. Letzteres besteht aus einem Koffer, der Vogelnester und vergoldete Holzeier enthält. Die Farbe „Gold“ habe sie für ihr Schaffen zunächst abgelehnt, doch in der Kombination mit der silbrigen Spiegeloberfläche zu schätzen gelernt. Auch die goldene Ornamentik in den Werken von Gustav Klimt und des Jugendstils habe sie inspiriert. Die Bildmotive auf „Goldstrand“ sollen auf die elementaren Fragen des menschlichen Lebens hinweisen: Wer sind wir? Woher kommen wir? Wohin gehen wir? Das Wasser gilt als Ursprung des Lebens. So entdeckt man Fische, Einzeller, Wasserwesen, eine menschliche Figur und auch den Totenkopf, ein als „memento mori“ stets wiederkehrendes Motiv im Werk Babette Ueberschärs.

Von der Literatur lässt sich die Künstlerin immer wieder inspirieren. Eng verbunden mit den Themen der Installation sind die beiden Bilder „Undine geht“. Der Titel zitiert Ingeborg Bachmanns gleichnamigem Monolog aus dem Band „Das dreißigste Jahr“ aus dem Jahr 1961. Die Nixe Undine kehrt ins Wasser zurück, nachdem sie die Menschen und speziell die Männer als Ungeheuer erlebt hat. Bachmanns Text wird unter anderem als weibliche Kritik auf das übermächtige, die weibliche Autonomie einschränkende Patriarchat gelesen. Dabei schwankt ihre Undine zwischen Anziehung und Abstoßung, hofft auf Veränderung der Geschlechterbeziehungen.

Marieluise Fleißers Erzählung „Ein Pfund Orangen“ stand Pate für Ueberschärs drei vergoldete Orangen aus Ton, die in einem Paar Strümpfe von der Decke hängen und dieses nach unten ziehen. Das Werk symbolisiert den Untergang der jungen Frau aus Fleißers Text, die an ihrer weiblichen Existenz und an ihrer Armut leidet.

Der an der Rückwand des Raums installierte, überdimensionale goldene Löffel geht zurück auf ein chinesisches Märchen, in der gierige Dämonen in der Hölle mit den vorhandenen, überlangen Stäbchen den Reis aus den Schalen nicht an ihren eigenen Mund führen können und zu verhungern drohen. Im Himmel hingegen teilen die Auserwählten die Speisen. Sie füttern ihr Gegenüber, nur so können alle überleben.

DK


Harderbastei Ingolstadt, bis 9. Juli, Do bis So 11 bis 18 Uhr.