„Viele sind Wiederholungstäter“
Das Sportabzeichen in Ingolstadt machen viele Teilnehmende jedes Jahr – Nachwuchsproblem: Prüfer werden gesucht

22.05.2023 | Stand 16.09.2023, 21:43 Uhr
Julian Meier

Ehrgeizig: Der 76-jährige Ulrich Horst (l.) macht sein 59. Sportabzeichen. Begonnen hat er im Jahr 1965. Fotos: Meier

Heribert Haas trippelt vor sich her, dann joggt er die rote Aschenbahn entlang. „Brauchst du an Startblock?“, ruft ihm Michael Selbmann hinterher. „Na. Neun Sekunden zehn werden’s scho werden“, ruft Haas zurück. 9:10 Sekunden darf er für den 50-Meter-Lauf höchstens brauchen, um sich Gold zu sichern. Haas geht an den Start, sprintet los, rennt, läuft über die Ziellinie. Die Zeit? „Acht Komma dreißig“, verkündet Gerd Schiffmann, der die Stoppuhr in der Hand hält. Geschafft.

Für Haas ist das alles längst zur Routine geworden. Zum siebten Mal macht der 64-Jährige heuer das Deutsche Sportabzeichen – ein Ehrenzeichen der Bundesrepublik Deutschland mit Ordenscharakter. In den vier Disziplinen Ausdauer, Kraft, Schnelligkeit und Koordination müssen Teilnehmer je eine Übung mindestens mit Bronze abschließen, um das Sportabzeichen zu erhalten.

Die Teilnehmer beim Sportabzeichen sind relativ frei, welche vier Übungen sie auswählen; einzig der Nachweis der Schwimmfertigkeit ist verpflichtend.

Beim ersten Termin kamen nur zehn Teilnehmer

Ob das Sportabzeichen heutzutage noch modern ist, darf angesichts der Altersstruktur der Teilnehmer durchaus infrage gestellt werden. „Viele, die zu uns kommen, sind Wiederholungstäter“, erklärt Peter Sparrer, Kreisreferent des Bayerischen Landes-Sportverbandes (BLSV). Gerade im Hinblick auf die Bekanntheit des Sportabzeichens unter Jugendlichen gebe es Probleme. Dennoch hält Sparrer das Sportabzeichen nicht für überholt. „Ich bin der Meinung, dass Sport immer aktuell ist. Es ist schließlich die höchste Auszeichnung, die es außerhalb des Profisports gibt.“ Der Fokus liege auch ganz klar auf den Hobbysportlern. Doch wie in so vielen Bereichen hat auch beim Sportabzeichen die Corona-Pandemie Spuren hinterlassen. „Man merkt den Einbruch schon noch“, erklärt Sparrer. Vor Corona waren es mal 200 bis 300 Abzeichen pro Jahr. Die Zahlen für das vergangene Jahr, als erstmals wieder reguläre Abnahme-Termine stattfanden, liegen noch nicht vor. Es waren aber deutlich weniger. Beim ersten Termin dieses Jahr kamen gerade mal zehn Teilnehmer. Einer, der immer kommt, ist Ulrich Horst. Dieses Jahr macht der gebürtige Dortmunder sein 59. Sportabzeichen. 1965 nahm er zum ersten Mal teil, seitdem hat er kein Jahr ausgesetzt. Dazu gekommen ist er durch seinen Vater. „Der hat 30 geschafft. Da dachte ich mir: ‚Was der kann, das kann ich auch.‘ Inzwischen habe ich fast doppelt so viele“, sagt Horst und lacht. Der 76-Jährige hält sich fit, indem er dreimal in der Woche zum Schwimmen geht, dreimal steht er im Fitnessstudio. „Man muss ja eine Herausforderung haben im Leben“, sagt er mit Verweis auf sein Alter.

Wer die Anforderungen erfüllt hat, bekommt im darauffolgenden Jahr vom Oberbürgermeister die Auszeichnung überreicht. Ganz allgemein fördert die Stadt Ingolstadt die Abnahme des Sportabzeichens tatkräftig. So übernimmt sie etwa die Gebühren für die Benutzung der Sportanlagen. Dazu gab es einen Zuschuss, wie Kreisreferent Sparrer erklärt. „Das ist nicht üblich. Da ist Ingolstadt sehr großzügig.“

„Wir sind eine überalterte Truppe“

Wo die Stadt allerdings wenig helfen kann, ist beim Nachwuchsproblem bei den Prüfern. „Wir sind eine etwas überalterte Truppe“, sagt Michael Selbmann, der Vorgänger von Sparrer. Die Nachwuchsgewinnung gestalte sich schwierig. „Die erste Frage, wenn jemand sich dafür interessiert, ist immer: Bekommt man was dafür?“ Natürlich nicht, es handelt sich schließlich um ein reines Ehrenamt. Für Heribert Haas war das kein Hindernis. Seit vergangenem Jahr ist er auch Prüfer. Wenn er zwischendrin Zeit hat, legt er selbst Prüfungen ab.