Interview
ERC-Ingolstadt-Trainer Mark French: „Wir nehmen einen neuen Anlauf auf den Titel“

16.06.2023 | Stand 14.09.2023, 23:14 Uhr

Mark French dürfte noch viele Autogrammeauf ERC-Trikots schreiben: Der 52-Jährige hat seinen Vertrag bei den Panthern im vergangenen Dezember vorzeitig um zwei Jahre bis 2025 verlängert. Foto: Traub

Gleich in seinem Premierenjahr als Trainer des ERC Ingolstadt feierte Mark French mit den Panthern die Vizemeisterschaft in der Deutschen Eishockey-Liga (DEL). Im Sommerinterview mit unserer Zeitung spricht der Kanadier über die WM aus der Fan-Perspektive, Aufsteiger Wojciech Stachowiak, die Champions Hockey League, gestiegene Erwartungen, sein neues Team und ein altes Ziel.



Seit seinem Engagement bei Medvescak Zagreb in der Saison 2013/14 ist Mark French großer Kroatien-Fan. Die Pfingstferien verbrachte der 52-Jährige auf der dalmatinischen Insel Vis und in Dubrovnik. „Meine Familie und ich lieben den europäischen Lebensstil. Man setzt sich ins Auto und ist in wenigen Stunden in einer anderen Kultur. In Kanada muss man mitunter drei, vier Stunden fahren, nur um die nächste Stadt zu erreichen“, berichtet French lachend. In sechs Wochen jedoch ist die Urlaubszeit vorbei: Anfang August beginnt die gemeinsame Vorbereitung des ERC auf die neue Saison.

Das Interview im Wortlaut:

Herr French, Sie verbringen den Sommer in Ingolstadt, was für einen Nordamerikaner im Profieishockey ziemlich ungewöhnlich ist. Haben Sie keine gemütliche Ferienhütte an einem See in Ihrer Heimat Ontario?

Mark French: (grinst) Die einfache Erklärung lautet: Unser 14 Jahre alter Sohn geht hier zur Schule. Es ist wichtig, dass er das Schuljahr zu Ende bringt. Meine Frau ist nach Hause gefahren. Ich vermisse es, meine Eltern zu besuchen. Aber unsere 17-jährige Tochter besucht uns, sobald ihr Schuljahr drüben vorbei ist. Es gibt hier viel zu entdecken – also ist es sicher nicht schlimm, den Sommer in Ingolstadt und Bayern zu verbringen (lacht).

Was ist Ihr Lieblingsplatz in der Stadt?

French: Die Innenstadt. Wir sind umgezogen, sodass wir jetzt immer mit dem Fahrrad oder zu Fuß in ein Café kommen können. Außerdem zieht mich das Wasser an, ich sitze gerne am Fluss und entspanne mich.

Fällt es Ihnen leicht, im Urlaub abzuschalten? Oder denkt ein Trainer immer an Eishockey?

French: Nach der Saison habe ich ein, zwei Wochen gebraucht, bis der Druck abgefallen ist. Ich liebe die Weltmeisterschaften und habe versucht, sie als Fan anzuschauen, ohne auf Taktik und so etwas zu achten.

Hat das geklappt?

French: Zu einem gewissen Grad schon. Es hat geholfen, dass Deutschland so gut spielte und ein paar unserer Spieler in prominenten Rollen dabei waren. Da war es einfach, Fan zu sein. Das deutsche Team kann stolz auf sich sein.

Die tollen Leistungen von ERC-Stürmer und WM-Neuling Wojciech Stachowiak haben viele Fans überrascht. Sie auch?

French: Er hat sich wirklich in den Vordergrund gespielt. Bei Weltmeisterschaften geht es vor allem um Tempo, Technik und saubere Ausführung der Aktionen. „Wojo“ bringt all das mit, also hat es mich nicht allzu sehr überrascht. Auch Fabio Wagner und Leon Hüttl haben ihre Sache auf diesem Level hervorragend gemacht.

Stachowiak hat mit seinen Vorstellungen Interesse bei größeren Teams oder Ligen geweckt. Wie zuversichtlich sind Sie, dass er weiter in Ingolstadt spielt?

French: Mir ist nichts Gegenteiliges bekannt. Der Hunger nach Talenten und bislang eher unbekannten Spielern ist groß, daher kann ich mir vorstellen, dass der eine oder andere auf „Wojo“ aufmerksam geworden ist. Aber ich erwarte, dass er kommende Saison unsere Farben trägt.

Ist es aus Ihrer Sicht zunehmend ein Problem der WM-Turniere, dass die allermeisten Top-Stars zuletzt fehlten?

French: Ich habe die Medienberichterstattung dazu in Nordamerika nicht verfolgt. Doch als Fan und als Kanadier verstehe ich nicht, warum nicht mehr Spieler rüberkommen, um die WM zu spielen. Das ist schade. Es gab auch schon Turniere, bei denen fast alle Stars, die aus den NHL-Play-offs rausgeflogen waren, dabei waren.

