Grüne Innenhöfe gut fürs Mikroklima
Architekt Andreas Mühlbauer legt bei Sanierungen von Altstadthäusern Wert auf qualitätvolles Umfeld

18.08.2022 | Stand 22.09.2023, 6:44 Uhr

Wo jetzt Baumaterial lagert, entsteht auf dem ehemaligen Kürzinger-Anwesen ein Innenhof mit Brunnen und Bäumen. Architekt Andreas Mühlbauer (Mitte) zeigt seinen Söhnen, wie wichtig solche Grüninseln für das Mikroklima in der Innenstadt sind. Fotos: Hammer/Schattenhofer

Wer in diesen Tagen in der Innenstadt unterwegs ist, der spürt es am eigenen Leib: Pflaster oder Asphalt brennen unter den Füßen wie eine riesige Herdplatte. Der hohe Versiegelungsgrad, die dichte Bebauung und fehlendes Grün verursachen hohe Strahlungstemperaturen, die unsere Gesundheit belasten.

Das geht auch aus der Stadtklimaanalyse hervor, die jüngst im Stadtentwicklungsausschuss vorgestellt wurde. Architekt Andreas Mühlbauer tut etwas gegen diesen Hitzestress: Bei der Sanierung von Altstadthäusern plant er begrünte Innenhöfe, die das Mikroklima verbessern.

Wir treffen den Architekten und Stadtplaner an der Höllbräugasse vor dem ehemaligen Café Kürzinger: Das mittelalterliche Anwesen wird von Privatinvestoren saniert. Anbauten aus jüngerer Zeit, in denen sich zuletzt Küche und Toiletten befanden, wurden abgerissen. Es besteht also Baurecht – bares Geld in dieser Lage. Trotzdem konnte Mühlbauer die Eigentümer überzeugen, den einstigen Innenhof samt Brunnen wieder aufzumachen. „So ein Habitat ist für Mensch und Tier wichtiger.“

„Das ist eine sinnvolle Nachverdichtung“

Ein Atelierhaus und neun Wohnungen entstehen in dem sanierten Baudenkmal – es werden dort also mehr Menschen leben als bisher. „Das ist sinnvolle Nachverdichtung: Wir wollen hier nicht auf Teufel komm raus jeden Quadratmeter akquirieren, sondern ein qualitätvolles Umfeld schaffen“, erklärt Mühlbauer. „Corona hat uns gelehrt, wie wichtig nahe Grünflächen sind – als Aufenthaltsfläche, aber auch für das Mikroklima.“

Der historische Brunnen des Anwesens lag bisher unter einer Betonplatte verborgen und soll nun wieder geöffnet werden. So dringt kühle Luft aus rund zehn Metern Tiefe nach oben in den Innenhof. Außerdem werden vier Bäume gepflanzt, und eine Fassadenbegrünung ist auch vorgesehen. Der Innenhof steht als Gemeinschaftsfläche allen Bewohnern offen.

Nach Ansicht des Architekten darf Begrünung nicht als pure Kosmetik verstanden werden. Er zeigt auf die paar „Alibibäume“ an der Sauerstraße, die in der Hitze dahinwelken. „Es geht nicht ums Schickmachen, sondern das ist ein wichtiger Aspekt der Stadtplanung.“ Angesichts des Klimawandels und der Überhitzung der Innenstädte müsse auch mehr über Oberflächen der Gebäude nachgedacht werden. „Es sollten zum Beispiel keine dunklen Farbtöne mehr verwendet werden, damit sich die Stadt nicht noch weiter aufheizt.“ Flachdächer gehörten begrünt – am besten mit Nutzpflanzen.

