Ingolstadt
„Die einzigen Kontaktpersonen“: Interview mit dem evangelischen Pfarrer und Klinikseelsorger Horst Schall

18.02.2022 | Stand 23.09.2023, 2:41 Uhr

Klinikseelsorger, Pfarrer Horst Schall. Foto: Klinikum Ingolstadt

Herr Pfarrer Schall, Sie und Ihr Team bilden Ehrenamtliche für die Klinikseelsorge aus. Was genau hat man sich darunter vorzustellen?

Pfarrer Horst Schall: Das ist ein halbjähriger Kurs, der mit einzelnen Theorie-Einheiten beginnt. In der zweiten Hälfte werden praktische Erfahrungen in der Seelsorge reflektiert. Es ist ein sehr starkes Arbeiten an sich selbst, weil wir selber sind das Instrument unserer Seelsorge. Es geht um grundlegende Lebensthemen, um die ganze Welt der Gefühle, um die Befindlichkeit von Menschen in verschiedenen Krankheitssituationen, alles, was einem im Klinikum eben begegnet. Das Wertvolle ist, dass da Menschen mit ganz viel verschiedenen Biografien zusammenkommen und in der Gruppe lernen.

Was macht der Ehrenamtliche nach der Ausbildung konkret. Besuchsdienste?

Schall: Wir nennen es nicht Besuchsdienst. Das klingt eher nach Geburtagsbesuchen in der Kirchengemeinde. Wir nennen es ehrenamtliche Seelsorge. Wir legen Wert darauf, dass die Ehrenamtlichen profund ausgebildet sind. Sie werden dann für zwei, drei Stunden in der Woche eine Station besuchen, Kontakt mit dem Personal aufnehmen und fragen, wo es Sinn hat, hinzugehen. Wem täte es gut, jemanden zum Sprechen zu haben? Dann werden sie Besuche machen auf diesen Stationen.

Wie wichtig ist dieser Dienst? Oder, anders gefragt, sind die Menschen heute einsamer geworden?

Schall: Die Pandemie hat viele einsamer gemacht. Der Seelsorgedienst der Ehrenamtlichen ist genau so wichtig wie die Seelsorge von Hauptamtlichen. Und er ist jetzt in dieser Zeit noch nötiger als er vorher war.

Wie hat Corona die Arbeit der ehrenamtlichen und hauptamtlichen Seelsorger verändert?

Schall: Die Ehrenamtlichen dürfen zurzeit ja nicht rein. Das geht jetzt erst wieder ganz langsam los. Unsere Arbeit als Hauptamtliche hat sich in sofern verändert, als wir zum Teil die einzigen Kontaktpersonen waren. Ich selber bin Intensiv-Seelsorger. Wir waren oft auch damit beschäftigt, für die Patienten Kontakte nach außen zu ermöglichen oder die Kontakte von den Angehörigen zu den Patienten zu ermöglichen. Über Handy, Telefonate – wo es halt möglich war. Manche waren hier Monate, ohne dass jemand kommen konnte.

Da ist die Arbeit der Hauptamtlichen ganz besonders wichtig.

Schall: Ich glaube, dass sie jetzt noch wichtiger ist. Wir sind nicht nur für Patientinnen und Patienten da, sondern auch Ansprechpartner fürs Personal. Es sind oft Zwischen-Tür-und-Angel-Gespräche, manchmal werden auch Kontakte gesucht seitens der Pflegekräfte.

Wie schwer ist die momentane Situation fürs Personal?

Schall: Ich sage Ihnen, was mir ein Intensivpatient vor ein paar Tagen gesagt hat, der eine extrem schwere und langwierige Corona-Erkrankung überlebt hat. Er konnte den zweiten Tag wieder reden, nachdem er fast drei Monate nicht sprechen konnte. Er hat gesagt, er finde keine Worte für das, was hier von den Menschen für ihn geleistet worden sei. Er könne nur Danke sagen, aber das sei nicht genug. Die Situation des Personals ist extrem belastend.

Wie schützen Sie sich selbst vor Ansteckung?

Schall: Ich habe von Anfang an die Isolierstationen besucht. Da war man ein Jahr lang nicht geimpft. Am Anfang war schon Angst vor Ansteckung da, aber irgendwann wird das zur Routine. Wir tragen dieselbe Kluft wie das Personal, Haarnetz, FFP-Maske, spritzgeschützte Kittel oder Stoffkittel, je nachdem, was auf der Station vorgeschrieben ist, Handschuhe und Brille. Es fällt einem gar nicht mehr auf.

DK

Das Gespräch führte

Ruth Stückle
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Infoabend

Das Seelsorgeteam des Klinikums bietet von März bis Juli einen Ausbildungskurs „Ehrenamtlich in der Klinikseelsorge“ an. Ein Infoabend dazu findet am Dienstag, 22. Februar, ab 19.30 Uhr im evangelischen Gemeindezentrum der Thomaskirche, Buchenweg 4, statt. Wer coronabedingt am Infoabend nicht teilnehmen kann, bitte Mail an Pfarrer Horst Schall, horst.schall@klinikum-ingolstadt.de oder Pastoralreferent Stefan Funk, stefan.funk@klinikum-ingolstadt.de.

DK