Ingolstadt
„Unvorstellbar, dass das Theater schließt“

Renate Preßlein-Lehle ist neue Vorsitzende der Freunde des Stadttheaters: Kampagne für Kammerspiele geplant

15.04.2022 | Stand 23.09.2023, 1:55 Uhr

Wechsel an der Vereinsspitze: Peter Schnell ist jetzt Ehrenvorsitzender der Freunde des Stadttheaters, seine Nachfolge als Vorsitzende hat Renate Preßlein-Lehle übernommen. Foto: privat

Ingolstadt – Der Verein der Freunde des Stadttheaters wurde 2002 gegründet. Er bemüht sich um die Förderung von Kultur und Kunst, insbesondere des Theaters. Bei der Mitgliederversammlung im März wurde Renate Preßlein-Lehle zur neuen Vorsitzenden gewählt, ihr zur Seite stehen Simona Rottenkolber und Barbara Leininger. Wir sprechen mit der neuen Vorsitzenden über die Herausforderungen, vor denen der Verein steht.

Frau Preßlein-Lehle, Sie sind gerade erst als langjährige Stadtbaurätin in den Ruhestand gegangen – ein aufreibendes Amt. Was hat Sie bewogen, nun sofort ein Ehrenamt zu übernehmen, das es angesichts der aktuellen Debatte um die Kammerspiele in sich hat?
Renate Preßlein-Lehle: Mir ist die Stadt wichtig, darum habe ich mir überlegt, dass ich mich im Ruhestand für sie einbringen möchte. Denn ich möchte weiter in Ingolstadt leben und zum Beispiel ins Theater gehen. Ich bin schon seit Jahren Mitglied im Freundeskreis des Theaters, und Peter Schnell hat sich sehr gefreut darüber, dass ich seine Arbeit weiterführen will, wenn er sich zurückzieht und als Ehrenvorsitzender weiter engagiert. Dieses Gespräch haben wir schon letztes Jahr geführt: Da stand weniger der Bürgerentscheid im Fokus, sondern die Aufgabe, das Theater in der Planungsphase und beim Umzug zu begleiten. Genau das macht ja ein Freundeskreis: Er soll das Theater unterstützten in allen Belangen.

Gerade jetzt vor dem Bürgerentscheid braucht das Theater Freunde. Dass offensichtlich breite Teile der Bürgerschaft die geplanten Kammerspiele ablehnen und Theater allgemein als überflüssig erachten, ist doch auch ein Schlag ins Gesicht jener Menschen, die Theater machen. Woher rührt diese Einstellung?
Preßlein-Lehle: Da habe ich mir in den letzten Jahren vieles anhören müssen, aber ich kann nur sagen: Wenn eine Stadt Lebensqualität haben will, muss sie viele Angebote für ganz unterschiedliche Bevölkerungsgruppen machen. Es werden mit Steuergeldern auch Vorhaben im Bereich Sport, Naherholung oder Bildung finanziert, die nicht jeder Bürger braucht oder nutzt. In der Summe entsteht aber dadurch die Vielfalt, die eine Stadt ausmacht. Aber es braucht dazu auch Toleranz gegenüber anderen Interessen. Es geht ja auch um mehr als Theater, sondern um das Stadttheater mit dem Festsaal, wo auch andere Ereignisse stattfinden. Wenn die Sanierung verschleppt wird, besteht die Gefahr, dass dieser gesellschaftliche Treffpunkt der Stadt nicht mehr vorhanden ist. Das müssen wir mehr bewusst machen. Jeder hat eine Beziehung zum Stadttheater – dort finden Faschingsbälle, Zeugnisverleihungen oder auch Hochzeiten statt.

Was unternimmt der Verein vor dem Bürgerentscheid?
Preßlein-Lehle: Wir versuchen zunächst einmal aufzuklären. Es sind ja viele Dinge behauptet worden, die objektiv betrachtet so nicht richtig sind, die längst geklärt sind durch die Planungen der Stadt. Wir wollen mit der Kampagne #DeineStimmeDafür werben für Kultur, für das Theater und für den Neubau eines weiteren kulturellen Veranstaltungsort in Ingolstadt und sind dankbar, dass wir Unterstützer an unserer Seite haben.

Vor der Stadtratssitzung haben mehr als 200 Menschen für die Kammerspiele Stellung bezogen. Sie haben diese Demo organisiert – wie war es für Sie, erstmals auf der anderen Seite zu stehen?
Preßlein-Lehle: (mit Augenzwinkern) ich war ja nicht immer nur auf der anderen Seite. Beeindruckend war die positive Stimmung, man hat gesehen, dass doch mehr als erwartet für die Kammerspiele eintreten, vor allem auch so viele junge Menschen.

Erklären Sie bitte, was konkret passiert, wenn die Bürger gegen die Kammerspiele stimmen? Anders gefragt: Kann Theater nicht überall stattfinden?
Preßlein-Lehle: Der große Irrtum ist, dass man immer nur den Zuschauerraum sieht und die Bühne mit den Schauspielern und denkt, das passt schon irgendwie. Aber das Theater ist viel mehr, da gibt es viel mehr Arbeitsplätze. Zur Idee, dass man Theater überall spielen kann: Man unterschätzt aus meiner Sicht den erforderlichen baulichen Aufwand für solche Provisorien. Das zeigen ja die Beispiele anderer Städte. Es gibt auch keinen Plan B. Die Vorstellung, dass Ingolstadt sein Theater schließt, ist sicher für viele Theaterfreunde wie auch für mich eigentlich unvorstellbar.

DK

Das Gespräch führte Suzanne Schattenhofer

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