Klimawandel in Auwald und Vorgarten
Die höheren Durchschnittstemperaturen machen sich auch im Verhalten der Vögel bemerkbar

23.01.2023 | Stand 17.09.2023, 4:49 Uhr

Über Futter und Wasser freuen sich die heimischen Singvögel – so wie dieses Rotkehlchen – mittlerweile nicht nur im Winter, sondern das ganze Jahr über. Fotos: Hauser (Archiv)

Wer mit offenen Augen – und Ohren – durch die Natur geht, dem fallen bereits die ersten Frühlingsboten auf. Stellenweise zwitschert es vernehmlich. Meisen krakeelen im Unterholz und die ein oder andere Amsel tiriliert als wäre schon Mitte Mai und nicht erst Mitte Januar. Wer in diesem Verhalten ein Zeichen für den Klimawandel erkennen will, irrt allerdings, wie Peter Krause vom Landesbund für Vogel- und Naturschutz in Ingolstadt erklärt. „Bei den Meisen ist jetzt schon Verlobungszeit“, sagt er.

Je länger die Tage werden, desto mehr regt sich in der Vogelwelt. „Licht bedeutet immer Aktivität“, sagt der Experte. Und die Tage sind, zumindest wenn man ein Vogel ist, bereits merklich länger als noch im Dezember.

Allerdings wirkt sich der Klimawandel auch auf die Vogelwelt aus. Experten können auch das hören. Krause hat im Dezember im Ingolstädter Auwald eine Misteldrossel vernommen. „Ich hab gedacht, ich bin im falschen Film“, sagt er. Dazu muss man wissen, dass diese Vogelart sonst im Winter die Gegend verlässt und in frostfreie Gebiete ausweicht. Dieses Verhalten verändert sich aber. Immer mehr Zugvögel vermeiden die Strapazen der Wanderung und überwintern in Gefilden, in denen es früher viel zu kalt dafür gewesen wäre. So kann man etwa auch in der Region mitten im Winter Störche beobachten, die ja eigentlich als klassische Zugvögel bekannt sind. Gleichzeitig kommen etwa am Ingolstädter Stausee immer weniger Vögel aus dem hohen Norden an. Krause beobachtet seit Jahren Wasservögel in der Region. Sein Monitoring zeigt: die Zahl der Wintergäste sinkt. Die Bestände von Tafel- und Pfeifenten und auch der etwas selteneren Löffel- und Bergenten seien „massiv eingebrochen“. Einige Ergebnisse von Krauses Beobachtungen sind im Internet auf der Seite der LBV-Kreisgruppe www.ingolstadt.lbv.de einsehbar.

Standvögel besetzen die Brutplätze

Wegen der höheren Durchschnittstemperaturen lassen sich auch bei den sogenannten Standvögeln, die nicht ziehen, Veränderungen beobachten. So beginnen einige immer früher zu brüten. Das wirkt sich auf die sogenannten Langstreckenzieher aus, die – wenn sie im Frühjahr aus Afrika in den Ingolstädter Auwald zurückkommen – viele Nistorte bereits besetzt vorfinden. So sind etwa Trauer- und Halsbandschnäpper auf Baumhöhlen angewiesen. In denen sitzen aber oft schon Meisen oder Kleiber auf ihren Eiern. „Deswegen ist es so wichtig, alte Bäume mit Höhlen stehen zu lassen“, so Krause. Wegen des Eschentriebsterbens haben zuletzt aber viele Bäume gefällt werden müssen. Auch viele Gartenbesitzer schnitten alte Bäume um. Hecken werden immer seltener. „Weil sie Arbeit machen“, sagt Krause. Er appelliert eindringlich für möglichst naturnahe Gärten, um die Stadt als Lebensraum für Vögel und andere Tiere zu erhalten. Auch Nistkästen helfen.

Immer weniger Nahrung für Vögel

Außer an Unterschlupf und Nistmöglichkeiten fehlt es immer mehr Vögeln an Nahrung. Wegen des Klimawandels und flächendeckenden Pestizideinsatzes ist die Zahl der Insekten in den vergangenen Jahren massiv eingebrochen. Krause spricht von einem Verlust an Biomasse von rund 70 Prozent. „Die Veränderung ist enorm.“ Manche Arten „verabschieden sich bereits still und leise“, sagt er. Die Goldammer etwa. Deswegen habe sich die Haltung des LBV und auch die von Krause persönlich zu einem umstrittenen Thema mittlerweile geändert. Er rät jetzt dazu, Vögeln im Garten, auf dem Balkon oder der Terrasse das ganze Jahr über Futter und Wasser anzubieten. Früher war das eher umstritten. Heute ist klar, das viele Arten darauf angewiesen sind, soll ihr Zwitschern auch in Zukunft noch zu hören sein.

DK