Ingolstadt
Erziehermangel: Arbeitsmarktzulage nimmt erste Hürde

Finanz- und Verwaltungsausschuss stimmen knapp dafür – Stadtrat hat letztes Wort

25.05.2022 | Stand 22.09.2023, 22:55 Uhr

Eine Kindertagesstätte in Ingolstadt: Die Not, Erzieher zu bekommen, ist groß. Insgesamt fehlen allein an den städtischen Einrichtungen rund 90 Fachkräfte. Foto: Eberl

Von Marco Schneider

Ingolstadt – Es war ein knappes Votum im Finanz- und im Verwaltungsausschuss am Dienstagnachmittag. Nach längerer Diskussion stand es jeweils 7 : 6 Stimmen für eine Arbeitsmarktzulage für Kita-Fachkräfte. Das letzte Wort hat der Stadtrat kommende Woche.

Kita-Referent Gabriel Engert machte den Stadträten deutlich, warum es aus seiner Sicht eine Arbeitsmarktzulage für Kita-Fachkräfte braucht: „Das Personal ist nicht knapp, es fehlt.“ In Mailing stünde eine viergruppige Kita: „Die können wir nicht aufmachen, weil wir kein Personal haben.“ Die freien Träger in der Stadt hätten einen Aufnahmestopp im Herbst angekündigt – aus dem gleichen Grund. Auch wenn man vielerlei Maßnahmen habe – etwa Weiterbildungen bezahle – Ingolstadt werde nicht ohne diese Zulage auskommen, sagte Engert. Trotz heftiger Gegenwehr aus den umliegenden Kommunen: „Die Situation in der Stadt ist eine andere als auf dem Land“, so Engert. Nicht nur die höheren Lebenshaltungskosten, auch die überbelegten Kita-Gruppen, deren heterogene Zusammensetzung, die langen Öffnungs- und damit Arbeitszeiten. „Die Zulage hilft uns an dieser Stelle weiter“, zeigte sich Engert überzeugt.

Eva Bulling-Schröter (Die Linke) gingen die Initiativen der Stadt nicht weit genug. Ihre Gruppierung hatte vier ergänzende Anträge eingereicht, die im nächsten Sitzungslauf genauer beleuchtet werden sollen (Bericht über die Anträge folgt). „Kinder müssen uns etwas wert sein“, sagte Bulling-Schröter. Christian De Lapuente (SPD) nahm seine Kollegen in die Pflicht: „Wenn es zum Schwur kommt, sagen wir: Das kostet Geld.“ Es brauche nicht nur Sonntagsreden, man müsse handeln. AfD-Vertreter Lukas Rehm schloss sich daran an: „Wir müssen schauen, dass wir was tun.“ Er plädierte dafür, die Arbeitsmarktzulage nach vier Jahren zu evaluieren. Dann könne der 2026 zu wählende Stadtrat möglicherweise neue oder ergänzende Maßnahmen beschließen. Seine Forderung, die Zulage von zehn auf 15 Prozent zu erhöhen, fiel allerdings polternd durch.

Jakob Schäuble (FDP) mahnte an, dass man zu lange vernachlässigt habe, in die Ausbildung junger Menschen in diesem Bereich zu investieren. „Wir packen das Problem nicht an der Wurzel an.“ Die Zulage verlagere aus seiner Sicht nur das Problem. „Ohne eine Attraktivierung der Ausbildung lehnen wir das ab“, sagte Schäuble.

Jörg Schlagbauer (SPD) konterte: „Wir haben eine Verpflichtung als familienfreundliche Stadt.“ Die Zulage sei aus seiner Sicht die „Ultima Ratio“, es gebe aber keine andere Chance – auch im Blick auf die von Gabriel Engert ins Spiel gebrachten Lebenshaltungskosten. „Wer für Ingolstadt etwas leistet, muss sich Ingolstadt leisten können“, betonte Schlagbauer.

CSU-Fraktionschef Alfred Grob bewertete die Arbeitsmarktzulage aus Regionssicht „höchst unsolidarisch“. Das Problem des Erziehermangels ende nicht an den Ingolstädter Stadtgrenzen, „Eine ,Ultima Ratio‘, die ins Leere geht, macht keinen Sinn“, so Grob. Sein Fraktionskollege, Altbürgermeister Albert Wittmann, sagte: „Wir werden in einem halben Jahr feststellen: Es bringt nichts.“ Das Geld könne man sinnvoller investieren, sei es doch sowieso nicht im Überfluss da. „Was sagen wir denn zu den Pflegekräften?“ Auch derer gibt es zu wenige, auch sie hätten eine verdient. Angela Mayr (FW) fragte: „Was hat die Willkommensprämie gebracht?“ Barbara Leininger (Grüne) plädierte hingegen für die Zulage: „Die Bildung unserer nächsten Generation sollte uns allen am Herzen liegen.“

Oberbürgermeister Christian Scharpf (SPD) machte deutlich, dass es ihm auch nicht Freude bereite, die Zulage zu brauchen. „Das ist ein Versuch und wir müssen es versuchen.“ Er wolle im Herbst keinen Eltern sagen: „Wir können Ihr Kind nicht betreuen, weil uns das Personal fehlt.“ Wittmann prophezeite Scharpf, dass ihm das wohl nicht erspart bleiben werde: „Sie werden sich im Herbst hinstellen müssen.“

DK