Sie sollen nicht vergessen werden: Zum Gedenken an die Opfer der nationalsozialistischen Wehrmachtsjustiz ist am Übungsplatz der Pionierschule Ingolstadt eine Stele aufgestellt worden.
Unweit des Auwaldsees war an dieser für die Öffentlichkeit nicht zugänglichen Stelle der Schießübungsplatz, wo 1944 und 1945 insgesamt 75 Menschen ermordet wurden: Soldaten der Wehrmacht, aus Italien und Rumänien sowie ein Zwangsarbeiter aus Polen.
In einer feierlichen Zeremonie wurde jetzt die Stele offiziell übergeben.
Die Idee für eine Gedenkstele entstand im Jahr 2020, so Wolf Eckhard Miethke, der evangelische Militärpfarrer.
Ein Nachfahre eines Angehörigen des Erschießungskommandos hatte nach dem genauen Ort der Ereignisse geforscht, an dem sein Vorfahr gezwungen werden sollte, auf Kameraden zu schießen, und sich an ihn gewandt.
Unterstützt vom Heimatforscher Hans Fegert, Mitarbeitern des Stadtarchivs und Mitgliedern der Gedenkstätten-Initiative konnte der historische Erschießungsort ziemlich genau lokalisiert werden.
Wegen der Nähe der Autobahn war dieser leicht zugänglich, aber nicht einsehbar, so Miethke. Heute ist dort der Sprenggarten der Pioniere.
Für die Gedenkstele wurde ein Wettbewerb unter den Soldaten der Pionierschule ausgelobt. Standortältester Oberst Busch und Bürgermeisterin Dorothea Deneke-Stoll prämierten den Entwurf von Oberstabsfeldwebel Armin Graf.
„Demokratie, Freiheit und Rechtstaatlichkeit sind keine Selbstläufer“, sagte Miethke bei der Übergabe. Die Stele sei eine Mahnung, das Gedenken an die Opfer wachzuhalten. „Die Vergangenheit können wir nicht verändern, aber wir können aus ihr lernen.“
„Persönlich sehr bewegt“ ist nach ihren Worten Bürgermeisterin Dorothea Deneke-Stoll. Die Stele sei „Teil der städtischen Erinnerungskultur“ und ein Ausgangspunkt für die historische und politische Erinnerungskultur der Stadt Ingolstadt.
Erinnern, gedenken und mahnen – das ist für Deneke-Stoll eine „dauerhafte Zukunftsaufgabe“. Während diese Stele für die Soldaten der Pionierschule ein Anknüpfungspunkt für die politische Bildung werden soll, ist geplant, im nächsten Jahr unweit entfernt am Donauradwanderweg eine Stele für die Öffentlichkeit mit Hinweisen auf die Erschießungsstätte aufzustellen.
Die frühere SPD-Stadträtin Gerda Büttner und Mit-Begründerin der Gedenkstätten-Initiative „Erinnern.Gedenken.Gestalten“ blickte zurück. Im November 1995 sei erstmals dieser 75 ermordeten Menschen gedacht worden.
Allerdings nicht im Rahmen der Kranzniederlegungen an den Kriegerdenkmalen, sondern bei einem alternativen Volkstrauertag der Friedensbewegung. „Wir haben damals eine provisorische Gedenktafel aufgestellt“, erinnert Büttner, woraufhin die Initiative gegründet wurde. „Damals gab es keinen Ort zum Gedenken an die Opfer der Nazis.“
Der seinerzeit diskutierte und geplante Bau der Dritten Donaubrücke machte auch einen neuen Ort für das Ehrenmal im Luitpoldpark erforderlich. In einem langen Prozess und unzähligen Gesprächen mit vielen Beteiligten entstand schließlich 1999 das heutige Mahnmal für die Opfer des Nationalsozialismus und die Toten der Weltkriege im Luitpoldpark, ein Werk der Künstlerin Dagmar Pachtner.
Das Forschungsprojekt zu den Opfern des Nationalsozialismus in Ingolstadt ergründet unter anderem die Schicksale der NS-Wehrmachtsjustiz. Hinzugekommen sind noch Stolpersteine, die Lebensbücher im Stadtmuseum und 15 blaue Stelen.
Darunter im Luitpoldpark auch die von Thomas Reißner, mit nur 30 Jahren am 15. Dezember 1944 erschossen, sowie am Auwaldsee die von Johann Pommer, am 21. Februar 1945 mit nur 21 Jahren hingerichtet, weil er sich Ende 1944 zu spät von einem Heimaturlaub zurückgemeldet hatte.
75 Männer erschossen
Etwa 30.000 Soldaten der Wehrmacht wurden im Zweiten Weltkrieg wegen angeblicher „Wehrkraftzersetzung“, „Fahnenflucht“ oder ähnlicher Vorwürfe zum Tode verurteilt.
An die 23.000 Todesurteile wurden vollstreckt. Einer der Hinrichtungsorte war ein Schießübungsplatz am Auwaldsee. Heute befindet sich dort ein Übungsplatz der Pionierschule des Heeres.
Im Sommer 1944 wurde das Wehrmachtsuntersuchungsgefängnis München durch Bomben zerstört und mit zunächst 200 Häftlingen in das Fort VIII nach Manching verlegt.
Bis April 1945 wurden am Auwaldsee 75 Männer erschossen: deutsche, österreichische, italienische und russische Soldaten sowie ein polnischer Arbeiter. Der Ort der Erschießungen lag nördlich der heutigen Straße „Am Auwaldsee“. 1944/ 1945 befanden sich mehr als 800 Gefangene im Wehrmachtsuntersuchungsgefängnis, 106 waren zum Tode verurteilt und warteten auf ihre Hinrichtung.
Am 9. April 1945 wurde das Gefängnis aufgelöst und ein Teil der Häftlinge begnadigt. Dem raschen Vordringen der US-Armee war es zu verdanken, dass die letzten 27 bereits verhängten Todesurteile nicht mehr vollstreckt werden konnten. Die sterblichen Überreste der Toten wurden nach 1945 auf den Westfriedhof umgebettet und haben dort im „Ehrenhain“ ihre letzte Ruhestätte gefunden. Einige wurden später in ihre Heimatorte überführt.
Artikel kommentieren