Ingolstadt
Ein Mann, ein Wort

Albert Wittmanns "Deppenhaufen" passt zur politischen Stimmung

28.12.2018 | Stand 02.12.2020, 14:57 Uhr
Launiger Abschied aus dem Amt: Am 8. März nimmt Horst Seehofer auf der 60-Jahr-Feier der Ickstatt-Realschule seinen letzten öffentlichen Termin als bayerischer Ministerpräsident wahr. Mit seinem Bruder Dieter Seehofer erzählt er Anekdoten aus der Schulzeit. Beide haben in der einstigen Knabenrealschule die Mittlere Reife erlangt. −Foto: Foto: Hammer

Was macht eigentlich Alexander Zugsbradl?

Vermutlich haben viele Ingolstädter schon länger nicht mehr an den kurzzeitigen Chef des Klinikums gedacht. Bei einer Wahl des Ingolstädter Worts des Jahres 2017 wäre der von ihm über Twitter verbreitete "Pflaumenaugust" gewiss weit vorn dabei gewesen. Zugsbradl meinte damit Horst Seehofer. Das Wort des Jahres 2018 ist auch rasch gefunden. Konkurrenzlos. Es fällt in der Stadtratssitzung am 8. Februar: "Mei, is des ein Deppenhaufen", grummelt Bürgermeister Albert Wittmann (CSU) da halblaut. Ein Mann, ein Wort.

Ungünstigerweise geht es online, denn auf dem Tisch der Stadtspitze ist ein Mikrofon offen. Es gibt keine genauen Zahlen darüber, wie viele Zuhörer den Audiostream aus dem Stadtrat verfolgen, aber es sind in diesem Augenblick genügend, um einen Sturm der Erheiterung samt Wehklagen der Opposition auszulösen: Der Wittmann schon wieder! Der rechtfertigt sich: Er habe mit dem Deppenhaufen keinesfalls den Stadtrat gemeint, sondern damit auf eine private SMS reagiert. Der Begriff avanciert rasch zu einem running joke. Auch wenn Wittmann nur Deppen gemeint haben will, die ihn in seiner Freizeit plagen: Der Deppenhaufen passt zur Stimmung im Stadtrat. Hier regiert der Zorn. Flankiert von bleiernem Beleidigtsein auf beiden Seiten der Front.

Eine Konsequenz ist indes nicht witzig: Der Livestream geht offline. Aus Datenschutzgründen, sagt die Stadtverwaltung. Nach Wittmanns Fauxpas müssen alle Stadträte ihre Zustimmung zu der Direktübertragung erklären. 19 lehnen den Audiostream ab; wohl auch aus Sorge wegen Äußerungen, die sie aus Versehen ins Internet schicken könnten, spontane Beleidigungen etwa. Seither weist eine Stadt, in der sonst nichts digital genug sein kann, bei ihrer demokratischen Transparenz weit ins 20. Jahrhundert.

Schon 14 Veränderungen im Stadtrat
2018 setzt sich ein beliebter Trend fort: Das Wechseln auf Stühlen und Bilden neuer Bündnisse. 14 Veränderungen hat es im Stadtrat seit der Wahl 2014 schon gegeben. Im März gründet Henry Okorafor (der 2015 aus der Grünen-Fraktion geflogen ist) den Wählerverein Grün-Links Ingolstadt. Im Dezember darf er seine erste Haushaltsrede halten. In jener letzten Sitzung des Jahres ist Josef Rottenkolber nicht mehr dabei. Der beliebte, aber im Stadtrat immer sehr schweigsame Mailinger kehrt der CSU-Fraktion nach internen Differenzen den Rücken und scheidet aus dem Stadtrat aus. Michael Oblinger rückt nach.

Und noch eine Änderung: Ulrich Bannert, seit 1990 Stadtrat der Republikaner, wechselt zur AfD. Aus heutiger Sicht kann man den langjährigen Einzelstadtrat als Avantgarde bezeichnen. Denn nach der Kommunalwahl 2020 wird Bannert vermutlich nicht mehr allein sein.