Wie froh sind Sie, dass das komplette Trainerteam um Maritta Becker, Brad Tapper und Varian Kirst bei den Panthern bleibt?

French: Wenn einer meiner Co-Trainer irgendwo anders einen Chefposten angenommen hätte, hätte sich jeder für ihn gefreut. Aber egoistisch betrachtet bin ich sehr froh, dass wir alle weiter zusammen arbeiten.

Bei Ihrer Mannschaft hat es einige Wechsel gegeben, inzwischen sind die Panther für 2023/24 fast komplett. Wie zufrieden sind Sie mit Ihrem Team?

French: Tim (Sportdirektor Regan, d. Red.) hat aus meiner Sicht wieder eine gute Mannschaft zusammengestellt. Er sucht auch immer den Dialog mit uns Trainern, fragt nach unseren Vorstellungen und gewünschten Spielertypen. Tim hat das letzte Wort, aber wir arbeiten exzellent und gründlich zusammen. Ich bin zufrieden mit dem Prozess. Aber natürlich ist es immer eine Sache, die Mannschaft auf dem Papier zu betrachten, und eine andere, sie dann auf dem Eis zu sehen.

Gibt es einen speziellen Spieler, auf den Sie besonders gespannt sind?

French: (überlegt) Ich bin vor allem auf die jungen Spieler gespannt. Jemand wie Luca Zitterbart, der im vergangenen Jahr ein guter DEL-Verteidiger in Düsseldorf war, will bei uns den nächsten Schritt machen. Ich freue mich darauf, diese Spieler zu treffen und ihre Entwicklung zu sehen. Das war auch im vergangenen Jahr ein Faktor unseres Erfolges.

103 Punkte, Tabellenplatz zwei und die Vizemeisterschaft – das wird schwer zu wiederholen sein. Wie gehen Sie mit den gestiegenen Erwartungen um – den eigenen, aber auch denen der Fans?

French: Die neue Saison muss man getrennt von der alten betrachten. Wir haben natürlich unsere Vorstellungen, wie wir spielen wollen, aber man darf nicht total starr an seinem System festhalten. Gegebenenfalls muss man Nuancen verändern, wenn es dem Team hilft. Aber es ist großartig, einen neuen Anlauf auf die Meisterschaft zu nehmen. Dafür wollen wir uns eine gute Ausgangsposition erspielen, das will jedes Team. Wir wissen, dass dafür viele Schritte und viel Arbeit nötig sind, aber wir machen keinen Hehl daraus, dass wir das Maximum erreichen wollen.

Ein großer Baustein des Erfolgs waren der Zusammenhalt und die gute Stimmung in der Kabine. Kann man solch einen Teamgeist einfach wiederholen oder wiederbeleben?

French: Ich denke nicht, dass das automatisch wieder passiert, nur weil es im Vorjahr so war. Es wird sicher anders sein. In der vergangenen Saison waren vor allem unsere Führungsspieler für die Atmosphäre verantwortlich, sie haben unsere Teamkultur entwickelt. Diese Spieler sind überwiegend an Bord geblieben, also bin ich zuversichtlich, dass es ihnen wieder gelingt, einen guten Zusammenhalt zu schaffen.

Speziell die Eisbären Berlin und die Adler Mannheim, aber auch die Grizzlys Wolfsburg oder die Düsseldorfer EG haben mit starken Verpflichtungen aufhorchen lassen. Es wird also nicht einfacher, einen Top-Sechs-Platz zu erreichen.

French: Nein, wird es nicht. Wir haben aus meiner Sicht zwar auch ein paar kluge Transfers gemacht, aber die Konkurrenz lässt sicher nicht locker. Für uns kommt es darauf an, eine gute Vorbereitung zu haben und uns körperlich sowie mental in eine gute Verfassung zu bringen, um Spiele zu gewinnen.

Die ersten Härtetests warten Ende August/Anfang September in der Champions Hockey League. Betrachten Sie die CHL eher als gutes Testturnier vor dem DEL-Start, oder nehmen Sie den Wettbewerb richtig ernst?

French: Es ist eine wirklich tolle Herausforderung, und so nehmen wir die CHL auch an. Wir spielen quasi eine Saison in der Saison, woran ich persönlich nicht gewöhnt bin. Varian hat von uns Trainern vermutlich die meiste CHL-Erfahrung, er war mit den Vienna Capitals mehrmals dabei. Es wird anspruchsvoll, in beiden Wettbewerben hervorragende Leistungen zu zeigen, aber das ist unser Ziel. Mit den Gegnern bin ich noch nicht sonderlich vertraut. Aber deswegen gehen wir es nicht ängstlich an, sondern nehmen die CHL als Herausforderung an.

DK