Konzertverein Ingolstadt
„Jeder muss sich damit auseinandersetzen“

Das Armida Quartett ist Botschafter der Initiative „Orchester des Wandels“ – Konzert in Ingolstadt am 14. Dezember

06.12.2022 | Stand 18.09.2023, 4:10 Uhr

Johanna Staemmler (35) ist Mitglied des Armida Quartetts, das 2012 beim ARD-Wettbewerb mit dem ersten Preis geehrt wurde. Das Quartett setzt sich mit dem Klimawandel auseinander. Foto: Armida Quartett

Frau Staemmler, wie kommt man eigentlich darauf, dass ausgerechnet die Musiker und die Orchester etwas für den drohenden Klimawandel tun sollen? Ist die Klassik-Szene ein besonders großer Klimasünder?
Johanna Staemmler: Es ist eher so, dass jeder, egal aus welcher Branche er kommt, sich mit dieser Frage auseinandersetzen muss. Jeder Mensch, der eine Bühne zur Verfügung hat, hat zudem eine besondere Verantwortung, gesellschaftliche Themen einzubeziehen. Uns brannte das Thema einfach extrem unter den Nägeln.

Wie kam es zu dem Projekt „Orchester des Wandels“?

Staemmler: Bei einem Meisterkurs haben wir Leute aus dem Vorstand dieses Vereins kennengelernt. Die haben erzählt, was sie machen und was sie vorhaben, und ich war sofort begeistert. Wir vom Armida Quartett wollten unbedingt unseren Teil dazu beitragen und natürlich auch inhaltlich mitarbeiten, und so kam es zu der Kooperation.

Wer hat sich an der Initiative bisher beteiligt?
Staemmler: Viele Orchester, es sind derzeit etwa 30, und es werden jeden Monat mehr. Wir werden auch noch internationaler werden.

Was für Projekte gehen Sie an?
Staemmler: Wir haben zunächst damit begonnen, unsere eigene Arbeit kritisch zu durchleuchten. Wir haben uns eine eigene Green Charta geschrieben, also einen Leitfaden, nach dem das Quartett arbeiten möchte. Diesen Leitfaden haben wir nun auch allen Veranstaltern übermittelt. Wir wollen sie dazu auffordern, ihre Strukturen zu überdenken. Und wir arbeiten auch an speziellen Klimakonzerten, Konzerten, die grundsätzlich nachhaltig aufgebaut sind.

Wie soll das ganz konkret aussehen?
Staemmler: Der wichtigste Punkt ist vielleicht das Reisen. Der fällt bei einem Orchester natürlich noch viel mehr ins Gewicht als bei einem kleinen Ensemble wie einem Quartett. Wir versuchen, möglichst nur noch mit dem Zug zu den Konzertorten zu fahren. Wo wir doch fliegen müssen, versuchen wir hinterher, den CO2-Ausschuss zu kompensieren. Das klappt auch ganz gut. Zumal wir Nachhaltigkeitsprojekte gefunden haben, die unmittelbar mit klassischer Musik zu tun haben. In Madagaskar etwa gibt es ein Projekt, wo Hölzer wieder aufgeforstet werden, die für den Instrumentenbau benötigt werden. Wir regen aber bei den Veranstaltern auch an, Programmhefte nicht mehr zu drucken, sondern vielleicht einen Beamer einzusetzen oder das Programm durch Musiker unseres Quartetts moderieren zu lassen. Es gibt auch schon Veranstalter, die das Konzertticket mit einem Ticket für den öffentlichen Nahverkehr kombinieren.

Kann das Thema Klima-Krise auch musikdramaturgisch aufgearbeitet werden?
Staemmler: Wir sind immer auf der Suche nach Stücken, die sich explizit mit dem Thema Natur beschäftigen. Das ist natürlich besonders in neuerer Zeit passiert. Es gibt aber kaum Werke, die sich speziell mit dem Klimawandel auseinandersetzten, deshalb denken wir hier über Auftragskompositionen nach.

Bekommen nicht die Werke der Musik in unserer Zeit der Krise eine andere Bedeutung? Kann man etwa das „Forellen-Quintett“ von Schubert noch mit der gleichen munteren Naivität spielen, wenn man weiß, dass Fisch und Bäche bedroht sind von Hitzewellen?
Staemmler: Ja, das stimmt. Man muss aber aufpassen, dass man die Musik da nicht mit Deutungen überlastet, die nicht zu ihr passen. Manche Assoziationen, die wir in unserer heutigen Zeit haben sind aber durchaus interessant. Uns ist vor allem wichtig, dass man das Publikum wirklich erreicht, und dass die Besucher von der Schönheit der Natur gefangen werden und sie erhalten möchten und sie nicht am Ende deprimiert den Saal verlassen.

Hat das Programm in Ingolstadt auch etwas mit der Klimathematik zu tun oder ist es nur einfach schöne Musik?
Staemmler: Es ist ein schönes Programm. Ich denke, wenn wir sensibel zuhören, dann hat eigentlich jedes Werk heute mit dem Klimawandel zu tun. Wir wollen nicht museal auftreten, sondern wir wollen zeigen, dass es immer noch aktuell ist, Mozart oder Schumann zu spielen. Weil es um das menschliche Empfinden geht, und das ändert sich nicht so stark über die Jahrhunderte. Ich glaube, dieses Programm ist sehr harmonisch und kann Kraft und Trost spenden.

Das Interview führte

Jesko Schulze-Reimpell.


Das Konzert des Konzertvereins Ingolstadt hätte in der Saison 2019/20 stattfinden sollen. Nun gastiert das Armida Quartett am 14. Dezember, 20 Uhr, im Ingolstädter Festsaal. Auf dem Programm stehen Werke von Mozart, Nikodijevic und Schumann. Kartentelefon: (0841) 72784.