Am Nanga Parbat
Reinhold Messner in Ingolstadt: Von triumphalen Erfolgen und tödlichen Niederlagen

21.10.2022 | Stand 22.09.2023, 4:20 Uhr

Mit einem roten Kreuz hat Reinhold Messner auf diesem Foto des Nanga Parbat die Stelle markiert, an der sein Bruder 1970 ums Leben gekommen ist. Foto: Hauser

Ein Skript braucht Reinhold Messner nicht. Die Geschichte des Nanga Parbat kann er ohne Notizen erzählen. Er kennt sie in und auswendig. Auch, weil es seine Geschichte ist. Das merken die rund 600 Zuhörerinnen und Zuhörer an diesem Abend im Festsaal schnell.



Messner ist gekommen, um vom achthöchsten Berg der Welt zu berichten. Als „Schicksalsberg der Deutschen“ wurde er bezeichnet, er selbst nennt ihn seinen „Schlüsselberg“.

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Messner ist Profi. Die Geschichten der ersten gescheiterten und gelungenen Expeditionen am Nanga Parbat erzählt er eindringlich und mit überwältigenden Bildern, die eigens für diesen Vortrag im Himalaya gemacht worden sind. Dazu wartet er mit historischen Fotos und Filmsequenzen auf. Der 78-Jährige berichtet so authentisch, weil er selbst mehrfach am Nanga Parbat war. Er kennt die Merkl-Scharte, die Eisfelder, die Türme und Zinnen unterhalb des Gipfels und auch den höchsten Punkt auf 8125 Metern aus eigener Anschauung. Er hat am Nanga Parbat bittere Kälte und Angst erlebt, aber auch große Erfolge gefeiert. Und er hat „den Tod erfahren“, wie er sagt.

„Wir waren jung. Und wir waren ehrgeizig“

Der bewegendste Teil des Abends ist Messners Bericht vom Unglück seines Bruders Günther. Er starb 1970 im Alter von 24 Jahren in der Diamir-Wand. Zuvor hatten Günther und Reinhold Messner den Gipfel des Nanga Parbat über eine waghalsige Route durch die Rupal-Wand erreicht. Es habe sie gereizt, dass sie als „unbesteigbar“ galt, so Messner. Die Rupal-Wand ist 4500 Meter hoch und vielleicht die gewaltigste Steilwand der Erde. „Wir waren jung. Und wir waren ehrgeizig“, sagt Messner. Es gebe nicht unbedingt einen tieferen Sinn, solch Extremes zu wagen. Zweimal nennt er sich an diesem Abend selbst einen „Eroberer des Nutzlosen“.

Kurz erwähnt er, dass es seinerzeit Zweifler an seiner Schilderung der Ereignisse am Berg gab. Man habe ihm vorgeworfen, Günther durch persönlichen Ehrgeiz in tödliche Gefahr gebracht zu haben. „Unsinn und Lüge“ nennt Messner diese Behauptung seit mehr als 50 Jahren. Mehrmals ist er an den Berg zurückgekehrt, um nach seinem Bruder zu suchen. Der Fund eines Schuhs und sterblicher Überreste im Jahr 2005 und der eines weiteren Stiefels in diesem Jahr stützen die Version Reinhold Messners.

Es sei das Wesen des extremen Alpinismus, sich in Lebensgefahr zu bringen, sagt Messner. „Das Ziel ist aber nicht nur, den Gipfel zu erreichen, sondern auch, die Geschichte des Erfolgs ins Tal hinunterzutragen.“ Messner ist ein guter und charismatischer Erzähler dieser Geschichten, dem man gerne zuhört.