Mit Maria nach Argentinien
Kunstzentrum Besondere Menschen erwartet 2024 Gegenbesuch aus Südamerika und sammelt Spenden

21.12.2023 | Stand 21.12.2023, 9:52 Uhr

Aufführung von „Interaktion“ in Buenos Aires: Im Februar zeigt Maria Tietze (2.v.l.) die Performance auch wieder in Ingolstadt. Fotos: Raul Errubidarte

Welches Kind mit gerade einmal vier Jahren kann schon von sich sagen, in einem Theater in Buenos Aires getanzt zu haben? Noch dazu, wenn dieses Kind schwere Beeinträchtigungen hat wie Mélinée? Möglich macht es Maria Tietze mit ihrem Kunstzentrum Besondere Menschen. Sie schafft es, selbst kühnste Ideen in die Tat umzusetzen – oft nur dank großzügiger Spenden. So wie eben diesen Austausch Ingolstadt-Argentinien. Nur ihr größter Traum ist noch nicht in Erfüllung gegangen: Mit Unterstützung der Stadt endlich eine feste Bleibe für ihr Kunstzentrum zu finden.

Die Tänzerin arbeitet seit nunmehr 16 Jahren an ihrer Vision, die Besonderen Menschen, wie sie ihre Schützlinge mit körperlichen und geistigen Beeinträchtigungen nennt, sichtbar zu machen und Inklusion auch im künstlerischen Bereich zu verwirklichen. „Meine Methode ist wie ein Wecker – ich wecke die Menschen und mache sie darauf aufmerksam, was wir alles können.“

Singen, tanzen, musizieren, schauspielern, malen – all das erkunden die Besonderen Menschen in Kursen unter Anleitung von Profis. Wochentags gibt es laut Tietze allein zwölf Klassen in St. Vinzenz mit etwa 70 Schülerinnen und Schülern. „Dabei geht uns nicht um ein Trimmen auf konventionelle Resultate, sondern um Kunst, die geprägt ist von den besonderen Fähigkeiten der Teilnehmerinnen und Teilnehmer“, sagt die 43-jährige Tänzerin und Schauspielerin. Mittlerweile unterstützen acht Künstler das Projekt – darunter auch die Malerin Kathleen Kornprobst, die aus dem Verkauf ihrer Bilder 4500 Euro an das Kunstzentrum gespendet hat. Das Geld floss direkt in den Austausch zwischen Argentinien und den Besonderen Menschen.

Die Vorbereitungen sind kein Pappenstiel

Noch schwelgen Maria Tietze und die anderen Reiseteilnehmer in Erinnerungen an Argentinien. Mélinées Mutter berichtet von den vielen unvergesslichen Eindrücken und Begegnungen, die sich bei einer herkömmlichen touristischen Reise nur selten ergeben: „Neben den begeisternden Einblicken in Natur, Kultur und Geschichte Argentiniens waren es genau diese Begegnungen, die diese Reise zu etwas ganz Besonderem gemacht haben.“ Es war ein gewagtes Unternehmen: „Seid ihr denn verrückt, mit zwei kleinen Kindern so weit zu fliegen?“, schildert Mélinées Mutter Reaktionen aus dem Umfeld. Aber Maria Tietze ist eine erfahrene Reiseleiterin: Sie war mit den Besonderen Menschen schon in Russland, in den USA oder Italien. Und Argentinien ist das Land, wo die gebürtige Brasilianerin aufgewachsen ist. Dennoch sind die Vorbereitungen für so eine besondere Reisegruppe kein Pappenstiel: „Es erfordert eine enorme Logistik und ist wie ein großes Puzzle“, schildert die 43-jährige Tänzerin. „Bei meinem Aufenthalt in Argentinien hatte ich Kontakt zu einem Schulleiter, dem ich meine Nieves-Methodik vorgestellt habe. Sofort war ich mit vielen anderen Institutionen vernetzt, denn ich kann Leute schnell für die Arbeit mit den Besonderen Menschen zu begeistern.“ Das südamerikanische Land steht gerade vor großen Problemen. „Die Inflation ist brutal, und die Künstler dort verdienen kein Geld“, berichtet Tietze. „Es gibt ihnen aber Hoffnung, etwas Schönes und Sinnvolles zu machen.“ Innerhalb von acht Monaten hatte sie in Buenos Aires alles für die Ankunft der sechs Familien aus Ingolstadt vorbereitet. Die Besonderen Menschen waren zu dem Zeitpunkt zwischen 4 und 28 Jahre alt. In Argentinien, erzählt Tietze, habe die kleine Mélinée zum ersten Mal mit einem Breakdancer Hip-Hop getanzt. Das ermöglicht jene einfühlsame Interaktion, um die es bei der Nieves-Methode geht. Die Performance „Interaktion“, die in Ingolstadt schon Hunderte Zuschauer in ihren Bann gezogen und teils zu Tränen gerührt hat, wurde auch in einem argentinischen Theater gezeigt.

Neuaufführung von „Interaktion“ im Februar in Ingolstadt

Am 24. und 25. Februar 2024 organisiert Maria Tietze in Ingolstadt eine Neuaufführung von „Interaktion“ – auch, um Spenden zu akquirieren. Denn im Juli oder Oktober sollen die Gäste aus Argentinien kommen. Außerdem will die Künstlerin im Mai eine Modenschau organisieren. Und dann ist da noch ihr Projekt „one hour experience“, bei dem die Teilnehmenden Filme und Interviews machen. „Ich möchte, das die Besonderen Menschen sich aktiv in der Öffentlichkeit zeigen, dass sie rausgehen. Ich werde die ganzen Medien sammeln und daraus eine Performance machen.“

Wo nimmt diese zierliche Frau nur die ganze Energie her? „Ich frage mich oft, ob ich aufhöre oder weitermachen soll, denn in diesem Jahr gab es auch kaum Spenden. Es wird für mich sehr schwierig ohne die Unterstützung der Stadt“, sagt sie. Schon seit Jahren wartet sie beispielsweise auf eine Entscheidung, ob sie die Kapelle des ehemaligen Krankenhauses als Domizil für ihr Kunstzentrum nutzen kann. Das Problem: Der Umbau des leer stehenden Gebäudes würde viel Geld verschlingen.

Manchmal möchte Tietze aus Frust alles hinwerfen

Manchmal möchte Maria Tietze aus Frust einfach alles hinwerfen. Aber wenn Mélinées Mutter dann erzählt, wie schön es für ihre Tochter war, mit anderen Kindern durch den Garten einer Bodega zu sausen oder im Theater in Buenos Aires aufzutreten und dort so schnell wie möglich auf die Tanzfläche zu stürmen oder wie sehr sich die Kleine über die handgeschnitzte Panflöte gefreut hat, die ihr eine indigene Tänzerin zum Abschied geschenkt hat, dann schöpft Maria Tietze wieder neue Kraft. Sie ist eben auch ein ganz besonderer Mensch.

Spenden sind auf das Konto der DK-Aktion „Vorweihnacht der guten Herzen“ möglich: Sparkasse Ingolstadt (IBAN: DE80721500000000 050500 BIC: BYLADEM1ING). Hier bitte aber unbedingt den gewünschten Verwendungszweck angeben, in diesem Fall „Kunstzentrum Besondere Menschen“. Natürlich können Sie auch allgemein für die „Vorweihnacht der guten Herzen“ spenden.