Verzicht aus Scham
Caritas erfährt zunehmend verdeckte Armut: Allgemeine Sozialberatung will Betroffenen helfen

30.10.2023 | Stand 31.10.2023, 6:51 Uhr

Erfahrener Sozialberater: Bernhard Gruber in der Caritas-Kreisstelle Ingolstadt. Foto: Esser, Caritas

Immer mehr Menschen leben in verdeckter Armut. Darauf macht der Caritasverband für die Diözese Eichstätt anlässlich des Internationalen Tages zur Beseitigung der Armut in einer Mitteilung aufmerksam.



„Verdeckte Armut liegt vor, wenn Menschen nicht die ihnen zustehenden existenzsichernden Leistungen in Anspruch nehmen. Das betrifft vor allem Bürgergeld, Sozialhilfe, Grundsicherung, Wohngeld und den Kinderzuschlag.“

So zitiert der katholische Sozialverband Bernhard Gruber von der Caritas-Kreisstelle in Ingolstadt. Er ist Sprecher für die Allgemeine Sozialberatung der Caritas im Bistum Eichstätt.

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Der Sozialarbeiter berichtet: „Wir stellen fest, dass dieses Phänomen steigt, weil das ganze soziale System immer komplexer wird und viele Leute immer weniger durchblicken.“ Gesicherte Daten über die Anzahl der Betroffenen gibt es nicht. „Sicher ist nur: Die Dunkelziffer der verdeckten Armut ist hoch.“

Ämter und Behörden seit der Corona-Zeit schlechter erreichbar



Gruber erklärt, dass es unter den Menschen in verdeckter Armut drei Gruppen gebe: Zum einen solche, die nicht über ihren Anspruch auf eine Sozialleistung Bescheid wissen. Die größte Gruppe bildeten jene, die über ihren Anspruch Bescheid wissen, diesen aber nicht geltend machen können.

„Das liegt einerseits daran, dass vieles nur noch online geht, die Betroffenen dies aber nicht können, und andererseits daran, dass Ämter und Behörden seit der Corona-Zeit schlechter erreichbar sind als zuvor. Viele sind zudem damit überfordert, Anträge auszufüllen und Unterlagen beizubringen“, sagt Gruber.

Um solchen Menschen zu helfen, hat die Caritas-Kreisstelle Ingolstadt der Mitteilung zufolge inzwischen eigens eine Person für Hilfe beim Formularausfüllen in begrenzter Stundenzahl angestellt, „die bis auf zwei bis drei Wochen ausgebucht ist“.

Die dritte Gruppe seien Menschen, die Scham hätten, Sozialleistungen zu beantragen – nach dem Motto „Ich will dem Sozialstaat nicht zur Last fallen“ oder „Ich habe bisher immer alles selbst geschafft“.

Unwissenheit und Scham kommen manchmal zusammen



Manchmal kämen auch Unwissenheit und Scham zusammen. Ein typischer Fall dafür, so Gruber, sei der einer alleinstehenden Rentnerin, deren Miete stark erhöht wurde. Sie wollte keine Grundsicherung beantragen, weil sie befürchtete, dass ihre Kinder zur Unterhaltszahlung herangezogen würden.

„Das ist aber erst ab einem zu versteuernden Jahreseinkommen von 100.000 Euro der Fall“, informiert der Sozialarbeiter über einen Umstand, „den viele nicht kennen“.

Viele Familien, die zwar ein durchaus gutes Einkommen haben, aber auch eine hohe Miete, „wissen zudem nicht, dass ihnen in bestimmten Fällen der Kinderzuschlag sowie Leistungen für den Schulbedarf, zum Mittagessen oder auch zur Zahlung von Vereinsbeiträgen zusteht“.

Laut Gruber wüssten andere nicht über aufstockende Leistungen des Bürgergeldes Bescheid oder aber würden diese bewusst nicht in Anspruch nehmen, weil sie mit Ämtern nichts zu tun haben möchten. „Auch erfahren wir immer wieder von Menschen, die Schulden aus dem Existenzminimum von 502 Euro Bürgergeld zahlen, obwohl es den Pfändungsschutz gibt.“ Gruber rät allen Betroffenen, sich an die Dienste der Allgemeinen Sozialberatung bei den Caritas-Kreisstellen zu wenden.

Informationen finden sich auch auf der Caritas-Homepage.