Audiovisuelles Kunst- und Kulturerlebnis
Mensch und Maschine

T.Raum.Phase#03 befasst sich mit Künstlicher Intelligenz

26.05.2023 | Stand 16.09.2023, 21:21 Uhr

Auf der Suche nach Erkenntnis: Benjamin Dami und Paula Gendrisch im Zeughaus. Foto: Eberl

Der Baum der Erkenntnis sieht aus wie ein ausgemustertes Eisenstück. Welche Funktion hatte diese Strebe, diese Schiene mit dem Gelenk wohl einmal? Unten hat sie Wurzeln geschlagen. Und oben wölbt sich ein Ast aus dem Metall. Daran: ein Apfel. Eva wird ihn pflücken. Mit fatalen Folgen.

Aber nein: Diesen Maschinen-Apfelbaum hat Markus Jordan geschaffen – nach einem Entwurf von Konrad Kulke, dem langjährigen Bühnenbildner am Stadttheater Ingolstadt. Und dass er nigelnagelneu und eigentlich ganz aus Holz ist, ist für den Besucher seines Labors im Zeughaus genauso verblüffend wie alle anderen Exponate dieses magischen Kabinetts, das den Rahmen schafft für T.Raum.Phase#03.

Diese verbindet digitale und analoge Kunstformen auf spektakuläre Weise. Und setzt sich in der neuen Auflage mit Künstlicher Intelligenz auseinander. Claudius Konrad, der mit seiner Band (Tom Sendtner und Benedikt Streicher) den flirrenden musikalischen Raum absteckt, hat zusammen mit einer KI das Setting entwickelt. Zunächst berichtet eine Computerstimme (Konrads Stimme, aber gepitcht) von zwei KI-Modellen, die als eine Art Werkzeuge entwickelt wurden, um dem Menschen das Leben zu erleichtern. Doch schon die Namen – Eva und Prometheus – lassen erahnen, dass das nicht gut gehen wird.

Die biblische Eva, die trotz Gottes Verbot vom Apfel der Erkenntnis aß, wurde aus dem Paradies vertrieben – und mit ihr die ganze Menschheit. Und Prometheus, der den Menschen das Geheimnis des Feuers schenkte − gegen den Willen Zeus’ – wurde mit unlösbaren Ketten an einen mächtigen Felsen des Kaukasus geschmiedet, wo jeden Tag ein Adler von seiner Leber fraß (die sich immer wieder erneuerte, da er ein Unsterblicher war).

Mensch und Maschine, Wissen und Moral, Innovation und Emotion, Licht und Finsternis, Risiko und Chance, Mythos und Logos, Vergangenheit und Zukunft: Das Publikum verfolgt verschiedene Phasen einer Software-Entwicklung: plan – run – test – learn – do. Man lernt aus den Fehlern und beginnt wieder von vorn.

Grandios ist diese Ästhetik, die aus dem kreativen Zusammenspiel der verschiedenen Künste entsteht: Im Zentrum stehen Paula Gendrisch und Benjamin Dami, beide im Ensemble des Stadttheaters Ingolstadt, die als Maschinenwesen Eva und Prometheus erwachen, lernen, Sprache generieren, Bewegungsmuster nachahmen. Spiegelhelm. Goldanzug. Robotik-Modus. Wenn es später zu Fehlfunktionen kommt und die übergeordnete KI die Logiken beider Modelle verknüpft, suchen die beiden einen Kräfteausgleich im hochenergetischen, aber extrem verlangsamten, berührenden Bewegungstanz. (Und präsentieren damit einen winzigen Ausschnitt aus ihrem virtuosen Tanztheater „Murmeln“.)

In sechs Phasen à zehn Minuten läuft diese T.Raum.Phase #03 ab. „Bit by bit, stone by stone“: Die Musik wechselt von cineastischem Sound zu erzählenden Liedern (auch hier hat eine KI mitgetextet) und atmosphärischem Raunen. Zusammen mit Vanessa Hafenbrädls Videokunst fügen sich Text und Tanz, Kunst und Konzert, Artifizielles und Reales in Markus Jordans Laboratorium aus Automaten und Hokuspokus zu einem eindringlichen Erlebnis. Unbedingt anschauen!

DK


Zeughaus im Neuen Schloss: 27. Mai um 20 Uhr, 28. Mai um 18 und 20 Uhr, 29. Mai um 18 und 20 Uhr. Eintritt frei, Dauer: 1 Stunde, Einlass ist 5 Minuten vor Beginn.