stadtgeflüster
Du kan gå hem!

22.06.2018 | Stand 02.12.2020, 16:11 Uhr

(sic) In der schwedischen Astrid-Lindgren-Verfilmung "Karlsson auf dem Dach" aus dem Jahr 1974 gibt es eine Szene, die besonders schön zeigt, wie alt dieser Film schon ist: Da brät Lillebrors Mama für die ganze Familie Svantesson (und die seltsame Gestalt mit dem Propeller im Rücken) sehr wohlschmeckende "Fleischklößchen", wie in der deutschen Synchronfassung alle sagen.

Heute freilich würde an der Stelle jedes an Ikea geschulte deutsche Kindergartenkind erwidern: "Alter Schwede! Wieso Fleischklößchen? Das sind doch Köttbullar! So heißt das! "

Es gibt Historiker, die glaubhaft versichern, dass der Beitrag des schwedischen Möbelhauses zur deutschen Kulturgeschichte größer gewesen sei, als die Kraft von Romantik und Biedermeier zusammen. Die Hingabe vieler Deutscher an Schweden geht in der Regel über Fleischklößchen hinaus. Linksintellektuelle Bundesbürger neigen zum Beispiel auffällig zur Verklärung des schwedischen (und finnischen) Bildungswesens. Dort ist für sie grundsätzlich alles besser als in den verkrampften, autoritären deutschen Lehranstalten. Wenn deutsche Pädagogen beginnen, von Schweden zu schwärmen, sehen sie vor ihrem geistigen Auge gewiss lauter wohlgeratene, perfekt geförderte blonde Schüler im Stuhlkreis diskutieren; die Sitzmöbel natürlich alle ergonomisch geformt - handgeschnitzt von finnischen Innenarchitekten, die eine Waldorfschule besucht haben. Bildungsbullerbü.

Doch dieses romantische Bild ist noch gar nicht so alt. Vor fast genau 60 Jahren war der Schwede aus deutscher Sicht böser als der Russe, und das zu Recht! Am 24. Juni 1958 traten die Fußballweltmeister aus Westdeutschland im WM-Halbfinale gegen Schweden an. Im Ullevi-Stadion zu Göteborg tobte eine Schlacht mit archaischem Antlitz. Feindselige einheimische Zuschauer griffen die angereisten Schlachtenbummler nicht nur verbal an. "Denkt einfach, sie schreien für euch", soll Bundestrainer Josef Herberger seiner Elf geraten haben, als die schwedischen Hassgesänge dröhnten.

Die ständigen fiesen Fouls der Gastgeber fügten sich harmonisch in diese Angriffsordnung. Vor allem der echt gemeine Kurt Hamrin piesackte Erich Juskowiak, einen ehrlichen Malocher aus dem Ruhrgebiet, dermaßen, dass der in der 58. Minute zur Revanche schritt. Und dafür Rot sah. Also der Deutsche, nicht der Feind. Schweden siegte mit 3:1. Es gibt Historiker, die glaubhaft versichern, dass Juskowiak diesen Hamrin schon viel früher hätte umhauen sollen.

Wären seinerzeit Schanzer im Stadion gewesen, hätten die Schweden gewiss mehr Respekt gehabt. Schließlich waren es Ingolstädter, die 1632 den Schimmel des Schwedenkönigs Gustav Adolf mit einem sehenswerten Distanzschuss erlegten. Der Gaul steht im Stadtmuseum.

Wenn Schweden heute gegen Deutschland verliert, wäre es eine schöne Geste, dort aus Dank einen Topf Köttbullar niederzulegen. Ach ja: "Ihr! Könnt! Nach! Hause gehn" heißt auf Schwedisch: "Du kan gå hem! "