Die Tücken der Leistungsgesellschaft

Doppelshow in der Ingolstädter Eventhalle: Inka Meyer trifft auf Claudia Pichler

26.01.2023 | Stand 17.09.2023, 4:35 Uhr

Inka Meyer ist Fährtenleserin im Dickicht der Moderne und gastiert mit ihrem Programm „Zurück in die Zugluft“ am 3. Februar in Ingolstadt. Foto: Büttner

Ingolstadt – Die besten Geschichten – davon ist Inka Meyer überzeugt –, schreibt nicht das Leben, sondern eine Autorin oder ein Autor. „Das bedeutet für mich: lesen, lesen, lesen! Ich liebe Bibliotheken. Dank meiner verschiedenen Wohnsitze gondele ich tatsächlich zwischen drei Bibliotheken hin und her – und verwechsle dabei gerne mal die Ausweise und Verlängerungen, was gelegentlich zu Verwirrungen beim Personal führt“, erzählt sie im Interview. Umfangreiche Recherchen hat sie also in Frankfurt und Tübingen getätigt für ihr Programm „Zurück in die Zugluft“, das sie am Freitag, 3. Februar, in der Eventhalle zeigt. In der Reihe „Zum Lachen in den Keller“ trifft sie dann auf ihre Kollegin Claudia Pichler und deren Programm „Eine Frau sieht weißblau“.

Frau Meyer, „Zurück in die Zugluft“ heißt Ihr Programm. Natürlich denkt man dabei sofort an Robert Zemeckis „Zurück in die Zukunft“-Trilogie und Marty McFly. Was hat Ihr Programm damit zu tun? 
Inka Meyer: Inhaltlich gar nichts. Ein 90-minütiges Programm über Zeitreisen wäre wahrscheinlich auch eine sehr spekulative Veranstaltung. Und Kabarett soll ja die Realität der Menschen spiegeln, wenn auch in einem unterhaltsamen Licht. In diese Richtung ist auch der Titel zu interpretieren: Wir müssen raus aus den Schneckenhäusern und uns dem Leben stellen. Und dabei hilft uns der Humor! Ich schicke die Menschen also auch auf eine Reise, aber nicht durch die Zeit, sondern auf eine Suche nach dem verlorenen Spaß. Und an diesem Punkt treffen sich Zemeckis Film und mein Programm: Am Ende gibt es ein Happy End.

Was für Themen greifen Sie auf?
Meyer: Um nur wenige Schlagworte zu nennen: Es dreht sich in meiner Show viel um aktuelle Fragen wie zeitgemäße Familienmodelle, nachhaltigere Lebensgestaltung, neue Generationenkonflikte und Formen von Alltagssexismen. Doch ein besonderer Fokus liegt auf den Tücken unserer Leistungsgesellschaft, dem Arbeitsstress, der damit einhergeht, und welche Resilienz-Strategien hier zur Anwendung kommen. Und selbstverständlich sind auch Themen dabei, die sehr in Bewegung sind. Deswegen muss ich auch immer aktualisieren. Aber das hält geistig fit! Natürlich verpacke ich alles humoristisch und präsentiere den Stoff höchst selbstironisch.

Sie haben auch Kochbücher geschrieben: „Ragout vom Mammut“ und „Essen kann jeder!“ – zusammen mit Philipp Weber. Gibt es ein Haltbarkeitsdatum für ein Kabarettprogramm? 
Meyer: Das kommt auf das Thema an. Wenn es um gesellschaftliche Trends und Modererscheinungen geht, sollte man regelmäßig ausmisten. Wer jetzt noch Dieter Bohlen oder Horst Seehofer in seinem Programm hat, darf die Herren wirklich langsam in Rente schicken. In anderen gesellschaftlichen oder politischen Bereichen vollziehen sich Veränderungen aber nur sehr langsam, da muss man oft nur ein paar Zahlen angleichen und die Nummer hat nicht an Gültigkeit verloren. Ein großes Thema meines Programms ist eben die moderne Arbeitswelt. Und dieses Themengebiet nimmt gerade auch publizistisch unheimlich an Fahrt auf. Weil die Menschen immer mehr spüren, wir müssen die Arbeit aus verschiedensten Gründen neu überdenken und umgestalten. Als Kabarettistin freut man sich dann, den richtigen Riecher gehabt zu haben: Je öfter ich das Programm spiele, umso aktueller wird es.
Ihr wichtigstes Bühnenrequisit?
Meyer: Es gibt nur ein Requisit: Und das bin ich. Mein Geist schreibt die Noten, Stimme und Körper sind die Instrumente, die ich zur Realisation meines Werks im Theater benötige. Das klingt nach einem hehren, künstlerischen Konzept, hat aber einen banalen Grund: Ich reise mit der Bahn. Und kann deshalb nie hundertprozentig sicher sein, dass auch mein Koffer am Auftrittsort ankommt – fehlend durch entweder schusseliges Eigen- oder Fremdversagen, oder gar Diebstahl. Sicher ist nur eines: Ich werde ankommen.
Sie sind Designerin, Schauspielerin und Autorin. Was davon ist für den Beruf der Kabarettistin am meisten von Nutzen?
Meyer: Das Studium Kommunikationsdesign bildete eine schöne intellektuelle Grundlage für das Kabarett, denn wesentlicher Gegenstand waren hier auch Fächer wie Psychologie und Textgestaltung. Die Schauspielausbildung brachte mir dann noch das rechte Handwerkszeug für die Bühne, z.B. die korrekte Phonetik: Wie gestalte ich es sprachlich so, dass mich jeder akustisch versteht und zwar von Oberbayern bis Nordfriesland. Und natürlich das Standing auf der Bühne – und da spreche ich nicht von hohen Hacken, sondern Brust raus und Empowerment und zwar egal wo: Ob in der Eckbühne in einer Gastronomie vor Gästen mit Flammkuchen zwischen den Zähnen, oder auf einer zum Verlaufen großen Stadthallenbühne, oder stehend vor der feuchten Wand einer Tropfsteinhöhle, oder in einem Felsenkeller … Ich mache alles mit, ich habe alles erlebt.

In Ingolstadt treffen Sie auf Claudia Pichler. Haben Sie den gleichen Humor? Wie unterscheiden sich Ihre Programme, Themen, Betriebstemperatur?
Meyer: Das müssen Sie mich im After-Show-Interview bitte nochmal fragen. Denn: Ich darf den „Opener“ des Abends machen und die erste Hälfte des Abends bestreiten. Danach lehne ich mich entspannt zurück und sehe mir Claudia an. Dass wir an einem Abend hintereinander auftreten, ist nicht damit begründet, dass wir schon im Sandkasten gemeinsam unsere Witze ausprobiert hätten. Die Doppelshow war eine notwendige Kulturmaßnahme unseres Veranstalters Walter Haber. Das Publikum bekommt von ihm an einem Abend gleich zwei Kabarettfrauen präsentiert – und das zum Preis von einer Künstlerin. Denn über dem „Neustart Kultur“ steht die große Frage: Wie holen wir eigentlich das Publikum zurück in die Theater? Claudia und ich werden den Abend jedenfalls jede für sich mit großer Energie und Best-of-Ausschnitten aus unseren jeweiligen Programmen bestreiten. Es gibt eigentlich keinen einzigen guten Grund, keine Karte zu kaufen.

DK

Die Fragen stellte Anja Witzke.



Eventhalle Ingolstadt, 3. Februar, 20 Uhr. Karten gibt es unter https://events.fairetickets.de/