Karen Köhler liest aus „Himmelwärts“
Sternschnuppenschön!

Aus dem Theaterstück ist ein Kinderbuch geworden

19.04.2024 | Stand 19.04.2024, 18:00 Uhr

Karen Köhler hat ihr kosmisches Radio mitgebracht. Foto: Weinretter

Am Ende wird getanzt. „Happy“ hat sich jemand aus dem Publikum gewünscht. Und dann wird heftig gewobbelt. Weil das ja auch manchmal hilft gegen die Traurigkeit, die mit der großen Vermissung einhergeht. „Himmelwärts“ hat Karen Köhler ihr erstes Kinderbuch genannt – nach dem Theaterstück, das sie vor zwei Jahren für das Junge Theater Ingolstadt geschrieben hat. Am Donnerstagnachmittag las sie daraus in der Werkstattbühne. Und wer dabei war, erlebte eine intergalaktisch schöne, ko(s)-mische, berührende Stunde unterm nächtlichen Diskokugel-Sternenhimmel.

Autorin Karen Köhler (50) trägt ein schwarzes Glitzerkleid und sitzt auf einem kleinen Podest auf der weitgehend leeren Bühne. Neben ihr: ein seltsames Gebilde aus Pappe, einer Konservenbüchse und einem alufolienumwickelten Regenschirmskelett. „Ich habe versucht, das kosmische Radio nachzubauen, wie es meine Illustratorin Bea Davies gezeichnet hat“, sagt sie später. Bevor sie zu lesen beginnt, sucht sie auf ihrem Smartphone einen Sound, der anschließend ihre Geschichte auf einen Klangteppich bettet – vom Radiorauschen über Vogelgezwitscher bis zu einer zarten Klaviermelodie, gewebt aus Wehmut und Verzagtheit.

„Himmelwärts“ erzählt von Toni, deren Welt seit dem Tod ihrer Mutter aus den Fugen geraten ist. „Im Himmel“ sei sie jetzt, hatten Erwachsene sie zu trösten versucht. Was Toni zwar nicht glaubt, aber was sie und ihre beste Freundin Yum-Yum auf die Idee mit dem kosmischen Radio gebracht hat. Vielleicht böte das ja eine Möglichkeit der Kontaktaufnahme?! Eine Übernachtungsparty im heimischen Garten wird anberaumt – mit Zelt und Snacks. Und irgendwann kommt das kosmische Radio zum Einsatz, mit dem die beiden Mädchen zwar keinen Kontakt zu Tonis Mama bekommen, aber dafür einen zu Zanna, einer Astronautin, die auf der Internationalen Raumstation mit 28 000 Stundenkilometern um die Erde kreist. Schon seit 117 Tagen. „Länger, als Mama tot ist“, sagt Toni. Dann ist alles still. „Auf einmal ist da nur noch meine Vermissung.“

Ein Trostbuch hat Karen Köhler geschrieben – für alle, die schon mal an Vermissung gelitten haben. Aber „Himmelwärts“ ist auch eine Geschichte über Freundschaft und Mut. Ist intensiv und überraschend witzig, poetisch und philosophisch, federleicht und sprachmächtig. Geschrieben als Countdown – von 10 bis 0, unterbrochen von Tonis skurrilen Notizbucheinträgen. Und wenn Karen Köhler liest, geht das Kopfkino los, werden die Figuren lebendig, hört man Tonis Papa „Mwwoppmwoppwopp“-Erwachsenensprech von sich geben, vermeint man fast den süßen Snack-Mix (die Marshmallow-Challenge!) zu riechen, stellt man sich Zannas Satellit im einsamen Erdorbit vor, wird alles plötzlich schwerelos und sternschnuppenschön!

DK


Karen Köhler: Himmelwärts, Hanser, 192 Seiten, 19 Euro.