Claus Liedy im Interview
ERC-Geschäftsführer über die Saison, den Zuschauer-Boom und das neue Dauerkartenmodell

07.04.2024 | Stand 07.04.2024, 22:52 Uhr

Viel Erklärungsbedarf hatten und haben Claus Liedy und die Verantwortlichen des ERC Ingolstadt in Bezug auf das neue Dauerkartenmodell für die kommende Saison. Saisonticket-Inhaber können nun eine Pauschale für die Play-offs wählen. Foto: Traub

Trotz der schwachen Hauptrunde des ERC Ingolstadt fällt Claus Liedys Saisonfazit versöhnlich aus – was vor allem an der starken Fan-Unterstützung und den guten Zuschauerzahlen liegt. Warum er die Spielzeit nicht als Rückschritt sieht und das neue Dauerkartenmodell „attraktiv“ findet, erklärt der 60 Jahre alte Geschäftsführer im Interview.


Herr Liedy, der Bremerhavener Sportdirektor Alfred Prey rief nach der Viertelfinalserie gegen den ERC beim DONAUKURIER an und richtete Dankesworte an das faire Ingolstädter Publikum. Sie haben den entsprechenden Artikel in einem Sozialen Netzwerk geliked. Verstehen Sie Preys Lob auch als Auszeichnung für den gesamten Klub?
Claus Liedy: Zunächst einmal: Alfred Prey ist ein echter Gentleman im deutschen Eishockey, das hat er durch den Anruf einmal mehr dokumentiert. Die beiden Klubs haben ein sehr freundschaftliches Verhältnis. Das drückt sich auch darin aus, wie sich die beiden Fanlager bei solchen Spielen verhalten. Bremerhaven hat eine tolle Runde gespielt und die Serie am Ende auch verdient gewonnen. Ich freue mich, dass unser Publikum eine solch herausragende sportliche Leistung anerkennt. Insofern gilt ein großes Lob auch unseren Fans.

Gönnen Sie den Pinguins nun auch den Titel?
Liedy: (lacht) So wie sie das ganze Jahr gespielt haben, kann ich mir das gut vorstellen. Es würde mich freuen für den Klub.

Was waren aus Ihrer Ingolstädter Sicht die Höhepunkte der Saison? Und womit waren Sie nicht zufrieden?
Liedy: Ein Höhepunkt war, dass wir ganz tolle Zuschauerzahlen hatten, sicher auch begünstigt durch die Erfolge der vergangenen Saison. Dann sind wir sehr gut in die Champions League gestartet. Das hat großen Spaß gemacht, vor allem mit der großartigen Unterstützung unserer Fans, auch auswärts. Leider ging es dann in der Hauptrunde ein bisschen holprig los und nicht so, wie wir uns das gewünscht hatten. Am Ende müssen wir mit dem Einzug ins Viertelfinale zufrieden sein. Ein Klub wie der ERC Ingolstadt kann nicht den Anspruch haben, jedes Jahr ins Finale zu kommen.

Im Vorjahr gelangen der Finaleinzug und eine Rekord-Hauptrunde, Talente aus dem eigenen Nachwuchs schnupperten bei den Profis rein. Auch wenn der Vergleich vielleicht ein bisschen unfair ist: War diese Saison insgesamt ein Rückschritt?
Liedy: Nein. Im vergangenen Jahr hat wirklich alles gepasst. Trotz der enormen Anzahl von Verletzten haben wir Spiele gewonnen, das konnten wir uns manchmal selbst kaum erklären. Die jungen Spieler, die durch die Ausfälle zwangsläufig spielen mussten, haben ihre Sache auch noch hervorragend gemacht. Wenn man auf den Nachwuchs schaut, erzielen Billy Trew und Artur Grass mit ihren Mannschaften tolle Erfolge. Sportdirektor Tim Regan und Trainer Mark French integrieren einige Spieler auch immer wieder ins Training der Profis. Von daher würde ich keinesfalls von einem Rückschritt sprechen.

Der ERC begrüßte in der abgelaufenen Saison fast 550 Zuschauer mehr pro Heimspiel in der Saturn-Arena, im Schnitt waren es 4220 Fans. Ist das nur durch die Vizemeisterschaft 2023 und WM-Silber der Nationalmannschaft zu erklären?
Liedy: Die Basis vom vergangenen Jahr war natürlich auch extrem niedrig, was sich durch den sportlichen Erfolg nicht wirklich erklären lässt. Das aktuelle Plus ist eine Rückkehr dahin, wo wir alle den ERC sehen wollen. Ich freue mich besonders, dass Eishockey insgesamt auf dem Vormarsch ist. Man sieht das auch an allen anderen Standorten. Begünstigt durch die starken Leistungen der Nationalmannschaft, die Fans honorieren das.

