Ingolstadt
"Wir wollen wissen, wer wir sind"

Eine Gruppe "Visionäre" möchte Ingolstadt eine Vision verschaffen - Gemeinsam mit möglichst vielen anderen

07.08.2020 | Stand 02.12.2020, 10:48 Uhr
Auf der Suche nach einer gemeinsmen Vision für die Stadt: Matthias Schickel (von links), Lutz Morich, Claudia Borgmann und Frances von Unruh. −Foto: Hauser

Ingolstadt - In die Diskussionen um Stadtidentität, die Zukunft Ingolstadts und das Selbstverständnis der Schanzer mischt sich eine neue Stimme.

Um die Architekturjournalistin Claudia Borgmann hat eine Gruppe "Visionäre" zusammengefunden, deren erklärtes Ziel ist, Ingolstadt auf dem Weg in eine gelebte Urbanität einen Impuls zu geben. Dabei geht es den acht engagierten Ingolstadt-Kennern nicht nur darum, mitzureden, sondern vor allem, mit anderen zu reden. Ein Netzwerk der vielen verschiedenen Akteure und Strömungen in der Stadt sei die Voraussetzung für alles Weitere, so die Grundüberzeugung der Gruppe. Den gemeinsamen Willen zur Veränderung vorausgesetzt, könne nur aus einem solchen Miteinander eine eigene Stadtidentität gewonnen werden. Auf dieser Basis sei es dann Zeit für eine gemeinsame Vision für Ingolstadt.

Ein Impuls zur Gründung der Gruppe war für Borgmann die Ausstellung "Stadtidentität" des Historischen Vereins im Neuen Schloss rund um den Jahreswechsel 2017/18. Dort wurden historische Stadtansichten mit aktuellen Bildern - fotografiert von Erich Reisinger - kombiniert. Tausende Ingolstädter kamen, um sich die Ausstellung anzusehen. Der Verein hatte offensichtlich einen Nerv getroffen, erinnert sich der Vorsitzende Matthias Schickel, der von Anfang an Mitglied bei den Visionären ist. "Ich habe mich mit jemandem unterhalten, der seit 20 Jahren in Ingolstadt wohnt und gesagt hat: ,Die Stadt ist nicht meine Heimat. ' Warum ist das so? Warum tun sich die Ingolstädter da so schwer? "

Borgmann bewegte diese Frage so, dass sie in Zusammenarbeit mit dem DONAUKURIER eine Reihe von Podiumsdiskussionen zum Thema veranstaltete. Im Laufe der Zeit kam ihr die Erkenntnis: "Wir brauchen eine Vision, ein Wunschbild dessen, wo wir hinwollen. Eine Vision kann wie ein Kompass wirken, indem er alle relevanten Entscheidungen zur Stadtentwicklung leitet und uns Orientierung gibt", so die studierte Architektin und Kunsthistorikerin. Um diese Vision zu finden, sei es zunächst nötig, die Frage nach der Identität der Stadt zu stellen. "Wir wollen wissen, wer wir sind", sagt sie.

Eine Stadtidentität - davon sind die Visionäre überzeugt - kann nur in einer Vernetzung ganz unterschiedlicher Strömungen gelingen. Die Diversität Ingolstadts spiegelt in Teilen auch die Zusammensetzung der Mitglieder wieder, erklärt Lutz Morich. Er ist Ingenieur und Kulturstifter. "Voraussetzung für diese Vernetzung ist die Offenheit der Beteiligten für Neues", betont er. Dadurch entstünden Berührungspunkte, Überschneidungen aus denen überraschend Neues entstehen könne. Die weitere Vernetzung ist deswegen das nächste vorrangige Ziel der Visionäre. Die Kommunikationsdesignerin Frances von Unruh hat es sich zur Aufgabe gemacht, diese Botschaft unter anderem mit T-Shirts unter die Leute zu bekommen. Die Vorderseiten der Shirts sind unterschiedlich und stehen jeweils für einen anderen Aspekt eines möglichen Verständnisses von Ingolstadt. "Die Identität der Stadt ist ja nicht nur eines. Sie setzt sich für jeden aus verschiedenen Punkten zusammen. Unser Ziel ist aber, dass Ingolstadt für jeden ein Teil seiner Identität wird. " Der gleichlautende Appell an die Gemeinsamkeit prangt deswegen auf dem Rücken der verschiedenen T-Shirts: "Wir machen wir" - nach Überzeugung der Visionäre die "Phase 1" auf dem Weg hin zur gemeinsamen Vision für Ingolstadt.

Zum Gründungsteam der Visionäre gehören auch der Stadtplaner und Architekt Alexander Häusler, Dramaturg und Marketingexperte Kai Schmidt, BBK Vorsitzender und Kunstpreisträger Werner Kapfer und Jesko Schulze-Reimpell, der Leiter der Kulturredaktion des DONAUKURIER. Dabei soll es aber nicht bleiben. Borgmann und ihre Mitstreiter hoffen auf möglichst viel Zulauf von Gruppen und Einzelpersonen aus allen Bereichen. Auf ihrer Homepage www. claudia-borgmann. de gibt es weitere Informationen. Auch mit Oberbürgermeister Christian Scharpf (SPD) hat die Gruppe bereits Kontakt aufgenommen. Ihm dürfte der Enthusiamus der Gruppe gefallen, hatte er doch zuletzt gefordert, die Ingolstädter sollten öfter einmal positiv über ihre Stadt sprechen, zu "Markenbotschaftern" ihrer Heimat werden.

Die nächste Zeit wollen die Visionäre nutzen, um möglichst viele Mitstreiter für ihre Sache zu finden. Dabei hätten sie bereits sehr gute Erfahrungen mit der Wirkung ihrer T-Shirts gemacht, berichteten Borgmann und von Unruh am Freitag nach einem Rundgang durch die Stadt. Prompt seien sie angesprochen worden und hätten viel Zuspruch erfahren, neue Mitstreiter gewonnen.

Wichtig sei zudem, einen "Ort der Begenung" in Ingolstadt zu schaffen, an dem die verschiedenen Strömungen zum Austausch zusammenfinden könnten. Die Visionäre erinnern dabei an eine Vision, die schon vor einiger Zeit in der Versenkung verschwunden ist: Ein Schiff auf der Donau als identitätsstiftender Ort für alle Ingolstädterinnen und Ingolstädter. Die Pläne waren seinerzeit weit gediehen, wurden schließlich 2012 aber doch aufgegeben. Als Symbol könne das Schiff dennoch dienen, findet Borgmann. "Wir sitzen schließlich alle im gleichen Boot. " Und überhaupt müsse für die Umsetzung guter Ideen immer auch der richtige Zeitpunkt gefunden werden. Geht es nach den Visionären ist diese Moment nun gekommen.

DK