Nach Flucht vorm Krieg
Ukrainerin will in Ingolstadt als Zahnärztin arbeiten - Harter Weg ans Ziel

17.01.2023 | Stand 17.09.2023, 5:21 Uhr
Sabine Kaczynski

Assistentin statt Zahnärztin: Anna Yevtushenko betrachtet ihren Job als neue Perspektive. Foto: bfz

Die Ukrainerin Anna Yevtushenko ist wegen des Krieges aus der Ukraine geflüchtet und in Ingolstadt gelandet. Hier will sie Zahnärztin werden - doch der Weg dahin ist nicht leicht.



Zu Beginn des Krieges in der Ukraine hatte die 44-jährige Anna Yevtushenko aus Charkiw gar nicht vor, nach Deutschland zu kommen. Doch die Situation eskalierte schnell: „Es gab nahe Bombeneinschläge, unser Haus wurde zerstört und gerade in den Anfängen des Konflikts sind viele Kinder gestorben“, blickt die studierte Zahnärztin auf die schrecklichen Ereignisse zurück.

„Ich hatte furchtbare Angst um meine Tochter Martha und wollte sie schützen. Deshalb habe ich mich zur Flucht entschieden.“ In einem völlig überfüllten Zug kam sie über Polen nach Ingolstadt. Inzwischen leben Mutter und ihre zehnjährige Tochter in Wettstetten bei einer deutschen Familie, die die beiden nach Kräften in allen Belangen unterstützt. Dafür ist die Ukrainerin unendlich dankbar, denn so kann sie sich auf ihr ehrgeiziges Ziel konzentrieren, in Deutschland als Zahnärztin zu praktizieren.

Für Medizinberufe C1-Sprachniveau

Doch der Weg dorthin ist lang und hart. Auf der einen Seite steht das Erlernen der deutschen Sprache. Derzeit absolviert Yevtushenko einen Integrationskurs mit Zielsprachniveau B1 und beantwortet die Fragen bereits in einem sehr ordentlichen Deutsch. „Nach der Prüfung Mitte Februar stehen der B2-Kurs und im Anschluss das sogenannte C1-Sprachniveau für Medizinberufe auf dem Programm, die sie ebenfalls beide bestehen muss“, beschreibt Neda Ghasemi, die Yevtushenko als Jobbegleiterin der Beruflichen Fortbildungszentren der Bayerischen Wirtschaft (bfz) unterstützt, die nächsten Schritte.

Auf der anderen Seite warten die beruflichen Herausforderungen: Um als Zahnärztin arbeiten zu können, braucht die Ukrainerin eine Berufserlaubnis sowie die staatliche Approbation. „Das Anerkennungsverfahren wurde bereits eingeleitet, eine Antwort ist jedoch erst innerhalb der nächsten Monate zu erwarten“, so Ghasemi, die vermutet, dass rund ein bis zwei Jahre ins Land gehen, bis alle Prüfungen durchlaufen und die erforderlichen Voraussetzungen für das Praktizieren als Zahnärztin geschaffen sind. Um inzwischen in Deutschland praktische Erfahrung zu sammeln, arbeitet Yevtushenko in Teilzeit als Zahnarztassistentin in einer Praxis. „Ich bin dankbar, dass ich diesen Job ausüben kann. Dadurch integriere ich mich nicht nur schneller, sondern lerne auch die deutsche Sprache und eine andere Perspektive meines Berufs kennen. Das ist sehr interessant“, sagt die Ukrainerin, deren Alltag mit Deutschkurs, Arbeit, Kinder- und Hausaufgabenbetreuung, Kochen, Haushalt und Lernen randvollgepackt ist. Freizeitaktivitäten wie Spaziergänge oder ein Kinobesuch sind nur am Wochenende möglich.

Tochter Martha hat starkes Heimweh

Tochter Martha besucht aktuell eine Klasse für ukrainische Kinder im Christoph-Scheiner-Gymnasium – „mit der Option, in die reguläre sechste Unterrichtsstufe übernommen zu werden“, so Yevtushenko und Ghasemi ergänzt: „Sie hat sehr gut Deutsch gelernt, spricht prima Englisch und ist auch in Mathematik sehr gut.“ Doch das Mädchen kämpft auch mit starkem Heimweh und ist noch immer traumatisiert: „Sie glaubt, dass sie eines Tages zurück in die Ukraine kann und alles so ist wie früher“, sagt ihre Mutter, für die ein Zurück jedoch nicht infrage kommt. Yevtushenko ist überzeugt, dass die Ukraine ihrer Tochter auch nach Kriegsende nicht die Sicherheit und Perspektiven bieten kann wie Deutschland. Dass ihre Tochter oft traurig ist und sich nach der Heimat sehnt, belastet die 44-Jährige sehr – und sie hat noch weitere Sorgen: Die erneute Bombardierung ihrer Heimatstadt Charkiw schürt die Angst um ihre Mutter, die dort lebt und „die Einschläge aus nächster Nähe miterlebt hat“, wie Yevtushenko erzählt, deren Ehemann sich ebenfalls noch in der Ukraine befindet. „Aber ich versuche, mich auf mein neues Leben und unsere Zukunft zu konzentrieren, die ich für meine Tochter Martha aufbauen möchte. Dafür muss ich optimistisch und stark bleiben“, beschreibt sie ihren emotionalen Zwiespalt.

„Als richtige Familie hier leben“

Und wie stellt sich Anna Yevtushenko diese Zukunft vor? „Ich möchte als Zahnärztin arbeiten und für meine Tochter den richtigen Platz in der Schule finden. Und natürlich hoffe ich, dass mein Mann irgendwann nach dem Kriegsende zu uns nach Deutschland kommen kann, damit wir als richtige Familie hier leben können“, lautet ihr größter Wunsch.

DK