Eröffnet das Mehr an Ticketeinnahmen zusätzliche finanzielle Spielräume für 2024/25?
Liedy: Wir müssen jedes Jahr schauen, dass wir für die neue Saison einen ausgeglichenen Haushalt darstellen können, um den Klub so gesund zu erhalten, wie er – Gott sei Dank – im Moment ist. Wir freuen uns also über Mehreinnahmen im Ticketing. Allerdings können wir die auch gut gebrauchen, denn alle anderen Kostenpositionen sind enorm gestiegen. Wir werden auch zukünftig einen verantwortungsvollen Etat aufstellen, der Tim Regan die Möglichkeit gibt, eine gute Mannschaft zu bauen.

Können Sie angesichts der massiv gestiegenen Kosten nachvollziehen, dass ein Klub wie die Düsseldorfer EG in Nöte kommt?
Liedy: Die Kosten sind nicht nur beim ERC gestiegen, sondern mit Sicherheit auch bei allen anderen DEL-Klubs. Das kann ich gut nachvollziehen. Ansonsten kenne ich die Situation bei der DEG nicht.

Mit Claudius Rehbein verlässt Ihr Marketing- und Kommunikationschef nach zehn Jahren den ERC. Seine Stelle soll nicht nachbesetzt werden – wie werden die Aufgaben intern verteilt?
Liedy: Endgültig wissen wir noch nicht, wie wir vorgehen. Im Moment ist es tatsächlich so, dass wir die Arbeit unter den verbliebenen Mitarbeitern aufteilen. Claudius hat zehn Jahre lang viel Arbeit für den Klub geleistet. Dass so jemand eine Lücke reißt, ist völlig klar. Aber wir werden eine Lösung finden, wie wir das gute Marketing fortführen, an dem unsere Fans Freude haben.

Für Aufregung und viele Diskussionen hat das neue Dauerkartenmodell gesorgt, das zur kommenden Saison in Kraft tritt. Für die Play-offs wird nun eine Pauschale fällig, anstatt jedes Spiel einzeln abzurechnen. Das kann – je nach Erfolg in der K.-o.-Runde – zum Draufzahlgeschäft für den Dauerkarteninhaber werden. Warum haben Sie sich dazu entschlossen?
Liedy: Die Option, Play-off-Spiele einzeln zu buchen, gibt es grundsätzlich weiterhin. Die Dauerkarteninhaber werden ihren Platz in der Arena zeitlich begrenzt reserviert haben. Erst wenn sie den Platz nicht aktiv buchen, geht die Karte in den freien Verkauf. Es besteht also die Möglichkeit, weiterhin mehr oder weniger ähnlich vorzugehen wie in der Vergangenheit.

Warum dann die Pauschale?
Liedy: Für uns war ganz wichtig, das Dauerkarten-Ticketing zu automatisieren und dessen Verwaltung zu verschlanken. Play-off-Spiele finden im Zwei-Tages-Rhythmus statt. Rechnungsstellung, Abbuchung, Kontrolle der Zahlungseingänge – das ist alles ein riesiger Aufwand, den wir so nicht mehr leisten können. Nun hat der Fan also die zusätzliche Möglichkeit, die Pauschale zu buchen. Diese wird an der durchschnittlichen Zahl der Play-off-Heimspiele der vergangenen zehn Jahre bemessen. Wer die Pauschale hat und der ERC kommt weiter als ins Viertelfinale, hat die restlichen Spiele frei. Das ist aus meiner Sicht ein attraktives Modell.

Merken Sie einen Unterschied bei den Frühbuchern? Werden weniger Dauerkarten mit Play-off-Option gebucht?
Liedy: Das lässt sich noch nicht sagen. Erfahrungsgemäß bucht die Mehrheit unserer Fans die Dauerkarte im Lauf der Frühbucherphase. Die läuft aber noch bis Ende Mai. Bei den Buchungen, die wir schon haben, stellen wir fest, dass die Play-off-Buchungen leicht zurückgehen.

Wird sich rechtzeitig zur neuen Saison im September am Parkplatzproblem rund um die Saturn-Arena etwas ändern?
Liedy: Wir hoffen, dass das neue Parkhaus fertig wird. Aktuell ist der Bau wohl im Plan. Wenn im September die Saison losgeht, sollte es wohl maximal ein, zwei Monate später so weit sein.