stadtgeflüster
Liebe CSU, lieben Sie Brahms?

05.12.2018 | Stand 02.12.2020, 15:05 Uhr

(rh) Falls jemand unter unseren Leserinnen und Lesern schon mal Gelegenheit hatte, den alten Schweden Herbert Blomstedt (91) bei der Arbeit zu beobachten, wird er ohne zu zögern zustimmen: Der Reifeprozess klassischer Dirigenten ist mit den Maßstäben von uns Normalsterblichen, die wir mit Anfang 60 langsam unsere Rentenpunkte zusammenzählen, in keiner Weise zu vergleichen.

80, 85, 90 Jahre - für einen Maestro aus dem Premiumsegment ist das noch überhaupt kein Alter. Hat er es erst ohne Rollstuhl bis zum Pult geschafft, bedarf er keinerlei geriatrischer Hilfestellung mehr, sondern beschwört mit Greisenhänden und zittrigen Fingern, aber jugendlichem Feuer den Geist Beethovens, Verdis und Bruckners.

Das nur als Warnung an alle Ingolstädter Chorleiterinnen, die in christlich-sozialer Zuversicht darauf vertrauen, das Konzertsaalproblem würde sich in den nächsten Jahren schon irgendwie von selber lösen. Hätte am Totensonntag das Orchester der Mailänder Scala unter Daniel Barenboim im Festsaal des Stadttheaters gastiert, in der größten Stadtratsfraktion wäre das wohl gar keinem aufgefallen. So aber war es die eigene Fraktionskollegin Eva-Maria Atzerodt, Trägerin des Ingolstädter Kulturpreises und CSU-Sprecherin im Kulturausschuss, die eine sehr respektable Aufführung des Brahms-Requiems organisierte und selbst dirigierte.

"Denn wir haben hier keine bleibende Statt (Hebräer 13,14)", besang der Motettenchor eindringlich die drohende Schanzer Konzertsaalmisere, "sondern die zukünftige suchen wir. " Und er fuhr fort: "So seid nun geduldig, liebe Brüder, bis auf die Zukunft des Herrn (Jakobus 5). " Leider vernahm niemand aus der CSU an diesem Abend die mahnenden Bibelworte. "Da ist der Festsaal fast voll besetzt", empört sich in einer Rundmail Ex-Fraktionschefin Gudrun Sticht-Schretzenmayr über die Ignoranz ihrer Parteifreunde, "und keiner aus der CSU-Fraktion lässt sich blicken. Das ist nicht nur Gleichgültigkeit gegen das Kulturgeschehen in dieser Stadt, sondern darüber hinaus sogar ein Affront gegen Eva-Maria Atzerodt. "

Ein Tipp unsererseits an Frau Atzerordt: Sollte sie sich dereinst mit dem Motettenchor als Dirigentin an die Bach-Matthäuspassion wagen, könnten wir uns die Eventhalle im Westpark als geeigneten Rahmen vorstellen. Die gilt als einer der Alternativsäle während der Theatersanierung und kostet bloß 500 Euro Miete. Hat zwar auch nur 350 Sitzplätze, aber von der CSU kommt ja sowieso keiner.