„Das ist ein Schmarrn“
Kliniken und Ärzte lehnen Vorstoß ab, Isolation für symptomfrei Infizierte aufzuheben

27.07.2022 | Stand 22.09.2023, 20:41 Uhr

Für Corona-positive ohne Symptome die Isolationspflicht abschaffen – dieser Vorschlag von Andreas Gassen, Chef der Kassenärzte in Deutschland, stößt bei Krankenhäusern und Ärzten im Raum Ingolstadt auf Kritik. „Das ist ein Schmarrn“, findet der Hausarzt Anton Böhm. Foto: Hofmann

Corona-positiv in die Arbeit? Der Vorschlag von Andreas Gassen, Chef der Kassenärzte in Deutschland, für Positive ohne Symptome die Isolationspflicht abzuschaffen, stößt bei Krankenhäusern und Ärzten im Raum Ingolstadt auf Kritik.



„Ein Verzicht auf eine Isolation von Corona-Positiven würde das bereits erhöhte Infektionsrisiko in der Bevölkerung allgemein, aber auch am Arbeitsplatz noch weiter nach oben treiben. Das kann nicht in unserem Interesse sein“, heißt es aus dem Ingolstädter Klinikum. Auch die Pandemiebeauftragten der Klinik Eichstätt, Hubert Grienberger, und Kösching, Claudia Plesnar, lehnen den Vorstoß Gassens entschieden ab. „Das ist ein Schmarrn“, findet der Ingolstädter Hausarzt Anton Böhm. Und auch der Radiologe Klaus Migeod erachtet ihn als „wenig hilfreich“.

„Angenommen, die Maßnahmen zur Eindämmung des Corona-Virus würden weiter gelockert, ist eine zusätzliche Belastung des Gesundheitswesens sicher“, so Grienberger, Pandemiebeauftrager der Klinik Eichstätt. Er und seine Kollegin aus Kösching fordern, Maßnahmen nicht abzubauen, sondern wieder konsequenter zu verfolgen. Dazu gehöre die Isolation bei positivem Testergebnis.

Wenn die Versorgung anders nicht sichergestellt werden kann, dürfen positive Mitarbeiter von Kliniken und Seniorenheimen bereits seit Beginn der Pandemie arbeiten – allerdings nur bei Corona-positiven Patienten und Bewohnern. Auch im Klinikum wurden in Einzelfällen infizierte Mitarbeiter für Covid-Kranke eingesetzt. „Dabei galten enge Beschränkungen, um eine Weitergabe des Virus zu verhindern“, so Sprecher Hartmut Kistenfeger.

Im Klinikum ist die Zahl der infizierten Patienten seit Mitte des Monats wieder dreistellig. Auch viele Mitarbeiter fallen krankheitsbedingt aus – nicht nur, aber auch wegen Corona. In den Kliniken Eichstätt und Kösching steigen die Zahlen der Covid-Patienten ebenfalls an. In Eichstätt waren es am Dienstag 14, in Kösching 18. Tendenz steigend. Die Kliniken fürchten einen heißen Herbst.

13 Abrechnungsziffern für Test: Bürokratie hoch drei

Den zunehmenden Bürokratismus im Gesundheitswesen beklagen Hausärzte schon lange. Was sich aber jetzt, seit die kostenlosen Corona-Bürgertests abgeschafft wurden, in den Praxen abspielt, setzt dem Fass die Krone auf. Mit allein 13 unterschiedlichen Abrechnungsziffern müssen sich die Medizinischen Fachangestellten auseinandersetzen, um Corona-Tests abzurechnen – und das rückwirkend bis zum 1. Juli. Pro Test bekommt der Arzt zwischen vier und sieben Euro – je nachdem, ob der Test, etwa vor einem Besuch im Pflegeheim, für den Getesteten kostenlos ist oder er – wenn der Test beispielsweise für eine private Feier benötigt wird – einen Eigenanteil von drei Euro bezahlen muss. Bei Tests ohne Eigenanteil werden zusätzlich 2,50 Euro Sachkosten berechnet.

„Ja geht’s eigentlich noch?“, fragt sich sicher nicht nur der Ingolstädter SPD-Stadtrat und Hausärztesprecher Anton Böhm. Es geht dabei nicht ums Geld, sondern um den „irrsinnigen Aufwand“ für die Abrechnung. Die Leistungen seien am Montag, 18. Juli, auf der Seite der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns eingestellt worden, seien aber seit dem 1. Juli gültig. „Diesen Zeitraum müssen wir rückwirkend mit den verschiedensten Abrechnungsleistungen von etwa 650 Patienten korrigieren“, sagt Böhm. Und das, wo die Personaldecke – auch durch Corona – ohnehin stark ausgedünnt sei.

Allein in Böhms Praxis in der Goethestraße seien derzeit eine Ärztin und drei Mitarbeiterinnen an Corona erkrankt. Dass die Ansteckungsgefahr in Hausarztpraxen für Personal und Patienten größer werde, liege nicht zuletzt daran, dass Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen nicht mehr telefonisch ausgestellt werden dürfen. „Das heißt, dass wir am Montag bis zu 100 Positive in den Praxen lenken müssen.“ Böhm hat sich diesbezüglich bereits bei Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und dem Bayerischen Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) beschwert.

Und das Thema am Donnerstag auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder angetragen. Da war Böhm – als einer von rund 3000 Helferinnen und Helfer in der Corona-Pandemie – zu einem Empfang ins Neue Schloss Schleißheim eingeladen. Der Name des engagierten Ingolstädter Arztes ist in München angesichts diverser kritischer Schreiben zur Coronapolitik an die Bayerische Staatsregierung und jeweils zuständigen Minister offenbar sehr präsent.