Besuch in Ingolstadt
Manipulationsgefahr durch Künstliche Intelligenz: Experte Bernd Harder warnt

31.01.2024 | Stand 31.01.2024, 9:00 Uhr

Auf der Kinoleinwand: Bernd Harder, Autor zahlreicher Bücher, ein Experte für Verschwörungserzählungen, in dem von Schülern produzierten Film „Von Lügen und Leiden. Antisemitische Verschwörungstheorien in unserer Gesellschaft“, der am Samstag in Ingolstadt Premiere hatte. Foto: Heindl

Man stelle sich vor, im Internet taucht ein Video auf, in dem Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) grinsend Koteletts in die Kamera hält und in seinem markanten, dezenten Schwäbisch verkündet: „Das verbieten wir Grünen euch ab sofort! Fleisch isch over.“

So ein Video gibt es (noch) nicht. Sollte derlei durch das Netz geistern, wäre es ein Fake. Mit Künstlicher Intelligenz (KI) gelingen Fälschungen immer echter – täuschend echt. Mit Originalstimme und synchronen Lippenbewegungen; eine enorme Gefahr, denn die Manipulationsmöglichkeiten werden mit jedem Software-Update größer. Bernd Harder, Experte für Verschwörungslügen und Autor zahlreicher Bücher, sensibilisierte am Samstag als Gast der Kinopremiere des Films „Von Lügen und Leiden. Antisemitische Verschwörungstheorien in unserer Gesellschaft“ für die beängstigenden Risiken der KI. Die 80-minütige, hoch gelobte Dokumentation wurde von Schülerinnen und Schülern des Reuchlin-Gymnasiums produziert.

„Wir bekommen ein Riesenproblem“



Harder sagte in einer Fragerunde nach der Filmvorführung vor dem Publikum: „Wir bekommen ein Riesenproblem. Ich merke das bei meinen Vorträgen: KI wird kommen. Wenn ich vor einem Jahr KI-Fotos gezeigt habe, war es kein Problem, das zu erkennen: Die Finger waren zu lang oder da waren nur drei Zehen. Aber KI wird so perfekt werden, dass wir das nicht mehr von der Realität unterscheiden können. Das wird kommen. Daher sage ich: Wir brauchen Medienerziehung. Schüler müssen in der Lage sein zu erkennen: Was ist Fake und was nicht? Was ist von der KI und was nicht?“

Was tun, wenn die Mutter an Chemtrails glaubt? Schwierig



Harder spricht seit vielen Jahren in Schulen und weiteren Bildungsstätten über Verschwörungstheorien – grundsätzlich ehrenamtlich. Er hat dabei auch eine Erfahrung gemacht, die in der Produktion des Reuchlin-Teams sehr gut herauskomme: „Es ist wie im Film geschildert: Nach Vorträgen kommen Schüler oder Schülerinnen zu mir und sagen: ,Es ist nett, was Sie da erzählt haben, aber meine Mutter sagt etwas ganz anderes‘. Die glaubt fest an Chemtrails.“ Also die wilde Behauptung, dass Flugzeuge massenhaft Gift versprühen, um die Bevölkerung zu manipulieren – zu erkennen an den weißen Spuren am Himmel (in Wahrheit simple Kondensstreifen). Wem sollten sie nun glauben, fragten ihn die Jugendlichen. „Was soll ich denn heute beim Mittagessen sagen?“ Da sei er „ein bisschen ratlos“, erzählte Harder. „Ich kann diejenigen ja nicht gegen ihre Eltern aufhetzen. Das ist in der Tat eine sehr sensible Diskussion, die man dann führen muss.“