Wichtiges Frühwarnsystem
Virusmenge im Abwasser sinkt: Zentralkläranlage führt weiterhin Corona-Monitoring durch

19.01.2023 | Stand 17.09.2023, 5:05 Uhr

In der Zentralkläranlage bereitet Umweltingenieurin Linda Neigert Abwasserproben für den Versand vor. Foto: ZKA (Archiv)

Die Corona-Pandemie ist laut dem Virologen Christian Drosten überwunden. Das Virus, das vor drei Jahren erstmals in Deutschland auftauchte und seither das Leben der Menschen bestimmt hat, verschwindet mehr und mehr aus der öffentlichen Wahrnehmung – so wie die Masken aus dem Alltag. Und immer weniger Menschen lassen sich noch regelmäßig testen. Umso wichtiger erachten Virologen als Frühwarnsystem das Abwasser-Monitoring, das auch die Zentralkläranlage Ingolstadt (ZKA) durchführt.

Bereits Ende 2020 hatte die ZKA an einem sechswöchigen Monitoring durch das Helmholtz-Institut teilgenommen. Die Aussagekraft der dadurch gewonnenen Daten war damals jedoch zu gering. Daraufhin setzte die ZKA das Monitoring zunächst wieder aus. Als ab Juni 2021 die hoch-ansteckende und gefährliche Delta-Variante das Geschehen dominierte, empfahl die EU ihren Mitgliedsländern in Großstädten jedoch ein Abwasser-Monitoring. Mittlerweile hatten sich die Analysemethoden und Dateninterpretationen auch verbessert: Im August 2021 stieg die ZKA also erneut ins Abwasser-Monitoring ein.

Seit Ende November 2021 werden die Proben durch die sogenannte quantitative Echtzeit- PCR der in Schweinfurt ansässigen Firma DyeNA Genetics bestimmt. Die niedrigste gemessene Viruslast wurde Mitte Mai 2022 detektiert, teilt Fabian Heinz, Fachbereichsleiter Finanzen und Verwaltung vom Zweckverband Zentralkläranlage Ingolstadt auf Anfrage mit.

Bis Ende 2021 war noch die Delta-Analyse in Umlauf

Auf einem Diagramm der ZKA ist abzulesen, wann die verschiedenen Varianten im Abwasser aufgetreten sind und wie sie sich ausgebreitet haben. Bis Ende 2021 war noch die Delta-Variante in Umlauf, dann breitete sich schnell Omikron BA.1 aus: Der erste Fall wurde am 16. Dezember 2021 bestätigt. Die Spitze wurde in der 4. Kalenderwoche 2022 erreicht. Noch höher war der Peak der BA.2-Variante in der 14. Kalenderwoche im März.

Dann sanken die Werte der Virusfracht wieder deutlich bis zum nächsten Anstieg mit der Omikron-BA.5-Variante ab Ende Mai 2022. Das Diagramm zeigt, dass die Viruslast von Sars-CoV-2 im Abwasser die Entwicklung der Sieben-Tage-Inzidenzen abbildet. „Seit Beginn des neuen Jahres sinkt die Virusmenge im Abwasser der Stadt“, so Heinz. Derzeit liegt die Sieben-Tage-Inzidenz in Ingolstadt laut RKI bei rund 80. Die aktuell ermittelte Inzidenz habe an Aussagekraft eingebüßt, teilt das Gesundheitsamt auf Anfrage mit. „Nichtsdestotrotz hat sie eine wichtige Bedeutung, um relativ schnell und einfach eine grobe Einschätzung der Dynamik des Infektionsgeschehens vornehmen zu können.“ Dem Gesundheitsamt wurden in der zweiten Kalenderwoche nur 121 positive PCR-Ergebnisse und 21 positive Schnelltests gemeldet.

Pilotprojekt des RKI läuft bis Ende März

Auf die Toilette muss jeder gehen. Ob sich Messergebnisse des Abwasser-Monitorings für den Öffentlichen Gesundheitsdienst nutzen und welche Maßnahmen sich daraus ableiten ließen, ist nach Aussage von Fabian Heinz Aufgabe eines Pilotprojekts des RKI, das noch bis Ende März läuft. Ziel der Bundesregierung und der Europäischen Union sei, in naher Zukunft ein flächendeckendes, engmaschiges Abwassermonitoring zu etablierten. Aktuell wird nach Aussage von Heinz in Bayern bereits daran geforscht, wie die verschiedensten Erreger im Abwasser zukünftig überwacht werden können. „Die ZKA Ingolstadt wird daher die Untersuchungsreihen fortsetzen und in diese wissenschaftlichen Untersuchungsprogramme einspielen.“

Info: Quantitative Echtzeit-PCR zur Bestimmung der Viruslast

Die DyeNA Genetics GmbH mit Sitz in Schweinfurt verwendet für die molekularbiologische Analysen des Abwassers die sogenannte quantitative Echtzeit-PCR, abgekürzt qPCR. Die qPCR, die vor allem in der klinischen Diagnostik eingesetzt wird, etablierte sich während der Corona-Pandemie erfolgreich als ein hilfreiches Werkzeug zur Bestimmung des Corona-Virus im Abwasser.

Bei der qPCR-Technologie handelt sich um eine Vervielfältigungsmethode für Nukleinsäuren, die auf dem Prinzip der herkömmlichen Polymerase-Kettenreaktion (PCR) beruht und zusätzlich die Quantifizierung der gewonnenen DNA ermöglicht. Thomas Benkert, Geschäftsführer von DyeNA Genetics, erklärt für den Laien verständlich den Prozess: Bei der qPCR-Methode handelt es sich vereinfacht gesagt um eine Gen-Kopiertechnologie, bei der ein Corona-Virus anhand eines spezifischen Gen-Fragments erkannt und vervielfältigt wird. Bei jedem Kopier-Zyklus entsteht mit jedem neuen Gen-Fragment ein freies Fluoreszenz-Molekül, das zu leuchten anfängt. „Je heller das Signal aufgrund der entstandenen Fluoreszenzintensität wird, umso mehr Virusmaterial war in der ursprünglichen Abwasser-Probe vorhanden“, erklärt Thomas Benkert. „Mit dieser Analysemethode lässt sich das Infektionsgeschehen in der Kommune sehr gut überwachen, vor allem, weil sich ansteigende beziehungsweise fallende Infektionszahlen im Abwasser schon Tage vor den Inzidenzwerten abzeichnen.“

DK