Ingolstadt
Würdiges Gedenken vor kleiner Kulisse

Spärliches Interesse an der zentralen Feierstunde zum Volkstrauertag - Warnung vor "Kleinkriegen im Alltag"

17.11.2019 | Stand 23.09.2023, 9:30 Uhr
Kranzniederlegung im Luitpoldpark: Offizielle Vertreter von Stadt, Bundeswehr und Verbänden gedachten der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft. −Foto: Hammer

Ingolstadt (DK) Mahnende Worte wie jedes Jahr - doch die Publikumsresonanz fällt von Mal zu Mal sichtlich dürftiger aus: Der Volkstrauertag, so jedenfalls die Beobachtung bei der zentralen Ingolstädter Gedenkveranstaltung am Ehrenmal im Luitpoldpark, scheint immer mehr nur ein Anliegen der älteren Generation zu sein. Die Zahl der offiziell Beteiligten überwiegt inzwischen die der zivilen Besucher ohne Amt und Funktion. Dennoch ist der Stadt als Ausrichter mit Unterstützung der Bundeswehr auch an diesem Sonntag selbstredend wieder eine würdige Veranstaltung gelungen.

Die Flaggen von Bundesrepublik, Freistaat und Stadt mit Trauerflor, Flammen aus den Feuerschalen der Gedenkstätte, ein Ehrenzug und Ehrenwachen der Streitkräfte, Ansprachen der Geistlichkeit und des Oberbürgermeisters, Kranzniederlegung zum Lied vom guten Kameraden - der Rahmen für den nationalen Erinnerungstag zu Ehren der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft ist recht einheitlich gesetzt. Was dem Ablauf der Zeremonie im Luitpoldpark seit einigen Jahren neue Akzente gibt, ist die Mitwirkung von Jugendlichen aus Ingolstädter Schulen, die eine Brücke zur im Publikum nur spärlich vertretenen jüngeren Generation bauen soll.

Diesmal waren es Schülerinnen und Schüler der oberen Klassen der Gotthold-Ephraim-Lessing-Mittelschule, die sich mit kurzen Anmerkungen zur traurigen kriegerischen Vergangenheit in Deutschland und Europa einbrachten, unter anderem mit dem Eingeständnis, dass es gut 70 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs nicht mehr leicht fällt, die Gräuel von damals nachzuvollziehen: "Wir können nur versuchen, uns das vorzustellen." Die jungen Leute zeigten sich andererseits mit Gegenwartsbezug auch überzeugt, dass es erforderlich und lohnend sein kann, für den nun schon seit Jahrzehnten währenden Frieden im Lande einzutreten: "Vielleicht müssen wir unseren Frieden auch mal verteidigen."

Der frühere Eichstätter Dompropst Klaus Schimmöller hatte in seiner Rede zuvor dazu geraten, die Beschäftigung mit den Ursachen von Gewalt und Intoleranz nicht auf das alljährliche offizielle Gedenken am Volkstrauertag zu beschränken. Es sei allzu offensichtlich, dass der Mensch dazu neige, "Kleinkriege und neue Fronten im Alltag" anzuzetteln bzw. zu errichten. Mit Erinnerungskultur allein sei es nicht getan: "Das Anliegen dieses Tages kann nicht abgehakt werden - es beginnt jeden Tag neu."

Oberbürgermeister Christian Lösel - für den jeweiligen Rathauschef ist der Volkstrauertag einer der wenigen offiziellen Anlässe, förmlich mit Amtskette zu sprechen - stellte in seiner Ansprache stark auf die Opfer der beiden Weltkriege und insbesondere den Ideologischen Irrsinn der Nazizeit ab. Er erinnerte an den gescheiterten Hitler-Attentäter Georg Elser, dessen Bombenanschlag im Münchner Bürgerbräukeller 1939 sich erst vor wenigen Tagen zum 80. Mal gejährt hat und der sein Engagement wie viele andere Widerständler der NS-Zeit mit dem Leben bezahlen musste.

Der OB stellte Elsers Mut und Entschlossenheit als beispielhaft heraus - sicher ohne damit grundsätzlich gewaltsamem Widerstand das Wort reden zu wollen. Aber: "Jeder Einzelne ist verantwortlich für die Politik und Geschichte seines Volkes." Das müsse angesichts der politischen Herausforderung unserer Tage besonders klar werden, die durch Hasstiraden gegen demokratische Prinzipien in sozialen Medien und letztlich sogar durch geplante oder gar vollendete Mordtaten geprägt seien. Lösel: "Gerade in Deutschland sollten wir wissen, welche schrecklichen Folgen die Ausgrenzung von Minderheiten hat, was Hass und Hetze, Rassismus und Antisemitismus anrichten können. Dafür darf es in unserem Land keinen Platz geben."

Ausdrücklichen Dank sagte der Rathauschef dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge, der sich seit inzwischen genau 100 Jahren die Erinnerung an die Kriegstoten und die Versöhnung zwischen den früheren Kriegsgegnern zum Anliegen gemacht hat. Örtliche Vertreter der Organisation waren auch wieder bei der Gedenkveranstaltung zugegen - ebenso wie Repräsentanten von Reservistenkameradschaften der Bundeswehr und etliche junge Soldaten der Ingolstädter Garnison, durchweg in Uniform.

Offizielle Vertreter der Bundeswehr hatten bei den Ehrengästen Aufstellung genommen, wo sich auch etliche Stadträte eingefunden hatten. Weitere Feierstunden zum Volkstrauertag gab es auch wieder in den Stadtteilen (einige auch bereits am Sonntag voriger Woche), wo ebenfalls Stadträte als Repräsentanten der Politik auftraten.

Bernd Heimerl