1. bis 10. März
Drag-Queens und Diskurse: Das bietet das zweite Fem*Festival in Ingolstadt

30.01.2024 | Stand 31.01.2024, 19:58 Uhr

„Headlined“: Die Vernissage von Anke Stiller eröffnet das zweite Fem*Festival. Foto: Burkatzi

Das Fem*Festival in Ingolstadt, das aus der Veranstaltungsreihe „Der Oktober ist eine Frau“ hervorgegangen ist, richtet sich nicht nur an und dreht sich nicht nur um Frauen. „Es geht auch um einen erweiterten Begriff von Gleichstellung“, sagt Kulturreferent Gabriel Engert in der Pressekonferenz zur Programmvorstellung.



„Viele glauben, das Thema sei schon durch. Aber genau weil es wieder politische Bestrebungen gibt, die sich dem entgegenstellen, ist das Fem*Festival so wichtig.“ Besagte politische Bestrebungen nahmen schon in der Vergangenheit besonders einen Programmpunkt ins Visier: eine Kinderbuchlesung.

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Die Dragqueen Vicky Voyage und der Dragking Eric BigCl!it lesen am 4. März in der Fronte 79 aus Kinderbüchern, die alle Arten von Heldinnen und Helden in den Mittelpunkt rücken. „Ein Tag im Leben des Marlon Bundo“, „Der Junge im Rock“ oder „Puppen sind doch nichts für Jungen“. Diese Veranstaltung sorgte im Juni 2023 in München für Aufruhr.

Dort hatten Vertreter der AfD, der CSU, aber auch Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger gefordert, die Lesung abzusagen – aus Angst vor angeblicher „Kindeswohlgefährdung“ oder „Indoktrination“. Schlussendlich stellten sich am Tag der Lesung in München rund 500 Personen des Bündnisses „München ist bunt“ mit Regenbogenfahnen 200 Demonstrierenden aus dem AfD-nahen Spektrum entgegen.

Auf die Frage aus dem Plenum, ob das Festival trotz allem hinter dieser Veranstaltung stehe, folgt eine glühende Verteidigung von verschiedenen Seiten. „Bei dieser Veranstaltung geht es darum, dazu zu stehen, wie ich bin und eben nicht um Indoktrination“, sagt Engert.

Matthias Neuburger vom Kulturamt pflichtet ihm mit Nachdruck bei: „In der Lesung geht es nicht um sexuelle Inhalte.“ Kulturamtsleiter Tobias Klein ergänzt: „Das Auftreten der Dragqueens ist nur ein Angebot, so zu sein, wie man will. Keine Aufforderung.“

Zum ersten Mal ein Sportworkshop dabei



Genau wie die Lesung an sich nur ein Angebot sei, das niemand annehmen müsse. Gabriel Engert schließt mit der Bemerkung: „Diese Veranstaltung hat vorher schon ohne Reaktionen stattgefunden. Da muss man sich schon fragen, ob es dann dabei um die Veranstaltung geht, oder um die politischen Inhalte, die transportiert werden sollen.“

Die Kinderbuchlesung ist jedoch nur ein Programmpunkt in einem vielseitigen Potpourri, das verschiedene Akteurinnen und Akteure verbindet und beispielsweise in diesem Jahr zum ersten Mal auch einen Sportworkshop einschließt.

Matthias Neuburger betont: „Die Programmgestaltung ist so fluide wie die Themen Feminismus und Gleichstellung.“ Wichtig war den Organisatorinnen und Organisatoren wie in der erfolgreichen ersten Ausgabe auch schon, Diskursmöglichkeiten neben den künstlerischen und kulturellen Angeboten zu schaffen.

Patriarchale Strukturen aufdecken und hinterfragen



„Und wir merken, dass das Fem*Festival bereits überregional ausstrahlt, uns andere Kommunen beglückwünschen.“ Zwischen 1. und 10. März finden vielfältige Veranstaltungen aus der Kunst- und Kulturszene statt: Theater, bildende Kunst, Performance, Musik, Literatur und Tanz. Diskursive Veranstaltungen und interaktive Workshops wollen dazu einladen, den eigenen Blick zu erweitern und patriarchale Strukturen aufzudecken und zu hinterfragen.

Das Fem*Festival schließt am 10. März mit einer Künstlerin, die sich mit ihrer Sprache und Musik selbst große Sichtbarkeit in sozialen Netzwerken erarbeitet hat: Clara Louise.

Schreiben ist für sie eine Notwendigkeit. Schon mit 13 Jahren hat sie angefangen, Gedichte als eine Art Tagebuchersatz zu schreiben. Wenig später kam dann die Musik dazu. Heute ist sie 31 Jahre alt und ist mit ihrem Programm „Musik & Poesie“ in ganz Deutschland unterwegs. Und nach wie vor sei das Schreiben für sie heilsam, erzählt die Österreicherin.

Sprache: Werkzeug für Sichtbarkeit



„Erst habe ich nur den musikalischen Weg eingeschlagen, aber 2018 habe ich mich dazu entschieden, auch meine Gedichte zu veröffentlichen.“ Seitdem hat Clara Louise fünf Gedichtbände veröffentlicht und erreicht auf Instagram mit ihren kurzen Gedichtausschnitten und Zitaten über 150 Tausend Menschen.

Am 10. März spielt sie in einer Duo-Formation mit ihrem Bandkollegen David Binderberger im Kulturzentrum neun. Dem Konzert geht ab 19 Uhr ein Podiumsgespräch zu den Themen „Space, Gender, Diversity“ voraus. Es geht um Sichtbarmachung, Sicherheit, (Selbst-)Zensur und Bedürfnisse im öffentlichen Raum.

Für Clara Louise ist Sprache ein wichtiges Werkzeug, wenn es um Sichtbarkeit geht: „Sprache hat eine große Kraft“, sagt sie. „Auch in wenigen Worten kann eine kraftvolle Botschaft verpackt sein. Das sehen wir, wenn Menschen auf Demonstrationen Plakate beschriften. Sprache ist nach wie vor relevant.“

Die Inspiration zu ihren Texten kommt ihr in verschiedensten Situationen, manchmal auch dann, wenn sie es gar nicht unbedingt gebrauchen kann. „Das kann bei einem Gespräch sein, beim Fernsehen, unterwegs, wenn ich etwas lese oder sehe.

Und dann muss ich mir kurz eine Notiz machen, damit das nicht verloren geht und ich später daran weiterschreiben kann.“ Wenn sie neue Lieder schreibt, kommt ihr erst die Melodie. Und wenn Clara Louise dann die Gitarre in der Hand hat und herumprobiert, dann kommen die ersten Worte.

„Das Schreiben passiert einfach“



„Die wollen dann raus. Manchmal passen sie noch gar nicht zusammen, aber während des Schreibens merke ich dann schon, in welche Richtung es geht.“ Weil sie schon so lange schreibt und Musik macht, hat die Wahl-Salzburgerin mittlerweile ein Urvertrauen in ihre eigene Inspiration entwickelt. „Das ist ein Gefühl, das man schlecht beschreiben kann. Das Schreiben passiert einfach.“

Am liebsten schreibt sie morgens nach dem Aufstehen, da ist sie am kreativsten. „Da fühle ich mich noch unbelastet vom Tag.“ Wichtig sei es vor allem, wenn man professionell kreativ sein muss, sich die Essenz der eigenen Kreativität zu bewahren. Nicht zu viel darüber nachzudenken, wie etwas beim Publikum ankommen könnte. „Je verkopfter man wird, desto schwieriger ist, es kreativ zu sein.“