Der Ingolstädter arbeitet bei seinen Projekten mit dem bekannten Schweizer Landschaftsarchitekten Maurus Schifferli zusammen. „Der ist viel in Kopenhagen und Jakarta unterwegs und hilft uns jetzt hier in Ingolstadt.“

Nur einen Steinwurf entfernt, an der Höllbräugasse 5, betreut Mühlbauer ein weiteres Vorhaben. Auch dort entsteht ein Innenhof. „Das bedeutet in der Innenstadt mehr Qualität“, sagt die Eigentümerin. Für sie ein Mehrwert – für die späteren Bewohner mit Sicherheit auch.

Den kleinen Platz an der Höllbräugasse würde Andreas Mühlbauer am liebsten auch gleich nach seinen Vorstellungen mit gestalten. Gegenwärtig ist die Fläche total versiegelt: Die Pflasterung lässt zwei Parkplätze und eine Baumscheibe erkennen. Der Baum allerdings ist mittlerweile verschwunden.

Mensch braucht Kontakt mit Pflanzen, Erde und Humus

Der alte Stadtbauernhof an der Taschenturmstraße 5 wird auch gerade aus dem Dornröschenschlaf geweckt. Hier entstehen nach Mühlbauers Plänen vier Wohneinheiten. „Auch bei diesem Projekt haben wir den Bauherrn gewonnen, den Innenhof, der bisher überbaut war, freizulassen.“ Eine tolle Wohnung mit Galerie und historischem Dachstuhl entsteht dort, wo einst Schweine und Rinder lebten.

Der Ingolstädter Architekt zitiert in dem Kontext gern den berühmten Künstler und Baumeister Friedensreich Hundertwasser, der 1980 schrieb: „Ein tägliches Leben ohne intimen Kontakt mit Bäumen, Pflanzen, Erde und Humus ist menschenunwürdig“. Mühlbauer fügt hinzu: „Wobei ich meine, dass sich urbane Dichte und hoher Grünflächenanteil keinesfalls ausschließen.“

Hohe Wärmebelastung in der Altstadt

Im Herzen der Stadt: fast alles violett. Auf der Klimakarte, Bestandteil der neuen Stadtklimaanalyse des Instituts für Klima- und Energiekonzepte, ist anhand der Farbtöne genau zu erkennen, wo’s brennt: Donau, Auwald oder Glacis sind noch schön grün dargestellt, aber wo die Bebauung beginnt, geht es in Gelb und Orange über. Das signalisiert Wärmebelastung.

Große Teile der Altstadt sind sogar violett eingefärbt. Dort wird es am heißesten und kühlt am wenigsten ab. „Diese Flächen müssen bei weiteren Planungen berücksichtigt werden“, sagte Ingenieur Sebastian Kupski vom Projektteam im Juli bei der Präsentation der Studie im Stadtentwicklungsausschuss. „Denn für die Einwohner ist das eine belastende Situation.“

Vor allem für vulnerable Bevölkerungsschichten: Bei Dauerhitze sind nicht nur alte und kranke Menschen, sondern auch kleine Kinder sehr verletzlich. Kupski nannte ein Beispiel: In der nordöstlichen Altstadt leben 2450 Menschen. 20 Prozent davon gelten als vulnerabel, sehr viele davon leben in einem „Überwärmungsgebiet“.

Wie kann man die Stadt gegen die Hitzefronten der nahen Zukunft schützen? Mit klimatischer Aufwertung: Die Bodenversiegelung bremsen, Bäume pflanzen, Grünflächen anlegen.

Kupski sorgte bekanntlich noch für einen Eklat: Auf Nachfrage riet er den Stadträten in der Sitzung – es war vor dem Bürgerentscheid – vom Bau der Kammerspiele an der Schutterstraße ab. Der Standort sei aus stadtklimatischer Sicht ungünstig.

Die Stadt, Auftraggeber der Stadtklimaanalyse, stellt die Klimakarte unter www.ingolstadt.de/klimakarte zur Verfügung. Dort kann jeder Bürger nachschauen, wie es in seinem Umfeld klimatechnisch ausschaut.

DK