Ingolstadt
Bewusstsein für die Schöpfung

Kräuterbuschen: Zwei Frauen erzählen über den alten Brauch und was dahinter steckt

14.08.2022 | Stand 22.09.2023, 6:53 Uhr
Anna Hafenrichter

In Mirjam Hischbecks Garten binden Gudrun Hahn (rechts) und Nachbarin die Kräuterbuschen. Foto: Hafenrichter

Es duftet und summt in den Ingolstädter Gärten: August ist Kräuterzeit, und in einigen Gemeinden werden auch schon fleißig Schafgarbe, Rainfarn und vieles mehr gesammelt. Der Anlass: Montag, 15. August, feiern Katholiken die Aufnahme Marias in den Himmel. Traditionell werden dazu für die Kräuterweihe Kräuterbuschen gebunden.

Christine Rottmair bietet bereits seit zehn Jahren das Kräuterkranzl-Binden am Labyrinth-Garten in Ingolstadt an, bis jetzt wurde die Veranstaltung sehr gut angenommen. Damit folgt sie einem alten Brauch, der auch gegenwärtig noch von katholischen Gemeinden anlässlich der Maria Himmelfahrt praktiziert wird. Dabei werden Wild- und Gartenkräuter wie Spitzwegerich, Kamille, Johanniskraut oder auch Zitronenmelisse, Salbei und Lavendel mit Blumen und lebensnotwendigen Getreidehalmen, wie Hafer oder Weizen, zu einem Büschel gebunden oder, wie bei Christine Rottmair, zu einem Kreis. Über die notwendige Anzahl an Gewächsen gibt es keine allgemeingültige Angabe: Während die einen eine Zahl nehmen, die durch drei teilbar ist, richten sich die anderen an der Zahl zwölf, gemäß den zwölf Aposteln. Auch die sieben ist aufgrund der Schöpfungstage verbreitet. Bei Christine Rottmair allerdings ist „alles erlaubt, was die Felder hergeben und was gefällt“. Bei dem Binden der Kranzl richtet sie sich hauptsächlich danach, was man gut in Kreis- Form binden kann und was sich demnach leicht biegen lässt. Bei einem klassischen Kräuterbüschel kommt eigentlich eine Königskerze in die Mitte, unter anderem ein Symbol für langes Leben. Oft wird diese von einer Rose begleitet – als Zeichen für Duft und Schönheit. Als Heilerin und Mutter steht die Heilige Maria und ihre Aufnahme in den Himmel in symbolischer Verbindung zu Kräutern. So wurde bei dem Aufsuchen ihrer Grabstätte der Legende nach nur Kräuter und Rosen vorgefunden. Daraus entwickelte sich der Brauch, Kräuter an Maria Himmelfahrt zu weihen. Man nutze sie unter anderem, um aus ihnen einen Tee zuzubereiten, der gegen Krankheiten helfen sollte. Auch krankem Vieh wurden geweihte Kräuter ins Futter gemischt. Ein weiterer Aspekt: Die Wirkkraft der Kräuter ist Mitte August am stärksten.

Die Form des Kreises symbolisiert nach Christine Rottmair dabei Unendlichkeit und Göttlichkeit. „Den Kranz kann man ganz unterschiedlich verwenden. Früher wurde das Kräuterbündel in den Herrgottswinkel gehangen, damit er dort bis in das Neue Jahr trocknen konnte, sowas haben aber die meisten Häuser heute nicht mehr. Den Kranz kann man aber überall hinlegen oder hinhängen“, erklärt Rottmair.

Mirjam Hirschbeck bindet die traditionellen Kräuterbuschen gemeinsam mit ihrer Schwester und ihren Nachbarinnen. Einen offiziellen Termin gibt es dafür nicht, das Ganze wird privat gehalten. Für die 66-jährige ist es immer ein schöner Tag. „Ich komme aus der Pfalz, da wurden katholische Bräuche nicht so ausgelebt.“ Erst in Bayern habe sie diese so richtig kennen und lieben gelernt. Zu fünft binden die Damen kleine und größere Sträuße, welche anschließend gegen eine kleine Spende in der Pfarrkirche St. Anton verteilt werden. Der Erlös geht anschließend an Bruder Martin und seine Straßenambulanz. „Was nicht gekauft wird, findet trotzdem Verwendung. Wir verteilen die Buschen dann auf den Grabstätten von unseren Bekannten“, so Mirjam Hirschbeck.

Die meisten Kräuter bezieht die 66-jährige aus ihrem eigenen Garten, zusätzlich dazu fährt sie normalerweise mit dem Fahrrad Felder und Wiesen ab, um weitere Pflanzen zu sammeln – dieses Jahr allerdings ohne Erfolg: „An zwei Tagen bin ich durch die Gegend gefahren, habe aber wegen der Dürre kaum etwas gefunden. Das macht mir schon Angst.“ Für Mirjam Hirschbeck steht Maria Himmelfahrt auch unter dem Grundsatz, ein Bewusstsein für die Schöpfung zu schaffen und die Schöpfung zu bewahren – ein Aspekt, von welchem sie zukünftig hofft, dass dieser stärker auf politischer sowie privater Ebene Beachtung findet.