Ingolstadt
Party-Hauptstadt auf Zeit

Tausende feiern bei Berliner Nächten in Ingolstadt – Corona-Beschränkungen bleiben spürbar

23.05.2022 | Stand 22.09.2023, 23:20 Uhr

Neben musikalischen Gästen aus der Hauptstadt waren bei den Berliner Nächten am Wochenende auch lokale Künstler am Start. Fotos: Klinker

Von Johannes Hauser

Ingolstadt – Das Ingolstädter Nachtleben gilt nicht unbedingt als Aushängeschild der Stadt. Junge Leute ziehen am Wochenende eher nach München oder Nürnberg, um Party zu machen. Es gibt allerdings Ausnahmen. Am vergangenen Samstag fanden in den Ingolstädter Clubs und Kneipen einmal mehr die Berliner Nächte statt. Das Konzept stammt aus dem Jahr 1997 (siehe unten) und wurde 2018 von Florian Rindlbacher und Johannes Benks wiederbelebt. Das Prinzip: Für einen einmaligen Eintrittspreis von zehn Euro bekommen Gäste Zugang zu allen beteiligten Lokalen. Das Programm in den Clubs und Bars ist teils berlinerisch angehaucht. In diesem Jahr haben sich 17 Clubs und Kneipen beteiligt, berichtet Rindlbacher, den man in der Ingolstädter Partyszene und darüber hinaus als DJ Superior kennt. Es gab wieder Berliner Weisse, Currywurst und Musik-Acts aus der Hauptstadt. Darunter etliche DJs, die aus Ingolstadt in die Hauptstadt gezogen sind und jetzt für ein Wochenende zurückkamen.

Die Veranstalter freuen sich über großen Zulauf. „Schon um 1.30 Uhr“ hätten die ersten Clubs einen Einlassstopp aussprechen müssen. „Auch die Straßen waren voll“, freut sich Rindlbacher. „Rund um das Münster ging es fast zu wie beim Bürgerfest.“ Unter anderem im Suxul und der Lago Bar aber auch in der Rosengasse war es zeitweise so voll, dass keine neuen Gäste eingelassen werden konnten. Viele Feiernde seien auch deshalb von Location zu Location gezogen, um die einzelnen Spezialangebote abzugreifen. Viele machten am Münster beim neuen Seven Heaven halt, wo es Longdrinks für fünf Euro zu erstehen gab. Das war durchaus auch als Eröffnungsangebot des neuen Lokals zu verstehen.

Erst seit April dürfen die Clubs wieder ohne Einschränkungen öffnen. Für manchen mögen die Berliner Nächte deswegen auch eine Feier der wiedergewonnenen Party-Laune gewesen sein. Die Branche wurde von den Pandemie-Maßnahmen mit am härtesten getroffen. Clubs und Bars waren die Ersten, die im März 2020 wegen Corona schließen mussten, sie waren auch die Letzten, die wieder öffnen durften. Das wirkt sich auf die gesamte Szene aus, ist Rindlbacher überzeugt. Nicht nur, weil der Lockdown etliche Clubbetreiber in Deutschland und Bayern in den Ruin getrieben hat. Auch die, die jetzt wieder geöffnet haben, stünden vor großen wirtschaftlichen Herausforderungen. Schließlich müssten etliche Corona-Hilfen wieder zurückbezahlt werden. „Viele kämpfen noch“, weiß der DJ.

Hinzu kommt, dass sich das Freizeitverhalten der potenziellen Gäste verändert hat. Zwei Jahre lang haben sich Jugendliche und Heranwachsende andere Wochenendbeschäftigungen suchen müssen. Viele Feiern sind ins Private verschoben worden. Junge Leute treffen sich heute häufiger draußen oder bei Freunden und ziehen nicht mehr durch die Clubs. Diese Gäste gehen den Betreibern womöglich dauerhaft verloren, fürchtet man in der Branche. „Jüngere gehen heute eher in Bars oder zum Essen“, hat Rindlbacher beobachtet. Auch wenn die Clubs mittlerweile wieder gut gefüllt sind. „Wir sind nicht auf dem Niveau von vor Corona“, sagt Rindlbacher – zumindest wenn nicht gerade Berliner Nächte sind.

Die Resonanz von Gästen und Wirten war am vergangenen Wochenende jedenfalls positiv. Rindlbacher und Benks haben deswegen durchaus Lust auf eine neue Auflage. Ob noch in diesem Herbst oder erst im nächsten Jahr wird man sehen. Allen Kritikern zum Trotz ist die Party in Ingolstadt jedenfalls noch lange nicht zu Ende.

Berliner Nächte

Mit ihren „Berliner Nächten“ setzen Florian Rindlbacher und Johannes Benks seit 2018 eine Reihe fort, die es von 1997 bis 2005 schon einmal in Ingolstadt gegeben hat. Anders als heute durften Clubs und Diskotheken damals nicht bis in die frühen Morgenstunden geöffnet haben. Unter der Organisation von IN-City beantragten damals alle beteiligten Lokale für ein Wochenende eine Sperrzeitverkürzung und erklärten das gemeinsame Partywochenende zur Berliner Nacht.

Der Erfolg war unerwartet groß. Schon bei der ersten Auflage schätzten die Veranstalter die Zahl der Besucher in Bars und Diskotheken auf mehr als 40000 – rund doppelt so viele wie sonst an einem Wochenende.

Damals beteiligten sich auch Hotels, die eigens Angebote für auswärtige Partygänger machten, das Museum für Konkrete Kunst öffnete bis spät in der Nacht, und im City-Kino lief „Der blaue Engel“. Zur Premiere im Jahr 1997 fuhr sogar ein Berliner Doppeldecker-Bus durch die Straßen Ingolstadts, und der Regierende Bürgermeister von Berlin, Eberhard Diepgen, höchstselbst schickte ein Grußwort an die Schanzer Party-Gemeinde.

DK