Ingolstadt
Knapp 1,4 Millionen Schaden verursacht

Prozessauftakt am Landgericht: Staatsanwaltschaft fordert sieben Jahre für mutmaßlichen Hacker

12.05.2022 | Stand 23.09.2023, 1:25 Uhr

Ein 24-Jähriger aus Essen soll bundesweit Online-Konten gehackt haben. Am Donnerstag startete der Prozess gegen ihn. Foto: Müller

Von Andreas Müller

Ingolstadt – Am Donnerstag hat am Ingolstädter Landgericht ein Prozess gegen einen 24-Jährigen aus Essen begonnen. Er soll bundesweit Online-Konten gehackt und einen Schaden von knapp 1,4 Millionen Euro verursacht haben. Der Angeklagte ist weitgehend geständig. Zwei Fragen sind jedoch offen.

Laut Anklage hat der Mann die Login-Daten zu den Online-Konten eingekauft und in einem zweiten Schritt die Banken getäuscht und dazu gebracht, das sogenannte Push-TAN-Verfahren für ihn einzurichten oder auf ihn umzustellen. Dem Angeklagten werden gewerbsmäßige Fälschung beweiserheblicher Daten sowie Computerbetrug vorgeworfen. In 53 der 174 Fälle ist es ihm laut Anklage gelungen, Gelder auf Konten mutmaßlicher Geldwäscher zu überweisen.

Die Ermittlungen wurden von der Ingolstädter Kriminalpolizei und der Bamberger Zentralstelle Cybercrime Bayern, einer auf Internetkriminalität spezialisierten Einheit, geführt. Wie der zuständige Polizei-Sachbearbeiter berichtete, hat ein Mann aus Ingolstadt oder einem der umliegenden Landkreise, von dessen Konto bei einer mittelfränkischen Bank 14 Überweisungen über insgesamt 52000 Euro vorgenommen worden waren, die Ermittlungen im Juni vorletzten Jahres in Gang gebracht. Nach umfangreicher Handy-Überwachung sei man auf die Spur des heute 24-Jährigen gekommen.

In einer Erklärung, die der Angeklagte von einem seiner beiden Verteidiger verlesen ließ, räumte er die Vorwürfe weitgehend ein. Von der Schadenssumme seien aber lediglich 210000 Euro bei ihm angekommen. Den Rest habe er an die Betreiber der Geldwäschekonten bezahlt, mit denen er im Darknet Kontakt aufgenommen habe und deren Namen er nicht kenne. Außerdem habe er „Spammer“ bezahlen müssen, „die die Konten gefischt haben“. Von dem verbleibenden Geld habe er die Hälfte an seinen Komplizen abgegeben, der sich „N. L.“ genannt habe und von dem er vermute, dass er Holländer sei. Mehr wisse er von ihm nicht.

Von dem Geld sei nichts mehr übrig, heißt es in der Erklärung weiter. Der Angeklagte habe damit seine Drogen- und Spielsucht finanziert und seiner Verlobten eine Rolex-Uhr geschenkt. Zwei Bekannte, die ebenfalls ins Visier der Ermittler geraten waren, hätten ihn zwar unterstützt, von dem illegalen Hintergrund aber nichts gewusst.

Bereits im Vorfeld des Prozesses hatte es einen Erörterungstermin gegeben, bei dem die Generalstaatsanwaltschaft Bamberg, die die Anklage vertritt, Zweifel an der Vollständigkeit des Geständnisses geäußert und eine Haftstrafe von über sieben Jahren für angemessen erachtet hat. Auch der Vorsitzende Richter Konrad Kliegl hatte das Geständnis mit Blick auf mutmaßliche Mittäter und den Verbleib des Geldes als „ausbaufähig“ bezeichnet und gleichzeitig dem Angeklagten bei Erweiterung seines Geständnisses eine geringere Freiheitsstrafe in Aussicht gestellt, jedoch nicht unter sechs Jahren.

Ob das Gericht dem 24-Jährigen glaubt, dass er nicht mehr wisse, ist eine der offenen Fragen. Die zweite Frage, die im Prozess zu klären ist, ist die nach dem Motiv: Handelt es sich um einen Fall von Beschaffungskriminalität, steht die Einweisung in eine Entzugsklinik im Raum. Dazu, ob der Angeklagte tatsächlich suchtkrank ist, soll am kommenden Dienstag ein Sachverständiger gehört werden. Dann kommt wohl auch die Verlobte des Angeklagten, die unter anderem über den Verbleib der Rolex Auskunft geben soll.

Ob am Dienstag – wie geplant – bereits das Urteil fällt, wird man sehen. Jedenfalls führt das Geständnis des Angeklagten dazu, dass „nicht an jedem einzelnen Fall rumgedoktert werden muss“, wie einer der Verteidiger es formulierte. Bei 174 Fällen hätte die Aufarbeitung wohl Monate gedauert.

DK