Ingolstädter Kabaretttage
Pazifist und Pessimist

Besser als Fernsehen: Helmut Schleich im Kulturzentrum neun

29.05.2023 | Stand 16.09.2023, 21:15 Uhr

Glänzender Satiriker: Helmut Schleich als Franz Josef Strauß in der Halle neun. Foto: Leitner

Das aktuelle Programm von Helmut Schleich fordert bereits mit seinem Titel Widerspruch heraus. „Das kann man so nicht sagen“, hat es der Münchener Kabarettist überschrieben. Nach dessen Präsentation anlässlich der Ingolstädter Kabaretttage im Kulturzentrum neun durch den Urheber selbst kann die Antwort nur lauten: Doch, doch. Genau so muss man es sagen! Und es ist gut, das es einer tut.

Er sei Pazifist und Pessimist aus Überzeugung, sagt Schleich selbst über sich und bezieht sich dabei vor allem auf den ersten Teil vor der Pause. Allerdings ist er auch ein glänzender Satiriker mit gehaltvollen und gleichermaßen umwerfend komischen Gedankengängen, messerscharfen Pointen und sprachlichen Finessen, die das Zwerchfell in Wallung bringen. Und seine Mimik ist ja sowieso eine Klasse für sich. Für einen wie ihn, der seit Wackersdorf permanent streitet für das, wofür die Partei einst stand, muss der derzeitige Zustand der Grünen natürlich die Hölle sein. Deswegen nimmt er sich deren Personal ganz speziell zur Brust. Und das, was es absondert.

Als Archivar von Zitaten, mit denen sich deren Urheber ganz allein und ohne sein Zutun in die Kaste der Hirnlosen einordnen, ist er ganz groß. Und im Dokumentieren der zunehmenden allgemeinen Verblödung auch. „Unser größtes Problem im Gesundheitswesen ist anscheinend die Genderisierung der Beipackzettel“, sagt er. Und: „In Deutschland sind deutlich mehr Leute wegen Corona verblödet als gestorben.“

Wobei ihm hoch anzurechnen ist, dass er die Pandemie thematisiert, obwohl er doch für seine Äußerungen während des Lockdowns auch von der eigenen Berufsgruppe ziemlich hart angegangen wurde. Heute steht er darüber und gibt offen zu, in jener Zeit viel über seine Mitmenschen und den Zustand der Gesellschaft gelernt zu haben. Zum Beispiel, dass der, dessen Meinung anderen nicht passt, nicht diskussionswürdig ist, sondern sofort mit einer Welle aus Beschimpfungen Beleidigungen, Diffamierungen und Drohungen überzogen werde.

Der zweite Teil des Abends gehört seinen Paradedisziplinen. Bayern, dessen Traditionen, der Einzigartigkeit der Sprache, der staatstragenden Partei und deren Vorsitzenden, die sich nicht selten gebärden, als seien sie von Gott gesalbt. Hier kommen sein Parodiertalent und Franz Josef Strauß zum Einsatz, seine Allzweckwaffe von Anbeginn. Ihm als Kunstfigur obliegt es, ohne Angst vor juristischen Konsequenzen Markus Söder herunterputzen, dass der Rauch aufsteigt. Er läutet – wie eigentlich immer bei Schleich – das Finale ein, das dann mit einem Dialog zwischen den Gebrüdern Ratzinger an der Himmelspforte das Programm beendet und damit indirekt sogar noch sein „Schleichfernsehen“ auf die Bühne holt.

Wobei eines freilich offensichtlich ist: Helmut Schleich mag mit seinem TV-Format mehr Menschen erreichen, am besten aber ist er auf der Bühne mit komplettem Programm, mit vollem Körpereinsatz, mit seiner einzigartigen gedanklichen und sprachlichen Wucht, seiner satirischen Spitzfindigkeit und seinem Sinn für pointierten Humor. Wer diesen Großkabarettisten in Gänze erleben will, der muss ihn live erleben. In Ingolstadt war jede einzelne Minute ein Genuss.

DK