Akustische Momentaufnahmen
Frederik Köster war mit „Die Verwandlung“ in der Ingolstädter Harderbastei zu Gast

08.12.2023 | Stand 08.12.2023, 15:00 Uhr

Wandlungsprozess der Musik: Sebastian Sternal, Frederik Köster, Joschka Oetz und Jonas Burgwinkel in Ingolstadt. Foto: Leitner

„Die Verwandlung“: Was für ein sonderbarer Name für ein Jazzquartett. Klingt schwer nach musikalischer Grenzenlosigkeit, nach unvorhersehbarer Musik, nach der These, dass auch in der Musik alles in permanentem Fluss sei.

Die Band ist prominent besetzt. Mit Frederik Köster als Leader an der Trompete, mit Jonas Burgwinkel am Drumset, Sebastian Sternal am Flügel und Joscha Oetz am fünfsaitigen E-Bass hat sich die Creme der jungen deutschen Modern- Jazz-Szene in der Ingolstädter Harderbastei versammelt, in der aktuell unter dem Namen „Soirée am Donnerstag“ eine vergleichsweise neue Veranstaltungsreihe immer mehr an Bedeutung gewinnt. Ganz zurecht und gerade auch durch so erstklassige Konzerte wie dieses.

Verwandlung bedeutet Veränderung. Geplante, erlaubte und auch zufällige, niemals jedoch erzwungene. Und weil Improvisation nicht nur innerhalb eines Stückes stattfindet, sondern als ein Haupterkennungsmerkmal des Jazz an sich gilt, liegt hier der Schwerpunkt. Die Eckdaten sind notiert, was ansonsten passiert, ist von Konzert zu Konzert verschieden. „Im Grunde wissen wir oftmals selber nicht, was dabei heraus­kommt“, sagt Köster.

Nun ist es aber so, dass die vier Herren seit etlichen Jahren bereits in dieser Besetzung zusammenarbeiten, jeder also ganz genau weiß, wie die anderen ticken. Das merkt man deutlich an der Dynamik, an den Spannungsbögen, wenn es gilt, Steigerungen einzubauen, an der nonverbalen Kommunikation, der perfekt funktionierenden Stabübergabe bei der Rollen- und Aufgabenverteilung. Obwohl das Set nur gut 60 Minuten dauert – das ist Vorgabe bei „Soirée am Donnerstag“ – lotet die Band alle Schattierungen aus. Der subtile Groove bei „St. Brieuc“ und der harte funky Beat bei „House Of The Eye“ könnten unterschiedlicher nicht sein, die auf die jeweilige Basis feinstens abgestimmten solistischen Ausflüge auch nicht, beides aber trägt gerade durch ihre Unterschiedlichkeit der Entstehungsgeschichte der Stücke beispielhaft Rechnung. Ersteres entstand in der Bretagne, das zweite in New York, und man spürt regelrecht den jeweiligen Puls der Umgebung.

Köster holt sich gerne Anregungen aus der Literatur, wenn er neue Stücke schreibt. Hermann Hesse, Franz Kafka, der Japaner Haruki Murakami tauchen auf, beeinflussen die Musik, werden Teil dieser überaus reizvollen und technisch – wie nicht anders zu erwarten – perfekten akustischen Momentaufnahme.

Einziger Wermutstropfen ist am Ende tatsächlich die eingeschränkte Dauer des Konzerts. Man hat die ganze Zeit über schon das Gefühl, die Band werde von Minute zu Minute immer noch intensiver und zwingender, sei mit der fulminanten Zugabe „Road Trip“ so richtig schön am Kochen. Und dann ist Schluss. Freilich wissen alle im Publikum vorab um die übliche zeitliche Vorgabe, aber nach dem heftigen Schlussapplaus kann man dennoch getrost davon ausgehen, dass niemand im Auditorium etwas gegen ein paar zusätzliche Stücke einzuwenden hätte.

DK