Ingolstadt
Ein Leben mit dem Ball

Die gebürtige Russin Ludmila Bartenschlager ist Tennislehrerin und hat für die EM einen Finaltraum

20.06.2021 | Stand 23.09.2023, 19:17 Uhr
Timo Schoch
Ein wichtiger Bestandteil in Ludmila Bartenschlagers Leben ist das Tennis. Für die Fußball-WM wünscht sie sich dennoch ein deutsch-russisches Finale, das sie zusammen mit ihrem Mann Josef verfolgen würde. −Foto: Schoch

Ingolstadt - Bälle spielten im Leben von Ludmila Bartenschlager immer eine bedeutende Rolle.

Doch die Bälle, die von ihr bevorzugt werden, sind rund elfmal kleiner als ein Fußball und mit gelbem Filz ummantelt.

Ludmila Bartenschlager, geboren und aufgewachsen in Sotschi, ist Tennisspielerin und -trainerin, war Mitglied der russischen Jugendnationalmannschaft, ist mehrfache russische Meisterin mit der Mannschaft "Region Krasnodar" und arbeitet auch jetzt als Tennislehrerin für verschiedene Vereine. "Ich hatte eine sehr sportliche Kindheit. In Sotschi gibt es einige der besten und ältesten Tennisschulen der UdSSR", sagt Bartenschlager. "Ich habe die Aufnahmeprüfung bestanden und wurde in die Tennisschule aufgenommen, war bei vielen Turnieren dabei und in zahlreichen Trainingslagern. " Nach dem Abitur erhielt Ludmila Bartenschlager Angebote von verschiedenen Hochschulen in der UdSSR. Sie entschied sich für die Krim. Ein Jahr hat sie dort professionell Tennis gespielt. Im Alter von 18 Jahren erfolgte ein drastischer Umbruch in ihrem Leben: Sie heiratete einen Tennistrainer, der ihre weitere sportliche Karriere unterband.

Mit dem Zusammenbruch der UdSSR erfolgte erneut eine fundamentale Änderung in ihrem Leben. "Es war eine schlimme Zeit für die gesamte Bevölkerung", sagt Bartenschlager. "Viele erhielten kein Gehalt, die städtische, und die staatliche Infrastruktur brach zusammen. So war kein normales Leben mehr möglich. " Sportler, Künstler, Forscher und Spezialisten wurden nicht mehr gebraucht in den neuen postsowjetischen Staaten und suchten einen Weg aus diesem Dilemma. Viele verließen am Ende das Land.

Auch Bartenschlager. 1994 zog sie nach Pöttmes in den Landkreis Aichach-Friedberg. "Mein Bruder war schon zuvor dort und hat ein gutes Wort für mich eingelegt", erzählt Bartenschlager. Und der dortige Tennisklub machte ihr ein Angebot. "Dafür bin ich sehr dankbar. " Ein erster Schritt in die Integration. Eine wichtigere Rolle spielte dabei noch Josef Bartenschlager. "Er war meine erste Kontaktperson und hat mir die Gegend gezeigt", sagt sie. "Ich sprach kein Deutsch und er kein Russisch. Aber wir haben uns dann mit dem Wörterbuch unterhalten und mit Händen und Füßen. "

Ludmila Bartenschlager lacht, als sie das erzählt. Inzwischen beherrscht sie die deutsche Sprache. Und auch die Integration klappte, nicht zuletzt wegen der Eltern und dem Bruder von Josef Bartenschlager, die die junge Russin und ihre Kinder herzlich aufgenommen haben. "Ich bin dann in Deutschland geblieben, und Josef und ich haben geheiratet", sagt Bartenschlager, die mit ihrem Mann im Landkreis Eichstätt wohnt. "Unsere Kinder spielen ebenfalls gern Tennis auf hohem Niveau, das ist ein wichtiger Teil ihres Lebens, und auch die Enkel nehmen bereits die Schläger in die Hand. "

Ihr sowjetischer Universitätsabschluss als Sportlehrerin an Schulen wurde damals in Bayern allerdings nicht anerkannt. Deshalb arbeitet Ludmila Bartenschlager seither als Tennislehrerin bei verschiedenen Vereinen. Auch als Spielerin betätigte sie sich ab und zu in verschiedenen Mannschaften. Besonders die deutschen Sportplätze gefallen der gebürtigen Russin. "Diese haben so hohe Standards. Leider werden sie viel zu wenig genutzt", sagt sie. "In Russland ist es anders. Dort spielen die Kinder und die Erwachsenen sehr viel. Alle Sportanlagen sind immer voll. Fußball ist in Russland sehr populär", sagt Bartenschlager. "Warum wir aber trotzdem keine gute Mannschaft haben, ist mir ein Rätsel", sagt sie.

Trotzdem hat sie zwei Wünsche für die EM: einen respektvollen Umgang der Nationen sowie ein Finale zwischen Deutschland und Russland. Kommt dieses Endspiel zustande, hat sie dafür schon eine wunderbare Vorstellung, wie dies ablaufen könnte. "Dann sitze ich mit Josef auf der Couch, und wir schauen das Spiel an", sagt Bartenschlager. "Er trinkt dazu ein bayerischen Bier und ich einen russischen Tee, und jeder feuert seine Mannschaft an. Die Entscheidung fällt im Elfmeterschießen. Dann feiern wir beide - denn am Ende ist es egal, wer gewinnt. Denn Sport muss Freude machen. "

Das ist auch eine Verbindung zum Tennis. Denn die kleine, gelbe Filzkugel bereitet Ludmila Bartenschlager bis heute täglich große Freude.

DK

Timo Schoch