Ingolstadt
Ein Bilderbuch der Geistesgeschichte

„Stadt und Student“: Zentrale Ausstellung zur 550-Jahr-Feier der Landesuniversität Ingolstadt

17.06.2022 | Stand 22.09.2023, 22:09 Uhr

Besucher dürfen sich auch hinter den Katheder stellen, so wie Stephanie Righetti-Templer. Weitere Mitmach-Objekte sind ein Kettenbuch und Kästchen mit Räuchermischungen gegen die Pest – für Arme und Reiche. Fotos: Pehl

Das wertvollste Objekt erblickt der Besucher schon, bevor er die Ausstellung „Stadt und Student“ überhaupt betreten hat: das Zepter der Artistenfakultät der alten Uni Ingolstadt aus dem Jahr 1642. Diese kostbare Leihgabe aus dem Archiv der Uni München lässt erahnen, welche Bedeutung Bayerns erste Landesuniversität hatte, bevor sie 1800 nach Landshut und dann in die Landeshauptstadt verlegt wurde. Zum 550-jährigen Bestehen präsentieren Stadtarchiv und Stadtmuseum die zentrale Ausstellung zur Geschichte dieser Bildungsinstitution, wobei ein Schwerpunkt auf dem universitären und studentischen Leben liegt.

Als Herzog Ludwig der Reiche 1472 in der Hohen Schule die Landesuniversität ins Leben rief, sollte sie allen Landeskindern zugute kommen – und so auch des Herzogs Regierung. Zahlreiche Studenten und Professoren, darunter berühmte Namen, erfüllten die vier Fakultäten mit Leben. Dementsprechend überbordend ist auch die Fülle des Materials, aus der Kuratorin Stephanie Righetti-Templer für ihre erste Ausstellung schöpfen konnte – und mindestens genauso schwer war es für sie, daraus das Wichtigste herauszusuchen, ohne die Besucher zu überfordern. „Mir kommt zugute, dass ich zehn Jahre Museumspädagogin war. Ich kenne die Aufmerksamkeitsspannen“, erzählt die promovierte Historikerin, die natürlich gleichzeitig den wissenschaftlichen Ansprüchen genügen muss. Stephanie Righetti-Templer hat dieses Dilemma mutig und durchaus kreativ sowie pädagogisch ansprechend gelöst. Sie wendet sich nicht nur an die Experten, die ohnehin schon viel wissen, sondern geht von all denen aus, die sich in der Materie nicht so gut oder kaum auskennen. „Ich fange praktisch bei Null an“, erzählt sie – und das hat sie tatsächlich umgesetzt. Auf einer großen, grünen Tafel im ersten Raum fasst sie die Gründung der Landesuniversität in vier Sätzen zusammen. Das wars. Zu sehen sind noch zwei hellgraue große Tafeln als Vertiefung mit Texten zu Ludwig dem Reichen und zum Georgianum und ein großes Bild, das das Stifterblatt aus dem Matrikelbuch der Uni zeigt. Klar strukturiert und designt von Alexander John. Und dieses Strukturprinzip zieht sich in erweiterter Form durch alle Räume.

„Es ist ein optischer Zugang“, lobt auch Direktorin Beatrix Schönewald das Konzept: „Man geht durch die Ausstellung wie durch ein Bilderbuch.“ Gezeigt wird vor allem das studentische Leben und das (nicht immer konfliktfreie) Verhältnis von Studenten und Stadt samt den Auswirkungen (Musik, Krankheiten, Apotheken, Buchdruck). Wie Schönewald hervorhebt, wird das Jubiläum der Landesuniversität in allen vier Häusern des Zentrums Stadtgeschichte zum Gegenstand gemacht: Neben dem Kavalier Hepp im Fleißerhaus (Bildung von Mädchen und Frauen), in der Hohen Schule, wo das Gebäude selbst im Mittelpunkt steht, und in Kürze auch im Bauerngerätemuseum, wo Episoden aus der Tiermedizin beleuchtet werden. Nicht zu vergessen natürlich das Deutsche Medizinhistorische Museum, das einen ganzen Sommer mit dem Botaniker Leonhard Fuchs präsentiert, nach dem die Fuchsien benannt wurden.

Wer mit offenen Augen durch die Sonderausstellung geht, wird etliche Kostbarkeiten entdecken: eine Abschrift der Gründungsurkunde aus dem 15. Jahrhundert in einem leider sehr schlechten Zustand, Uni-Siegel, eine farbenprächtige Promotionsurkunde von 1720, Truhen der Fakultäten, das Matrikelbuch der Uni, der Ingolstädter Apothekereid oder ein Mensurdegen, der in der Altstadt gefunden wurde.

Informativ und reich bebildert ist auch der Katalog zur Ausstellung „Stadt und Student“, der sich eng an das Ausstellungskonzept anlehnt. Dargestellt werden die Gründung der Uni und ihre Verfassung, berühmte Professoren und natürlich das studentische Leben in deren Freizeit sowie die oft grausamen Einführungsriten. Lang ist die Liste der Vergehen: Ruhestörung und unziemliches Zechen waren noch harmlos, es gab auch sexuelle Übergriffe sowie Auseinandersetzungen bis hin zu Totschlag. Ein eigenes Kapitel ist dem Karzer gewidmet. Erst vor wenigen Jahren entdeckt, dürfte er nach heutigem Stand der älteste in Deutschland sein, nachdem es gelang, Einritzungen in Mauern und Balken zu entschlüsseln und mit Namen von Immatrikulierten abzugleichen. Schließlich darf auch das Schlusskapitel nicht fehlen, die Verlegung der Uni im Jahr 1800 nach Landshut.

DK