Neue CD
Prachtvolle Sakralkomposition: Simon Mayrs „Messa solenne in D-Dur“ unter Franz Hauk bei Naxos

14.03.2024 | Stand 14.03.2024, 19:00 Uhr
Roland Dippel

Eine neue Einspielung des Dirigenten Franz Hauk. Foto: Naxos

Kurz vor Johann Sebastian Bachs „Johannespassion“ zum 300. Jahrestag ihrer Uraufführung im Karfreitagskonzert der Asamkirche Maria de Victoria am 29. März, erscheint mit zum Teil denselben Mitwirkenden eine ganz andersgeartete Sakralkomposition als CD und Online: Das Alte-Musik-Ensemble Concerto de Bassus unter Franz Hauk und die Sopranistin Anna Feith sind auch in der „Messa solenne in D-Moll“ des aus Altmannstein stammenden Komponisten Johann Simon Mayr (1763–1845) zu hören.

Die rundum gelungene Weltersteinspielung entstand um ein Konzert im Juli 2022 in Maria de Victoria. Das Label Naxos nennt den Dirigenten, Chorleiter und Organisten Franz Hauk den „führenden Experten für die Musik Mayrs“. Zurecht: Diese „Messa solenne" ist Hauks 27. Album mit Opern und Sakralwerken des lange Zeit vernachlässigten Komponisten, die früheren Einspielungen aus Ingolstadt beim Label Guild nicht mitgerechnet.

Simon Mayr setzte sich in Venedig, Mailand und Neapel für die Kompositionen von Mozart und Haydn ein. Das hört man jetzt auch in der den Einspielungen der Opern „Alfredo il grande“ und „Elena“ jetzt folgenden „Messa solenne“. Mit fast 100 Minuten sprengt die große Partitur den üblichen zeitlichen Rahmen einer geistlichen Komposition. Für Gläubige in der Lombardei war das neben Liturgie, Predigt und Eucharistie offenbar nicht zu lang – wohl aber für den Regensburger Kanonikus Carl Proske, der Mayr 1834 in Bergamo besuchte und dort auch eine Messe hörte.
Größere Unterschiede als zwischen der „Johannespassion“ Bachs, der zu seinen Lebzeiten in Italien so gut wie unbekannt war, und den 100 Jahre später entstandenen Messen Mayrs sind kaum denkbar: Der streitbare Bach mit seinem eher rückwärts gewandten Stil und daneben Napoléon Bonapartes in ganz Europa gefeierter Lieblingskomponist Mayr. Bei Bach dominiert empathische Strenge und bei Mayr eine üppige Kreativität, die sich im Kyrie und im Gloria opernhaft Bahn bricht. Im Credo ist die von Konzertmeisterin Theona Gubba-Chkheidze berückend gespielte Solovioline die virtuos-lyrische Hauptfigur eines eigenen kleinen Dramas.

Der Simon Mayr Chorus hat große wie dankbare Aufgaben. Erstaunlicherweise sind die Solo-Positionen des Sopran mit Anna Feith und Bogna Bernagiewicz, die des Tenors mit Markus Schäfer und Fang Zhi verdoppelt. Das war von Mayr offenbar beabsichtigt. Diese Stimmen singen in mehreren Sätzen nebeneinander, übernehmen aber keine Partienteile von der Altistin Freya Apffelstaedt und dem Bassisten Niklas Mallmann. Das Ensemble agiert angenehm homogen und mit sehr gerundeten Höhenpassagen.

Wie man an dieser nach dem Ende von Mayrs Karriere als Opernkomponist im Jahr 1823 entstandenen Komposition feststellt, war das Niveau der Sakralmusik südlich der Alpen außergewöhnlich hoch und für Mitwirkende ziemlich anspruchsvoll. Teile aus der mit Sicherheit vor 1831 entstandenen „Missa solenne“ übernahm Mayr in seine Einsiedeln-Messe. Insgesamt findet die Aufnahme zu einer melodisch beseelten und alle Reizmöglichkeiten der Komposition mit vokalem Leuchten auskostenden Haltung. Trotz der oft gemessenen Tempi sind die Melodie-Übernahmen aus Rossinis „Aschenputtel“ zu Beginn und die Transfers von dessen typischen Arien-Bläsersätzen in das Bass-Solo des Sanctus–Benedictus zu erkennen. Eines ist in Mayrs „Messa“ von gleicher Auffälligkeit wie in Rossinis berühmterem „Stabat mater“. Während in beider Opern die vokal-virtuose Verdichtung zum Ende fast immer zunimmt, sind die am schönsten komponierten Gesangsstellen in der ersten Hälfte ihrer Kirchenkompositionen. Auch diesmal bedeutet eine Mayr-CD von Naxos weitaus mehr als akademischen Kenntniszuwachs. Für die hohe Kultur der „messa concertata“ ist diese Entdeckung ein prachtvolles Beispiel.

DK


Johann Simon Mayr (1763–1845): Messa solenne in D minor (Weltersteinspielung); Anna Feith, Bogna Bernagiewicz (Soprano), Freya Apffelstaedt (Alt), Markus Schäfer, Fang Zhi (Tenor), Niklas Mallmann (Bass), Simon Mayr Chorus, Concerto de Bassus, Theona Gubba-Chkheidze (Violine), Franz Hauk (Dirigent) Naxos (2 CD).